Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

im Handeln, diss im allgemeinsten Sinne genommen,
verwirklichenden Individualität, -- und derselben,
wie sie in diesem Handeln zugleich daraus heraus,
in sich reflectirt, und es ihr Gegenstand ist. Das
Beobachten nimmt diesen Gegensatz nach demselben
verkehrten Verhältnisse auf, worin er sich in der
Erscheinung bestimmt. Für das unwesentliche Aeu-
ssere
gilt ihm die That selbst und das Werk, es sey
der Sprache oder einer befestigtern Wirklichkeit,
-- für das wesentliche Innre aber, das Insichseyn der
Individualität. Unter den beyden Seiten, welche das
praktische Bewusstseyn an ihm hat, dem Beabsich-
ten und der That, -- dem Meynen über seine Hand-
lung, und der Handlung selbst wählt die Beobach-
tung jene Seite zum wahren Innern; -- dieses soll
seine mehr oder weniger unwesentliche Aeusserung an
der That, seine wahre aber an seiner Gestalt haben.
Die letztere Aeusserung ist unmittelbare sinnliche
Gegenwart des individuellen Geistes; die Innerlich-
keit, die die wahre seyn soll, ist die Eigenheit der
Absicht und die Einzelnheit des Fürsichseyns; bey-
des der gemeynte Geist. Was das Beobachten zu sei-
nen Gegenständen hat, ist also gemeyntes Daseyn, und
zwischen solchem sucht es Gesetze auf.

Das unmittelbare Meynen über die gemeynte Ge-
genwart des Geistes ist die natürliche Physiognomik,
das vorschnelle Urtheil über die innre Natur und
den Charakter ihrer Gestalt bey ihrem ersten An-
blicke. Der Gegenstand dieser Meynung ist von der

im Handeln, diſs im allgemeinsten Sinne genommen,
verwirklichenden Individualität, — und derselben,
wie sie in diesem Handeln zugleich daraus heraus,
in sich reflectirt, und es ihr Gegenstand ist. Das
Beobachten nimmt diesen Gegensatz nach demselben
verkehrten Verhältnisse auf, worin er sich in der
Erscheinung bestimmt. Für das unwesentliche Aeu-
ſsere
gilt ihm die That selbst und das Werk, es sey
der Sprache oder einer befestigtern Wirklichkeit,
— für das wesentliche Innre aber, das Insichseyn der
Individualität. Unter den beyden Seiten, welche das
praktische Bewuſstseyn an ihm hat, dem Beabsich-
ten und der That, — dem Meynen über seine Hand-
lung, und der Handlung selbst wählt die Beobach-
tung jene Seite zum wahren Innern; — dieses soll
seine mehr oder weniger unwesentliche Aeuſserung an
der That, seine wahre aber an seiner Gestalt haben.
Die letztere Aeuſserung ist unmittelbare sinnliche
Gegenwart des individuellen Geistes; die Innerlich-
keit, die die wahre seyn soll, ist die Eigenheit der
Absicht und die Einzelnheit des Fürsichseyns; bey-
des der gemeynte Geist. Was das Beobachten zu sei-
nen Gegenständen hat, ist also gemeyntes Daseyn, und
zwischen solchem sucht es Gesetze auf.

Das unmittelbare Meynen über die gemeynte Ge-
genwart des Geistes ist die natürliche Physiognomik,
das vorschnelle Urtheil über die innre Natur und
den Charakter ihrer Gestalt bey ihrem ersten An-
blicke. Der Gegenstand dieser Meynung ist von der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0363" n="254"/>
im Handeln, di&#x017F;s im allgemeinsten Sinne genommen,<lb/>
verwirklichenden Individualität, &#x2014; und derselben,<lb/>
wie sie in diesem Handeln zugleich daraus heraus,<lb/>
in sich reflectirt, und es ihr Gegenstand ist. Das<lb/>
Beobachten nimmt diesen Gegensatz nach demselben<lb/>
verkehrten Verhältnisse auf, worin er sich in der<lb/>
Erscheinung bestimmt. Für das <hi rendition="#i">unwesentliche Aeu-<lb/>
&#x017F;sere</hi> gilt ihm die <hi rendition="#i">That</hi> selbst und das Werk, es sey<lb/>
der Sprache oder einer befestigtern Wirklichkeit,<lb/>
&#x2014; für das <hi rendition="#i">wesentliche Innre</hi> aber, das <hi rendition="#i">Insichseyn</hi> der<lb/>
Individualität. Unter den beyden Seiten, welche das<lb/>
praktische Bewu&#x017F;stseyn an ihm hat, dem Beabsich-<lb/>
ten und der That, &#x2014; dem <hi rendition="#i">Meynen</hi> über seine Hand-<lb/>
lung, und der <hi rendition="#i">Handlung</hi> selbst wählt die Beobach-<lb/>
tung jene Seite zum wahren Innern; &#x2014; dieses soll<lb/>
seine mehr oder weniger <hi rendition="#i">unwesentliche</hi> Aeu&#x017F;serung an<lb/>
der That, seine wahre aber an seiner Gestalt haben.<lb/>
Die letztere Aeu&#x017F;serung ist unmittelbare sinnliche<lb/>
Gegenwart des individuellen Geistes; die Innerlich-<lb/>
keit, die die wahre seyn soll, ist die Eigenheit der<lb/>
Absicht und die Einzelnheit des Fürsichseyns; bey-<lb/>
des der <hi rendition="#i">gemeynte</hi> Geist. Was das Beobachten zu sei-<lb/>
nen Gegenständen hat, ist also <hi rendition="#i">gemeyntes</hi> Daseyn, und<lb/>
zwischen solchem sucht es Gesetze auf.</p><lb/>
              <p>Das unmittelbare Meynen über die gemeynte Ge-<lb/>
genwart des Geistes ist die natürliche Physiognomik,<lb/>
das vorschnelle Urtheil über die innre Natur und<lb/>
den Charakter ihrer Gestalt bey ihrem ersten An-<lb/>
blicke. Der Gegenstand dieser Meynung ist von der<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[254/0363] im Handeln, diſs im allgemeinsten Sinne genommen, verwirklichenden Individualität, — und derselben, wie sie in diesem Handeln zugleich daraus heraus, in sich reflectirt, und es ihr Gegenstand ist. Das Beobachten nimmt diesen Gegensatz nach demselben verkehrten Verhältnisse auf, worin er sich in der Erscheinung bestimmt. Für das unwesentliche Aeu- ſsere gilt ihm die That selbst und das Werk, es sey der Sprache oder einer befestigtern Wirklichkeit, — für das wesentliche Innre aber, das Insichseyn der Individualität. Unter den beyden Seiten, welche das praktische Bewuſstseyn an ihm hat, dem Beabsich- ten und der That, — dem Meynen über seine Hand- lung, und der Handlung selbst wählt die Beobach- tung jene Seite zum wahren Innern; — dieses soll seine mehr oder weniger unwesentliche Aeuſserung an der That, seine wahre aber an seiner Gestalt haben. Die letztere Aeuſserung ist unmittelbare sinnliche Gegenwart des individuellen Geistes; die Innerlich- keit, die die wahre seyn soll, ist die Eigenheit der Absicht und die Einzelnheit des Fürsichseyns; bey- des der gemeynte Geist. Was das Beobachten zu sei- nen Gegenständen hat, ist also gemeyntes Daseyn, und zwischen solchem sucht es Gesetze auf. Das unmittelbare Meynen über die gemeynte Ge- genwart des Geistes ist die natürliche Physiognomik, das vorschnelle Urtheil über die innre Natur und den Charakter ihrer Gestalt bey ihrem ersten An- blicke. Der Gegenstand dieser Meynung ist von der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/363
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/363>, abgerufen am 22.11.2024.