Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

gemeinen, und Säure und Base haben Wahrheit nur
als Allgemeine. Wie also Glas und Harz ebenso-
wohl positiv als negativ elektrisch seyn kann, so ist
Säure und Base nicht als Eigenschafft an diese oder
jene Wirklichkeit gebunden, sondern jedes Ding ist
nur relativ sauer oder basisch; was decidirte Base
oder Säure zu seyn scheint, erhält in den sogenann-
ten Synsomatien die entgegengesetzte Bedeutung zu
einem andern. -- Das Resultat der Versuche hebt
auf diese Weise die Momente oder Begeistungen als
Eigenschafften der bestimmten Dinge auf, und be-
freyt die Prädicate von ihren Subjecten. Diese Prä-
dicate werden, wie sie in Wahrheit sind, nur als all-
gemeine gefunden; um dieser Selbstständigkeit wil-
len erhalten sie daher den Nahmen von Materien,
welche weder Körper, noch Eigenschafften sind, und
man hütet sich wohl Sauerstoff u. s. f. positive und ne-
gative Electricität, Wärme u. s. w. Körper zu nennen.

Die Materie ist hingegen nicht ein seyendes Ding,
sondern das Seyn als allgemeines, oder in der Weise
des Begriffs. Die Vernunft, welche noch Instinkt,
macht diesen richtigen Unterschied, ohne das Be-
wusstseyn, dass sie, indem sie das Gesetz an allem
sinnlichen Seyn versucht, eben darin sein nur sinn-
liches Seyn aufhebt, und, indem sie seine Momente
als Materien auffasst, ihre Wesenheit ihm zum All-
gemeinen geworden, und in diesem Ausdrucke als
ein unsinnliches Sinnliches, als ein körperloses, und
doch gegenständliches Seyn, ausgesprochen ist.


gemeinen, und Säure und Base haben Wahrheit nur
als Allgemeine. Wie also Glas und Harz ebenso-
wohl positiv als negativ elektrisch seyn kann, so ist
Säure und Base nicht als Eigenschafft an diese oder
jene Wirklichkeit gebunden, sondern jedes Ding ist
nur relativ sauer oder basisch; was decidirte Base
oder Säure zu seyn scheint, erhält in den sogenann-
ten Synsomatien die entgegengesetzte Bedeutung zu
einem andern. — Das Resultat der Versuche hebt
auf diese Weise die Momente oder Begeistungen als
Eigenschafften der bestimmten Dinge auf, und be-
freyt die Prädicate von ihren Subjecten. Diese Prä-
dicate werden, wie sie in Wahrheit sind, nur als all-
gemeine gefunden; um dieser Selbstständigkeit wil-
len erhalten sie daher den Nahmen von Materien,
welche weder Körper, noch Eigenschafften sind, und
man hütet sich wohl Sauerstoff u. s. f. positive und ne-
gative Electricität, Wärme u. s. w. Körper zu nennen.

Die Materie ist hingegen nicht ein seyendes Ding,
sondern das Seyn als allgemeines, oder in der Weise
des Begriffs. Die Vernunft, welche noch Instinkt,
macht diesen richtigen Unterschied, ohne das Be-
wuſstseyn, daſs sie, indem sie das Gesetz an allem
sinnlichen Seyn versucht, eben darin sein nur sinn-
liches Seyn aufhebt, und, indem sie seine Momente
als Materien auffaſst, ihre Wesenheit ihm zum All-
gemeinen geworden, und in diesem Ausdrucke als
ein unsinnliches Sinnliches, als ein körperloses, und
doch gegenständliches Seyn, ausgesprochen ist.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0297" n="188"/>
gemeinen, und Säure und Base haben Wahrheit nur<lb/>
als <hi rendition="#i">Allgemeine</hi>. Wie also Glas und Harz ebenso-<lb/>
wohl positiv als negativ elektrisch seyn kann, so ist<lb/>
Säure und Base nicht als Eigenschafft an diese oder<lb/>
jene <hi rendition="#i">Wirklichkeit</hi> gebunden, sondern jedes Ding ist<lb/>
nur <hi rendition="#i">relativ</hi> sauer oder basisch; was decidirte Base<lb/>
oder Säure zu seyn scheint, erhält in den sogenann-<lb/>
ten Synsomatien die entgegengesetzte Bedeutung zu<lb/>
einem andern. &#x2014; Das Resultat der Versuche hebt<lb/>
auf diese Weise die Momente oder Begeistungen als<lb/>
Eigenschafften der bestimmten Dinge auf, und be-<lb/>
freyt die Prädicate von ihren Subjecten. Diese Prä-<lb/>
dicate werden, wie sie in Wahrheit sind, nur als all-<lb/>
gemeine gefunden; um dieser Selbstständigkeit wil-<lb/>
len erhalten sie daher den Nahmen von <hi rendition="#i">Materien</hi>,<lb/>
welche weder Körper, noch Eigenschafften sind, und<lb/>
man hütet sich wohl Sauerstoff u. s. f. positive und ne-<lb/>
gative Electricität, Wärme u. s. w. Körper zu nennen.</p><lb/>
              <p>Die <hi rendition="#i">Materie</hi> ist hingegen nicht ein <hi rendition="#i">seyendes Ding</hi>,<lb/>
sondern das Seyn als <hi rendition="#i">allgemeines</hi>, oder in der Weise<lb/>
des Begriffs. Die Vernunft, welche noch Instinkt,<lb/>
macht diesen richtigen Unterschied, ohne das Be-<lb/>
wu&#x017F;stseyn, da&#x017F;s sie, indem sie das Gesetz an allem<lb/>
sinnlichen Seyn versucht, eben darin sein nur sinn-<lb/>
liches Seyn aufhebt, und, indem sie seine Momente<lb/>
als <hi rendition="#i">Materien</hi> auffa&#x017F;st, ihre Wesenheit ihm zum All-<lb/>
gemeinen geworden, und in diesem Ausdrucke als<lb/>
ein unsinnliches Sinnliches, als ein körperloses, und<lb/>
doch gegenständliches Seyn, ausgesprochen ist.</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[188/0297] gemeinen, und Säure und Base haben Wahrheit nur als Allgemeine. Wie also Glas und Harz ebenso- wohl positiv als negativ elektrisch seyn kann, so ist Säure und Base nicht als Eigenschafft an diese oder jene Wirklichkeit gebunden, sondern jedes Ding ist nur relativ sauer oder basisch; was decidirte Base oder Säure zu seyn scheint, erhält in den sogenann- ten Synsomatien die entgegengesetzte Bedeutung zu einem andern. — Das Resultat der Versuche hebt auf diese Weise die Momente oder Begeistungen als Eigenschafften der bestimmten Dinge auf, und be- freyt die Prädicate von ihren Subjecten. Diese Prä- dicate werden, wie sie in Wahrheit sind, nur als all- gemeine gefunden; um dieser Selbstständigkeit wil- len erhalten sie daher den Nahmen von Materien, welche weder Körper, noch Eigenschafften sind, und man hütet sich wohl Sauerstoff u. s. f. positive und ne- gative Electricität, Wärme u. s. w. Körper zu nennen. Die Materie ist hingegen nicht ein seyendes Ding, sondern das Seyn als allgemeines, oder in der Weise des Begriffs. Die Vernunft, welche noch Instinkt, macht diesen richtigen Unterschied, ohne das Be- wuſstseyn, daſs sie, indem sie das Gesetz an allem sinnlichen Seyn versucht, eben darin sein nur sinn- liches Seyn aufhebt, und, indem sie seine Momente als Materien auffaſst, ihre Wesenheit ihm zum All- gemeinen geworden, und in diesem Ausdrucke als ein unsinnliches Sinnliches, als ein körperloses, und doch gegenständliches Seyn, ausgesprochen ist.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/297
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/297>, abgerufen am 23.11.2024.