festgewurzelt, dass es gleicher Gewalt bedarf, ihn darüber zu erheben. Der Geist zeigt sich so arm, dass er sich, wie in der Sandwüste der Wanderer nach einem einfachen Trunk Was- sers, nur nach dem dürftigen Gefühle des Gött- lichen überhaupt für seine Erquickung zu seh- nen scheint. An diesem, woran dem Geiste genügt, ist die Grösse seines Verlustes zu er- messen.
Diese Genügsamkeit des Empfangens oder Sparsamkeit des Gebens ziemt jedoch der Wis- senschaft nicht. Wer nur Erbauung sucht, wer seine irdische Mannichfaltigkeit des Da- seyns und des Gedankens in Nebel einzuhüllen und nach dem unbestimmten Genusse dieser un- bestimmten Göttlichkeit verlangt, mag zusehen, wo er diss findet; er wird leicht selbst sich etwas vorzuschwärmen und damit sich aufzu- spreitzen die Mittel finden. Die Philosophie aber muss sich hüten, erbaulich seyn zu wollen.
Noch weniger muss diese Genügsamkeit, die auf die Wissenschaft Verzicht thut, dar- auf Anspruch machen, dass solche Begeisterung und Trübheit etwas höheres sey als die Wis- senschaft. Dieses prophetische Reden meynt gerade so recht im Mittelpunkte und der Tiefe zu bleiben, blickt verächtlich auf die Be[sti]mmt-
feſtgewurzelt, daſs es gleicher Gewalt bedarf, ihn darüber zu erheben. Der Geiſt zeigt ſich ſo arm, daſs er ſich, wie in der Sandwüſte der Wanderer nach einem einfachen Trunk Waſ- ſers, nur nach dem dürftigen Gefühle des Gött- lichen überhaupt für ſeine Erquickung zu ſeh- nen ſcheint. An dieſem, woran dem Geiſte genügt, iſt die Gröſse ſeines Verluſtes zu er- meſſen.
Dieſe Genügſamkeit des Empfangens oder Sparſamkeit des Gebens ziemt jedoch der Wiſ- ſenſchaft nicht. Wer nur Erbauung ſucht, wer ſeine irdiſche Mannichfaltigkeit des Da- ſeyns und des Gedankens in Nebel einzuhüllen und nach dem unbeſtimmten Genuſſe dieſer un- beſtimmten Göttlichkeit verlangt, mag zuſehen, wo er diſs findet; er wird leicht ſelbſt ſich etwas vorzuſchwärmen und damit ſich aufzu- ſpreitzen die Mittel finden. Die Philoſophie aber muſs ſich hüten, erbaulich ſeyn zu wollen.
Noch weniger muſs dieſe Genügſamkeit, die auf die Wiſſenſchaft Verzicht thut, dar- auf Anſpruch machen, daſs ſolche Begeiſterung und Trübheit etwas höheres ſey als die Wiſ- ſenſchaft. Dieſes prophetiſche Reden meynt gerade ſo recht im Mittelpunkte und der Tiefe zu bleiben, blickt verächtlich auf die Be[sti]mmt-
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[XI/0026]
feſtgewurzelt, daſs es gleicher Gewalt bedarf,
ihn darüber zu erheben. Der Geiſt zeigt ſich
ſo arm, daſs er ſich, wie in der Sandwüſte der
Wanderer nach einem einfachen Trunk Waſ-
ſers, nur nach dem dürftigen Gefühle des Gött-
lichen überhaupt für ſeine Erquickung zu ſeh-
nen ſcheint. An dieſem, woran dem Geiſte
genügt, iſt die Gröſse ſeines Verluſtes zu er-
meſſen.
Dieſe Genügſamkeit des Empfangens oder
Sparſamkeit des Gebens ziemt jedoch der Wiſ-
ſenſchaft nicht. Wer nur Erbauung ſucht,
wer ſeine irdiſche Mannichfaltigkeit des Da-
ſeyns und des Gedankens in Nebel einzuhüllen
und nach dem unbeſtimmten Genuſſe dieſer un-
beſtimmten Göttlichkeit verlangt, mag zuſehen,
wo er diſs findet; er wird leicht ſelbſt ſich
etwas vorzuſchwärmen und damit ſich aufzu-
ſpreitzen die Mittel finden. Die Philoſophie
aber muſs ſich hüten, erbaulich ſeyn zu wollen.
Noch weniger muſs dieſe Genügſamkeit,
die auf die Wiſſenſchaft Verzicht thut, dar-
auf Anſpruch machen, daſs ſolche Begeiſterung
und Trübheit etwas höheres ſey als die Wiſ-
ſenſchaft. Dieſes prophetiſche Reden meynt
gerade ſo recht im Mittelpunkte und der Tiefe
zu bleiben, blickt verächtlich auf die Bestimmt-
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. XI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/26>, abgerufen am 24.11.2024.
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