demjenigen oder vielmehr nur als dasjenige exi- stirt, was bald Anschauung, bald unmittelbares Wissen des Absoluten, Religion, das Seyn -- nicht im Centrum der göttlichen Liebe, sondern das Seyn desselben selbst -- genannt wird, so wird von da aus zugleich für die Darstellung der Philosophie vielmehr das Gegentheil der Form des Begriffs gefodert. Das Absolute soll nicht begriffen, sondern gefühlt und angeschaut, nicht sein Begriff, sondern sein Gefühl und Anschau- ung sollen das Wort führen und ausgesprochen werden.
Wird die Erscheinung einer solchen Fode- rung nach ihrem allgemeinern Zusammenhange aufgefasst, und auf die Stuffe gesehen, worauf der selbstbewusste Geist gegenwärtig steht, so ist er über das substantielle Leben, das er sonst im Elemente des Gedankens führte, hinaus, -- über diese Unmittelbarkeit seines Glaubens, über die Befriedigung und Sicherheit der Gewissheit, welche das Bewusstseyn von seiner Versöhnung mit dem Wesen und dessen allgemeiner, der innern und äussern, Gegenwart besass. Er ist nicht nur darüber hinausgegangen, in das an- dere Extrem der substanzlosen Reflexion seiner in sich selbst, sondern auch über diese. Sein wesentliches Leben ist ihm nicht nur verloren,
demjenigen oder vielmehr nur als dasjenige exi- ſtirt, was bald Anſchauung, bald unmittelbares Wiſſen des Abſoluten, Religion, das Seyn — nicht im Centrum der göttlichen Liebe, ſondern das Seyn deſſelben ſelbſt — genannt wird, ſo wird von da aus zugleich für die Darſtellung der Philoſophie vielmehr das Gegentheil der Form des Begriffs gefodert. Das Abſolute ſoll nicht begriffen, ſondern gefühlt und angeſchaut, nicht ſein Begriff, ſondern ſein Gefühl und Anſchau- ung ſollen das Wort führen und ausgeſprochen werden.
Wird die Erſcheinung einer ſolchen Fode- rung nach ihrem allgemeinern Zuſammenhange aufgefaſst, und auf die Stuffe geſehen, worauf der ſelbſtbewuſste Geiſt gegenwärtig ſteht, ſo iſt er über das ſubſtantielle Leben, das er ſonſt im Elemente des Gedankens führte, hinaus, — über dieſe Unmittelbarkeit ſeines Glaubens, über die Befriedigung und Sicherheit der Gewiſsheit, welche das Bewuſstſeyn von ſeiner Verſöhnung mit dem Weſen und deſſen allgemeiner, der innern und äuſſern, Gegenwart beſaſs. Er iſt nicht nur darüber hinausgegangen, in das an- dere Extrem der ſubſtanzloſen Reflexion ſeiner in ſich ſelbſt, ſondern auch über dieſe. Sein weſentliches Leben iſt ihm nicht nur verloren,
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[VIII/0023]
demjenigen oder vielmehr nur als dasjenige exi-
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Wiſſen des Abſoluten, Religion, das Seyn —
nicht im Centrum der göttlichen Liebe, ſondern
das Seyn deſſelben ſelbſt — genannt wird, ſo wird
von da aus zugleich für die Darſtellung der
Philoſophie vielmehr das Gegentheil der Form
des Begriffs gefodert. Das Abſolute ſoll nicht
begriffen, ſondern gefühlt und angeſchaut, nicht
ſein Begriff, ſondern ſein Gefühl und Anſchau-
ung ſollen das Wort führen und ausgeſprochen
werden.
Wird die Erſcheinung einer ſolchen Fode-
rung nach ihrem allgemeinern Zuſammenhange
aufgefaſst, und auf die Stuffe geſehen, worauf der
ſelbſtbewuſste Geiſt gegenwärtig ſteht, ſo iſt er
über das ſubſtantielle Leben, das er ſonſt im
Elemente des Gedankens führte, hinaus, — über
dieſe Unmittelbarkeit ſeines Glaubens, über die
Befriedigung und Sicherheit der Gewiſsheit,
welche das Bewuſstſeyn von ſeiner Verſöhnung
mit dem Weſen und deſſen allgemeiner, der
innern und äuſſern, Gegenwart beſaſs. Er iſt
nicht nur darüber hinausgegangen, in das an-
dere Extrem der ſubſtanzloſen Reflexion ſeiner
in ſich ſelbſt, ſondern auch über dieſe. Sein
weſentliches Leben iſt ihm nicht nur verloren,
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. VIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/23>, abgerufen am 27.11.2024.
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