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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

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Diese Bewährung aber durch den Tod hebt eben
so die Wahrheit, welche daraus hervorgehen sollte,
als damit auch die Gewissheit seiner selbst über-
haupt auf; denn wie das Leben die natürliche Posi-
tion des Bewusstseyns, die Selbstständigkeit ohne die
absolute Negativität, ist, so ist er die natürliche Ne-
gation desselben, die Negation ohne die Selbständig-
keit, welche also ohne die geforderte Bedeutung des
Anerkennens bleibt. Durch den Tod ist zwar die
Gewissheit geworden, dass beyde ihr Leben wagten,
und es an ihnen und an dem andern verachteten;
aber nicht für die, welche diesen Kampf bestanden,
Sie heben ihr in dieser fremden Wesenheit, wel-
ches das natürliche Daseyn ist, gesetztes Bewusst-
seyn, oder sie heben sich, und werden, als die für
sich seyn wollenden Extreme aufgehoben. Es ver-
schwindet aber damit aus dem Spiele des Wechsels
das wesentliche Moment, sich in Extreme entgegen-
gesetzter Bestimmtheiten zu zersetzen; und die Mitte
fällt in eine todte Einheit zusammen, welche in
todte, bloss seyende, nicht entgegengesetzte Extreme
zersetzt ist; und die beyden geben und empfangen
sich nicht gegenseitig von einander durch das
Bewusstseyn zurück, sondern lassen einander nur
gleichgültig, als Dinge, frey. Ihre That ist die ab-
stracte Negation, nicht die Negation des Bewusst-
seyns, welches so aufhebt, dass es das aufgehobene
auftewahrt und erhält, und hiemit sein Aufgehoben-
werden überlebt.


Diese Bewährung aber durch den Tod hebt eben
so die Wahrheit, welche daraus hervorgehen sollte,
als damit auch die Gewiſsheit seiner selbst über-
haupt auf; denn wie das Leben die natürliche Posi-
tion des Bewuſstseyns, die Selbstständigkeit ohne die
absolute Negativität, ist, so ist er die natürliche Ne-
gation desselben, die Negation ohne die Selbständig-
keit, welche also ohne die geforderte Bedeutung des
Anerkennens bleibt. Durch den Tod ist zwar die
Gewiſsheit geworden, daſs beyde ihr Leben wagten,
und es an ihnen und an dem andern verachteten;
aber nicht für die, welche diesen Kampf bestanden,
Sie heben ihr in dieser fremden Wesenheit, wel-
ches das natürliche Daseyn ist, gesetztes Bewuſst-
seyn, oder sie heben sich, und werden, als die für
sich seyn wollenden Extreme aufgehoben. Es ver-
schwindet aber damit aus dem Spiele des Wechsels
das wesentliche Moment, sich in Extreme entgegen-
gesetzter Bestimmtheiten zu zersetzen; und die Mitte
fällt in eine todte Einheit zusammen, welche in
todte, bloſs seyende, nicht entgegengesetzte Extreme
zersetzt ist; und die beyden geben und empfangen
sich nicht gegenseitig von einander durch das
Bewuſstseyn zurück, sondern lassen einander nur
gleichgültig, als Dinge, frey. Ihre That ist die ab-
stracte Negation, nicht die Negation des Bewuſst-
seyns, welches so aufhebt, daſs es das aufgehobene
auftewahrt und erhält, und hiemit sein Aufgehoben-
werden überlebt.


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[120/0229] Diese Bewährung aber durch den Tod hebt eben so die Wahrheit, welche daraus hervorgehen sollte, als damit auch die Gewiſsheit seiner selbst über- haupt auf; denn wie das Leben die natürliche Posi- tion des Bewuſstseyns, die Selbstständigkeit ohne die absolute Negativität, ist, so ist er die natürliche Ne- gation desselben, die Negation ohne die Selbständig- keit, welche also ohne die geforderte Bedeutung des Anerkennens bleibt. Durch den Tod ist zwar die Gewiſsheit geworden, daſs beyde ihr Leben wagten, und es an ihnen und an dem andern verachteten; aber nicht für die, welche diesen Kampf bestanden, Sie heben ihr in dieser fremden Wesenheit, wel- ches das natürliche Daseyn ist, gesetztes Bewuſst- seyn, oder sie heben sich, und werden, als die für sich seyn wollenden Extreme aufgehoben. Es ver- schwindet aber damit aus dem Spiele des Wechsels das wesentliche Moment, sich in Extreme entgegen- gesetzter Bestimmtheiten zu zersetzen; und die Mitte fällt in eine todte Einheit zusammen, welche in todte, bloſs seyende, nicht entgegengesetzte Extreme zersetzt ist; und die beyden geben und empfangen sich nicht gegenseitig von einander durch das Bewuſstseyn zurück, sondern lassen einander nur gleichgültig, als Dinge, frey. Ihre That ist die ab- stracte Negation, nicht die Negation des Bewuſst- seyns, welches so aufhebt, daſs es das aufgehobene auftewahrt und erhält, und hiemit sein Aufgehoben- werden überlebt.

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/229>, abgerufen am 23.11.2024.