Diss andere Leben aber, für welches die Gattung als solche und welches für sich selbst Gattung ist, das Selbstbewusstseyn, ist sich zunächst nur als die- ses einfache Wesen, und hat sich als reines Ich zum Gegenstande; in seiner Erfahrung, die nun zu be- trachten ist, wird sich ihm dieser abstracte Gegen- stand bereichern, und die Entfaltung erhalten, wel- che wir an dem Leben gesehen haben.
Das einfache Ich ist diese Gattung oder das ein- fache allgemeine, für welches die Unterschiede keine sind, nur, indem es negatives Wesen der gestalteten selbstständigen Momente ist; und das Selbstbewusst- seyn hiemit seiner selbst nur gewiss, durch das Auf- heben dieses andern, das sich ihm als selbstständiges Leben darstellt; es ist Begierde. Der Nichtigkeit dieses andern gewiss setzt es für sich dieselbe als seine Wahrheit, vernichtet den selbstständigen Gegen- stand und gibt sich dadurch die Gewissheit seiner selbst, als wahre Gewissheit, als solche, welche ihm selbst auf gegenständliche Weise geworden ist.
In dieser Befriedigung aber macht es die Erfah- rung von der Selbstständigkeit seines Gegenstandes. Die Begierde und die in ihrer Befriedigung erreichte Gewissheit seiner selbst ist bedingt durch ihn, denn sie ist durch Aufheben dieses Andern; dass diss Auf- heben sey, muss diss Andere seyn. Das Selbstbe- wusstseyn vermag also durch seine negative Bezie- hung, ihn nicht aufzuheben; es erzeugt ihn darum vielmehr wieder, so wie die Begierde. Es ist in der
Diſs andere Leben aber, für welches die Gattung als solche und welches für sich selbst Gattung ist, das Selbstbewuſstseyn, ist sich zunächst nur als die- ses einfache Wesen, und hat sich als reines Ich zum Gegenstande; in seiner Erfahrung, die nun zu be- trachten ist, wird sich ihm dieser abstracte Gegen- stand bereichern, und die Entfaltung erhalten, wel- che wir an dem Leben gesehen haben.
Das einfache Ich ist diese Gattung oder das ein- fache allgemeine, für welches die Unterschiede keine sind, nur, indem es negatives Wesen der gestalteten selbstständigen Momente ist; und das Selbstbewuſst- seyn hiemit seiner selbst nur gewiſs, durch das Auf- heben dieses andern, das sich ihm als selbstständiges Leben darstellt; es ist Begierde. Der Nichtigkeit dieses andern gewiſs setzt es für sich dieselbe als seine Wahrheit, vernichtet den selbstständigen Gegen- stand und gibt sich dadurch die Gewiſsheit seiner selbst, als wahre Gewiſsheit, als solche, welche ihm selbst auf gegenständliche Weise geworden ist.
In dieser Befriedigung aber macht es die Erfah- rung von der Selbstständigkeit seines Gegenstandes. Die Begierde und die in ihrer Befriedigung erreichte Gewiſsheit seiner selbst ist bedingt durch ihn, denn sie ist durch Aufheben dieses Andern; daſs diſs Auf- heben sey, muſs diſs Andere seyn. Das Selbstbe- wuſstseyn vermag also durch seine negative Bezie- hung, ihn nicht aufzuheben; es erzeugt ihn darum vielmehr wieder, so wie die Begierde. Es ist in der
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Diſs andere Leben aber, für welches die Gattung
als solche und welches für sich selbst Gattung ist,
das Selbstbewuſstseyn, ist sich zunächst nur als die-
ses einfache Wesen, und hat sich als reines Ich zum
Gegenstande; in seiner Erfahrung, die nun zu be-
trachten ist, wird sich ihm dieser abstracte Gegen-
stand bereichern, und die Entfaltung erhalten, wel-
che wir an dem Leben gesehen haben.
Das einfache Ich ist diese Gattung oder das ein-
fache allgemeine, für welches die Unterschiede keine
sind, nur, indem es negatives Wesen der gestalteten
selbstständigen Momente ist; und das Selbstbewuſst-
seyn hiemit seiner selbst nur gewiſs, durch das Auf-
heben dieses andern, das sich ihm als selbstständiges
Leben darstellt; es ist Begierde. Der Nichtigkeit
dieses andern gewiſs setzt es für sich dieselbe als seine
Wahrheit, vernichtet den selbstständigen Gegen-
stand und gibt sich dadurch die Gewiſsheit seiner
selbst, als wahre Gewiſsheit, als solche, welche ihm
selbst auf gegenständliche Weise geworden ist.
In dieser Befriedigung aber macht es die Erfah-
rung von der Selbstständigkeit seines Gegenstandes.
Die Begierde und die in ihrer Befriedigung erreichte
Gewiſsheit seiner selbst ist bedingt durch ihn, denn
sie ist durch Aufheben dieses Andern; daſs diſs Auf-
heben sey, muſs diſs Andere seyn. Das Selbstbe-
wuſstseyn vermag also durch seine negative Bezie-
hung, ihn nicht aufzuheben; es erzeugt ihn darum
vielmehr wieder, so wie die Begierde. Es ist in der
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/219>, abgerufen am 23.11.2024.
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