Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

die unendliche Bewegung ist, von welcher jenes ru-
hige Medium aufgezehrt wird, das Leben als Leben-
diges
. -- Diese Verkehrung aber ist darum wieder die
Verkehrtheit an sich selbst; was aufgezehrt wird, ist
das Wesen; die auf Kosten des Allgemeinen sich er-
haltende, und das Gefühl ihrer Einheit mit sich
selbst sich gebende Individualität hebt gerade damit
ihren Gegensatz des Andern, durch welchen sie für sich
ist
, auf; die Einheit mit sich selbst, welche sie sich
gibt, ist gerade die Flüssigkeit der Unterschiede, oder
die allgemeine Auflösung. Aber umgekehrt ist das
Aufheben des individuellen Bestehens ebenso das Er-
zeugen desselben. Denn da das Wesen der individuel-
len Gestalt, das allgemeine Leben, und das für sich
seyende an sich einfache Substanz ist, so hebt es, in-
dem es das Andre in sich setzt, diese seine Einfach-
heit
, oder sein Wesen auf, d. h. es entzweyt sie, und
diss Entzweyen der unterschiedslosen Flüssigkeit ist
eben das Setzen der Individualität. Die einfache
Substanz des Lebens also ist die Entzweyung ihrer
selbst in Gestalten, und zugleich die Auflösung die-
ser bestehenden Unterschiede; und die Auflösung
der Entzweyung ist ebensosehr Entzweyen oder ein
Gliedern. Es fallen damit die beyden Seiten der gan-
zen Bewegung, welche unterschieden wurden, nem-
lich die in dem allgemeinen Medium der Selbststän-
digkeit ruhig auseinandergelegte Gestaltung, und der
Process des Lebens ineinander; der letztere ist eben
so sehr Gestaltung, als er das Aufheben der Gestalt

die unendliche Bewegung ist, von welcher jenes ru-
hige Medium aufgezehrt wird, das Leben als Leben-
diges
. — Diese Verkehrung aber ist darum wieder die
Verkehrtheit an sich selbst; was aufgezehrt wird, ist
das Wesen; die auf Kosten des Allgemeinen sich er-
haltende, und das Gefühl ihrer Einheit mit sich
selbst sich gebende Individualität hebt gerade damit
ihren Gegensatz des Andern, durch welchen sie für sich
ist
, auf; die Einheit mit sich selbst, welche sie sich
gibt, ist gerade die Flüssigkeit der Unterschiede, oder
die allgemeine Auflösung. Aber umgekehrt ist das
Aufheben des individuellen Bestehens ebenso das Er-
zeugen desselben. Denn da das Wesen der individuel-
len Gestalt, das allgemeine Leben, und das für sich
seyende an sich einfache Substanz ist, so hebt es, in-
dem es das Andre in sich setzt, diese seine Einfach-
heit
, oder sein Wesen auf, d. h. es entzweyt sie, und
diſs Entzweyen der unterschiedslosen Flüssigkeit ist
eben das Setzen der Individualität. Die einfache
Substanz des Lebens also ist die Entzweyung ihrer
selbst in Gestalten, und zugleich die Auflösung die-
ser bestehenden Unterschiede; und die Auflösung
der Entzweyung ist ebensosehr Entzweyen oder ein
Gliedern. Es fallen damit die beyden Seiten der gan-
zen Bewegung, welche unterschieden wurden, nem-
lich die in dem allgemeinen Medium der Selbststän-
digkeit ruhig auseinandergelegte Gestaltung, und der
Proceſs des Lebens ineinander; der letztere ist eben
so sehr Gestaltung, als er das Aufheben der Gestalt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0217" n="108"/>
die unendliche Bewegung ist, von welcher jenes ru-<lb/>
hige Medium aufgezehrt wird, das Leben als <hi rendition="#i">Leben-<lb/>
diges</hi>. &#x2014; Diese <hi rendition="#i">Verkehrung</hi> aber ist darum wieder die<lb/><hi rendition="#i">Verkehrtheit an sich selbst;</hi> was aufgezehrt wird, ist<lb/>
das Wesen; die auf Kosten des Allgemeinen sich er-<lb/>
haltende, und das Gefühl ihrer Einheit mit sich<lb/>
selbst sich gebende Individualität hebt gerade damit<lb/><hi rendition="#i">ihren Gegensatz des Andern, durch welchen sie für sich<lb/>
ist</hi>, auf; die <hi rendition="#i">Einheit</hi> mit sich selbst, welche sie sich<lb/>
gibt, ist gerade die <hi rendition="#i">Flüssigkeit</hi> der Unterschiede, oder<lb/>
die <hi rendition="#i">allgemeine Auflösung</hi>. Aber umgekehrt ist das<lb/>
Aufheben des individuellen Bestehens ebenso das Er-<lb/>
zeugen desselben. Denn da das <hi rendition="#i">Wesen</hi> der individuel-<lb/>
len Gestalt, das allgemeine Leben, und das für sich<lb/>
seyende an sich einfache Substanz ist, so hebt es, in-<lb/>
dem es das <hi rendition="#i">Andre</hi> in sich setzt, diese seine <hi rendition="#i">Einfach-<lb/>
heit</hi>, oder sein Wesen auf, d. h. es entzweyt sie, und<lb/>
di&#x017F;s Entzweyen der unterschiedslosen Flüssigkeit ist<lb/>
eben das Setzen der Individualität. Die einfache<lb/>
Substanz des Lebens also ist die Entzweyung ihrer<lb/>
selbst in Gestalten, und zugleich die Auflösung die-<lb/>
ser bestehenden Unterschiede; und die Auflösung<lb/>
der Entzweyung ist ebensosehr Entzweyen oder ein<lb/>
Gliedern. Es fallen damit die beyden Seiten der gan-<lb/>
zen Bewegung, welche unterschieden wurden, nem-<lb/>
lich die in dem allgemeinen Medium der Selbststän-<lb/>
digkeit ruhig auseinandergelegte Gestaltung, und der<lb/>
Proce&#x017F;s des Lebens ineinander; der letztere ist eben<lb/>
so sehr Gestaltung, als er das Aufheben der Gestalt<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[108/0217] die unendliche Bewegung ist, von welcher jenes ru- hige Medium aufgezehrt wird, das Leben als Leben- diges. — Diese Verkehrung aber ist darum wieder die Verkehrtheit an sich selbst; was aufgezehrt wird, ist das Wesen; die auf Kosten des Allgemeinen sich er- haltende, und das Gefühl ihrer Einheit mit sich selbst sich gebende Individualität hebt gerade damit ihren Gegensatz des Andern, durch welchen sie für sich ist, auf; die Einheit mit sich selbst, welche sie sich gibt, ist gerade die Flüssigkeit der Unterschiede, oder die allgemeine Auflösung. Aber umgekehrt ist das Aufheben des individuellen Bestehens ebenso das Er- zeugen desselben. Denn da das Wesen der individuel- len Gestalt, das allgemeine Leben, und das für sich seyende an sich einfache Substanz ist, so hebt es, in- dem es das Andre in sich setzt, diese seine Einfach- heit, oder sein Wesen auf, d. h. es entzweyt sie, und diſs Entzweyen der unterschiedslosen Flüssigkeit ist eben das Setzen der Individualität. Die einfache Substanz des Lebens also ist die Entzweyung ihrer selbst in Gestalten, und zugleich die Auflösung die- ser bestehenden Unterschiede; und die Auflösung der Entzweyung ist ebensosehr Entzweyen oder ein Gliedern. Es fallen damit die beyden Seiten der gan- zen Bewegung, welche unterschieden wurden, nem- lich die in dem allgemeinen Medium der Selbststän- digkeit ruhig auseinandergelegte Gestaltung, und der Proceſs des Lebens ineinander; der letztere ist eben so sehr Gestaltung, als er das Aufheben der Gestalt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/217
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/217>, abgerufen am 23.11.2024.