diesem Falle das Erkennen, da es durch sein vielfa- ches Bemühen ganz etwas anderes zu treiben sich die Miene gibt, als nur die unmittelbare und somit mü- helose Beziehung hervor zu bringen. Oder wenn die Prüffung des Erkennens, das wir als ein Medium uns vorstellen, uns das Gesetz seiner Strahlenbre- chung kennen lehrt, so nützt es eben so nichts, sie in Resultate abzuziehen; denn nicht das Brechen des Strahls, sondern der Strahl selbst, wodurch die Wahr- heit uns berührt, ist das Erkennen, und dieses ab- gezogen, wäre uns nur die reine Richtung, oder der leere Ort bezeichnet worden.
Inzwischen wenn die Besorgniss in Irrthum zu gerathen, ein Misstrauen in die Wissenschaft setzt, welche ohne dergleichen Bedenklichkeiten ans Werk selbst geht und wirklich erkennt, so ist nicht ab- zusehen, warum nicht umgekehrt ein Misstrauen in diss Misstrauen gesetzt, und besorgt werden soll, dass diese Furcht zu irren schon der Irrthum selbst ist. In der That setzt sie etwas und zwar manches als Wahrheit voraus, und stützt darauf ihre Bedenklich- keiten und Consequenzen, was selbst vorher zu prüf- fen ist, ob es Wahrheit sey. Sie setzt nemlich Vor- stellungen von dem Erkennen als einem Werkzeuge und Medium, auch einen Unterschied unserer selbst von die- sem Erkennen voraus; vorzüglich aber diss, dass das Absolute auf einer Seite stehe, und das Erkennen auf der andern Seite für sich und getrennt von dem Ab- soluten doch etwas reelles, oder hiemit, dass das Er-
diesem Falle das Erkennen, da es durch sein vielfa- ches Bemühen ganz etwas anderes zu treiben sich die Miene gibt, als nur die unmittelbare und somit mü- helose Beziehung hervor zu bringen. Oder wenn die Prüffung des Erkennens, das wir als ein Medium uns vorstellen, uns das Gesetz seiner Strahlenbre- chung kennen lehrt, so nützt es eben so nichts, sie in Resultate abzuziehen; denn nicht das Brechen des Strahls, sondern der Strahl selbst, wodurch die Wahr- heit uns berührt, ist das Erkennen, und dieses ab- gezogen, wäre uns nur die reine Richtung, oder der leere Ort bezeichnet worden.
Inzwischen wenn die Besorgniſs in Irrthum zu gerathen, ein Miſstrauen in die Wissenschaft ſetzt, welche ohne dergleichen Bedenklichkeiten ans Werk selbst geht und wirklich erkennt, so ist nicht ab- zusehen, warum nicht umgekehrt ein Miſstrauen in diſs Miſstrauen gesetzt, und beſorgt werden soll, daſs diese Furcht zu irren schon der Irrthum selbst ist. In der That setzt sie etwas und zwar manches als Wahrheit voraus, und stützt darauf ihre Bedenklich- keiten und Consequenzen, was selbst vorher zu prüf- fen ist, ob es Wahrheit sey. Sie setzt nemlich Vor- stellungen von dem Erkennen als einem Werkzeuge und Medium, auch einen Unterschied unserer selbst von die- sem Erkennen voraus; vorzüglich aber diſs, daſs das Absolute auf einer Seite stehe, und das Erkennen auf der andern Seite für sich und getrennt von dem Ab- soluten doch etwas reelles, oder hiemit, daſs das Er-
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diesem Falle das Erkennen, da es durch sein vielfa-
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Miene gibt, als nur die unmittelbare und somit mü-
helose Beziehung hervor zu bringen. Oder wenn
die Prüffung des Erkennens, das wir als ein Medium
uns vorstellen, uns das Gesetz seiner Strahlenbre-
chung kennen lehrt, so nützt es eben so nichts, sie
in Resultate abzuziehen; denn nicht das Brechen des
Strahls, sondern der Strahl selbst, wodurch die Wahr-
heit uns berührt, ist das Erkennen, und dieses ab-
gezogen, wäre uns nur die reine Richtung, oder der
leere Ort bezeichnet worden.
Inzwischen wenn die Besorgniſs in Irrthum zu
gerathen, ein Miſstrauen in die Wissenschaft ſetzt,
welche ohne dergleichen Bedenklichkeiten ans Werk
selbst geht und wirklich erkennt, so ist nicht ab-
zusehen, warum nicht umgekehrt ein Miſstrauen in
diſs Miſstrauen gesetzt, und beſorgt werden soll, daſs
diese Furcht zu irren schon der Irrthum selbst ist.
In der That setzt sie etwas und zwar manches als
Wahrheit voraus, und stützt darauf ihre Bedenklich-
keiten und Consequenzen, was selbst vorher zu prüf-
fen ist, ob es Wahrheit sey. Sie setzt nemlich Vor-
stellungen von dem Erkennen als einem Werkzeuge und
Medium, auch einen Unterschied unserer selbst von die-
sem Erkennen voraus; vorzüglich aber diſs, daſs das
Absolute auf einer Seite stehe, und das Erkennen auf
der andern Seite für sich und getrennt von dem Ab-
soluten doch etwas reelles, oder hiemit, daſs das Er-
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/114>, abgerufen am 24.11.2024.
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