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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816.

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III. Kapitel. Die absolute Idee.
dem Punkte die Wahrheit abgesprochen wurde; --
oder aber im subjectiven Sinne, daß das Erkennen
mangelhaft sey
. Unter der letztern Folgerung wird
nun entweder verstanden, daß es nur diese Dialektik
sey, welche das Kunststück eines falschen Scheines vor-
mache. Diß ist die gewöhnliche Ansicht des sogenannten
gesunden Menschenverstandes, der sich an die sinn-
liche
Evidenz und die gewohnten Vorstellungen
und Aussprüche hält, -- zuweilen ruhiger, wie Dio-
genes der Hund, die Dialektik der Bewegung durch ein
stummes Auf- und Abgehen in ihrer Blösse zeigt, oft
aber in Harnisch darüber geräth, es sey bloß als über
eine Narrheit, oder wenn es sittlich wichtige Gegenstände
betrift, als über einen Frevel, der das wesentlich Feste
wankend zu machen suche, und dem Laster Gründe an
die Hand zu geben lehre, -- eine Ansicht, die in der so-
kratischen Dialektik gegen die sophistische vorkommt, und
ein Zorn, der umgekehrt wieder selbst den Sokrates das
Leben gekostet hat. Die pöbelhafte Widerlegung, die,
wie Diogenes that, dem Denken das sinnliche Be-
wußtseyn
entgegensetzt, und in diesem die Wahrheit
zu haben meynt, muß man sich selbst überlassen; inso-
fern die Dialektik aber sittliche Bestimmungen aufhebt,
zur Vernunft das Vertrauen haben, daß sie dieselben,
aber in ihrer Wahrheit, und dem Bewußtseyn ihres
Rechts aber auch ihrer Schranke, wieder herzustellen
wissen werde. -- Oder aber das Resultat der subjecti-
ven Nichtigkeit betrift nicht die Dialektik selbst, sondern
vielmehr das Erkennen, wogegen sie gerichtet ist; und
im Sinne des Skepticismus, ingleichen der Kantischen
Philosophie, das Erkennen überhaupt.

Das Grundvorurtheil hiebey ist, daß die Dialektik
nur ein negatives Resultat habe, was sogleich
seine nähere Bestimmung erhalten wird. Zunächst ist

über

III. Kapitel. Die abſolute Idee.
dem Punkte die Wahrheit abgeſprochen wurde; —
oder aber im ſubjectiven Sinne, daß das Erkennen
mangelhaft ſey
. Unter der letztern Folgerung wird
nun entweder verſtanden, daß es nur dieſe Dialektik
ſey, welche das Kunſtſtuͤck eines falſchen Scheines vor-
mache. Diß iſt die gewoͤhnliche Anſicht des ſogenannten
geſunden Menſchenverſtandes, der ſich an die ſinn-
liche
Evidenz und die gewohnten Vorſtellungen
und Ausſpruͤche haͤlt, — zuweilen ruhiger, wie Dio-
genes der Hund, die Dialektik der Bewegung durch ein
ſtummes Auf- und Abgehen in ihrer Bloͤſſe zeigt, oft
aber in Harniſch daruͤber geraͤth, es ſey bloß als uͤber
eine Narrheit, oder wenn es ſittlich wichtige Gegenſtaͤnde
betrift, als uͤber einen Frevel, der das weſentlich Feſte
wankend zu machen ſuche, und dem Laſter Gruͤnde an
die Hand zu geben lehre, — eine Anſicht, die in der ſo-
kratiſchen Dialektik gegen die ſophiſtiſche vorkommt, und
ein Zorn, der umgekehrt wieder ſelbſt den Sokrates das
Leben gekoſtet hat. Die poͤbelhafte Widerlegung, die,
wie Diogenes that, dem Denken das ſinnliche Be-
wußtſeyn
entgegenſetzt, und in dieſem die Wahrheit
zu haben meynt, muß man ſich ſelbſt uͤberlaſſen; inſo-
fern die Dialektik aber ſittliche Beſtimmungen aufhebt,
zur Vernunft das Vertrauen haben, daß ſie dieſelben,
aber in ihrer Wahrheit, und dem Bewußtſeyn ihres
Rechts aber auch ihrer Schranke, wieder herzuſtellen
wiſſen werde. — Oder aber das Reſultat der ſubjecti-
ven Nichtigkeit betrift nicht die Dialektik ſelbſt, ſondern
vielmehr das Erkennen, wogegen ſie gerichtet iſt; und
im Sinne des Skepticismus, ingleichen der Kantiſchen
Philoſophie, das Erkennen uͤberhaupt.

Das Grundvorurtheil hiebey iſt, daß die Dialektik
nur ein negatives Reſultat habe, was ſogleich
ſeine naͤhere Beſtimmung erhalten wird. Zunaͤchſt iſt

uͤber
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[383/0401] III. Kapitel. Die abſolute Idee. dem Punkte die Wahrheit abgeſprochen wurde; — oder aber im ſubjectiven Sinne, daß das Erkennen mangelhaft ſey. Unter der letztern Folgerung wird nun entweder verſtanden, daß es nur dieſe Dialektik ſey, welche das Kunſtſtuͤck eines falſchen Scheines vor- mache. Diß iſt die gewoͤhnliche Anſicht des ſogenannten geſunden Menſchenverſtandes, der ſich an die ſinn- liche Evidenz und die gewohnten Vorſtellungen und Ausſpruͤche haͤlt, — zuweilen ruhiger, wie Dio- genes der Hund, die Dialektik der Bewegung durch ein ſtummes Auf- und Abgehen in ihrer Bloͤſſe zeigt, oft aber in Harniſch daruͤber geraͤth, es ſey bloß als uͤber eine Narrheit, oder wenn es ſittlich wichtige Gegenſtaͤnde betrift, als uͤber einen Frevel, der das weſentlich Feſte wankend zu machen ſuche, und dem Laſter Gruͤnde an die Hand zu geben lehre, — eine Anſicht, die in der ſo- kratiſchen Dialektik gegen die ſophiſtiſche vorkommt, und ein Zorn, der umgekehrt wieder ſelbſt den Sokrates das Leben gekoſtet hat. Die poͤbelhafte Widerlegung, die, wie Diogenes that, dem Denken das ſinnliche Be- wußtſeyn entgegenſetzt, und in dieſem die Wahrheit zu haben meynt, muß man ſich ſelbſt uͤberlaſſen; inſo- fern die Dialektik aber ſittliche Beſtimmungen aufhebt, zur Vernunft das Vertrauen haben, daß ſie dieſelben, aber in ihrer Wahrheit, und dem Bewußtſeyn ihres Rechts aber auch ihrer Schranke, wieder herzuſtellen wiſſen werde. — Oder aber das Reſultat der ſubjecti- ven Nichtigkeit betrift nicht die Dialektik ſelbſt, ſondern vielmehr das Erkennen, wogegen ſie gerichtet iſt; und im Sinne des Skepticismus, ingleichen der Kantiſchen Philoſophie, das Erkennen uͤberhaupt. Das Grundvorurtheil hiebey iſt, daß die Dialektik nur ein negatives Reſultat habe, was ſogleich ſeine naͤhere Beſtimmung erhalten wird. Zunaͤchſt iſt uͤber

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/401>, abgerufen am 22.11.2024.