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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816.

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III. Abschnitt. Idee.
Idee allein ist Seyn, unvergängliches Leben, sich
wissende Wahrheit
, und ist alle Wahrheit.

Sie ist der einzige Gegenstand und Inhalt der
Philosophie. Indem sie alle Bestimmtheit in sich
enthält, und ihr Wesen diß ist, durch ihre Selbstbestim-
mung oder Besonderung zu sich zurückzukehren, so hat
sie verschiedene Gestaltungen, und das Geschäft der Phi-
losophie ist, sie in diesen zu erkennen. Die Natur und der
Geist, sind überhaupt unterschiedene Weisen, ihr Da-
seyn
darzustellen; Kunst und Religion ihre verschiede-
nen Weisen, sich zu erfassen und ein sich angemessenes
Daseyn zu geben; die Philosophie hat mit Kunst und
Religion denselben Inhalt und denselben Zweck; aber sie
ist die höchste Weise, die absolute Idee zu erfassen, weil
ihre Weise die höchste, der Begriff, ist. Sie faßt daher
jene Gestaltungen der reellen und ideellen Endlichkeit,
so wie der Unendlichkeit und Heiligkeit in sich, und be-
greift sie und sich selbst. Die Ableitung und Erkenntniß
dieser besondern Weisen ist nun das fernere Geschäft der
besondern philosophischen Wissenschaften. Das Logi-
sche
der absoluten Idee kann auch eine Weise dersel-
ben genannt werden; aber indem die Weise eine be-
sondere
Art, eine Bestimmtheit der Form bezeich-
net, so ist das Logische dagegen die allgemeine Weise,
in der alle besondern aufgehoben und eingehüllt sind.
Die logische Idee ist sie selbst in ihrem reinen Wesen,
wie sie in einfacher Identität in ihren Begriff einge-
schlossen, und in das Scheinen in einer Formbe-
stimmtheit, noch nicht eingetreten ist. Die Logik stellt
daher die Selbstbewegung der absoluten Idee nur als
das ursprüngliche Wort dar, das eine Aeusserung
ist, aber eine solche, die als Aeusseres unmittelbar wie-
der verschwunden ist, indem sie ist; die Idee ist also
nur in dieser Selbstbestimmung, sich zu vernehmen,

sie

III. Abſchnitt. Idee.
Idee allein iſt Seyn, unvergaͤngliches Leben, ſich
wiſſende Wahrheit
, und iſt alle Wahrheit.

Sie iſt der einzige Gegenſtand und Inhalt der
Philoſophie. Indem ſie alle Beſtimmtheit in ſich
enthaͤlt, und ihr Weſen diß iſt, durch ihre Selbſtbeſtim-
mung oder Beſonderung zu ſich zuruͤckzukehren, ſo hat
ſie verſchiedene Geſtaltungen, und das Geſchaͤft der Phi-
loſophie iſt, ſie in dieſen zu erkennen. Die Natur und der
Geiſt, ſind uͤberhaupt unterſchiedene Weiſen, ihr Da-
ſeyn
darzuſtellen; Kunſt und Religion ihre verſchiede-
nen Weiſen, ſich zu erfaſſen und ein ſich angemeſſenes
Daſeyn zu geben; die Philoſophie hat mit Kunſt und
Religion denſelben Inhalt und denſelben Zweck; aber ſie
iſt die hoͤchſte Weiſe, die abſolute Idee zu erfaſſen, weil
ihre Weiſe die hoͤchſte, der Begriff, iſt. Sie faßt daher
jene Geſtaltungen der reellen und ideellen Endlichkeit,
ſo wie der Unendlichkeit und Heiligkeit in ſich, und be-
greift ſie und ſich ſelbſt. Die Ableitung und Erkenntniß
dieſer beſondern Weiſen iſt nun das fernere Geſchaͤft der
beſondern philoſophiſchen Wiſſenſchaften. Das Logi-
ſche
der abſoluten Idee kann auch eine Weiſe derſel-
ben genannt werden; aber indem die Weiſe eine be-
ſondere
Art, eine Beſtimmtheit der Form bezeich-
net, ſo iſt das Logiſche dagegen die allgemeine Weiſe,
in der alle beſondern aufgehoben und eingehuͤllt ſind.
Die logiſche Idee iſt ſie ſelbſt in ihrem reinen Weſen,
wie ſie in einfacher Identitaͤt in ihren Begriff einge-
ſchloſſen, und in das Scheinen in einer Formbe-
ſtimmtheit, noch nicht eingetreten iſt. Die Logik ſtellt
daher die Selbſtbewegung der abſoluten Idee nur als
das urſpruͤngliche Wort dar, das eine Aeuſſerung
iſt, aber eine ſolche, die als Aeuſſeres unmittelbar wie-
der verſchwunden iſt, indem ſie iſt; die Idee iſt alſo
nur in dieſer Selbſtbeſtimmung, ſich zu vernehmen,

ſie
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[372/0390] III. Abſchnitt. Idee. Idee allein iſt Seyn, unvergaͤngliches Leben, ſich wiſſende Wahrheit, und iſt alle Wahrheit. Sie iſt der einzige Gegenſtand und Inhalt der Philoſophie. Indem ſie alle Beſtimmtheit in ſich enthaͤlt, und ihr Weſen diß iſt, durch ihre Selbſtbeſtim- mung oder Beſonderung zu ſich zuruͤckzukehren, ſo hat ſie verſchiedene Geſtaltungen, und das Geſchaͤft der Phi- loſophie iſt, ſie in dieſen zu erkennen. Die Natur und der Geiſt, ſind uͤberhaupt unterſchiedene Weiſen, ihr Da- ſeyn darzuſtellen; Kunſt und Religion ihre verſchiede- nen Weiſen, ſich zu erfaſſen und ein ſich angemeſſenes Daſeyn zu geben; die Philoſophie hat mit Kunſt und Religion denſelben Inhalt und denſelben Zweck; aber ſie iſt die hoͤchſte Weiſe, die abſolute Idee zu erfaſſen, weil ihre Weiſe die hoͤchſte, der Begriff, iſt. Sie faßt daher jene Geſtaltungen der reellen und ideellen Endlichkeit, ſo wie der Unendlichkeit und Heiligkeit in ſich, und be- greift ſie und ſich ſelbſt. Die Ableitung und Erkenntniß dieſer beſondern Weiſen iſt nun das fernere Geſchaͤft der beſondern philoſophiſchen Wiſſenſchaften. Das Logi- ſche der abſoluten Idee kann auch eine Weiſe derſel- ben genannt werden; aber indem die Weiſe eine be- ſondere Art, eine Beſtimmtheit der Form bezeich- net, ſo iſt das Logiſche dagegen die allgemeine Weiſe, in der alle beſondern aufgehoben und eingehuͤllt ſind. Die logiſche Idee iſt ſie ſelbſt in ihrem reinen Weſen, wie ſie in einfacher Identitaͤt in ihren Begriff einge- ſchloſſen, und in das Scheinen in einer Formbe- ſtimmtheit, noch nicht eingetreten iſt. Die Logik ſtellt daher die Selbſtbewegung der abſoluten Idee nur als das urſpruͤngliche Wort dar, das eine Aeuſſerung iſt, aber eine ſolche, die als Aeuſſeres unmittelbar wie- der verſchwunden iſt, indem ſie iſt; die Idee iſt alſo nur in dieſer Selbſtbeſtimmung, ſich zu vernehmen, ſie

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/390>, abgerufen am 25.11.2024.