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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816.

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III. Abschnitt. Idee.
daß ein solcher Lehrsatz als eine triviale Identität er-
scheinen würde. Kant hat zwar den Satz 5 + 7 = 12
für einen synthetischen Satz erklärt, weil auf einer
Seite Dasselbe, in der Form von Mehrern, von 5 und 7,
auf der andern in der Form von Einem, von 12, dar-
gestellt ist. Allein wenn das analytische nicht das ganz
abstract identische und tavtologische 12 = 12 bedeuten
und ein Fortgang in demselben überhaupt seyn soll, so
muß irgend ein Unterschied vorhanden seyn, jedoch ein
solcher, der sich auf keine Qualität, keine Bestimmtheit
der Reflexion und noch weniger des Begriffs gründet.
5 + 7 und 12 sind durchaus ganz derselbe Inhalt;
in jener Seite ist auch die Foderung ausgedrückt,
daß 5 und 7 in Einen Ausdruck zusammengefaßt, das
heißt, daß wie fünf ein Zusammengezähltes ist, wobey
das Abbrechen ganz willkührlich war, und eben so gut
weiter gezählt werden konnte, nun auf dieselbe Weise
fortgezählt werden soll mit der Bestimmung, daß die
hinzuzusetzenden Eins sieben seyn sollen. Das 12 ist
also ein Resultat von 5 und 7 und von einer Opera-
tion, welche schon gesetzt, ihrer Natur nach auch ein
ganz äusserliches, gedankenloses Thun ist, daß es daher
auch eine Maschine verrichten kann. Hier ist im Ge-
ringsten kein Uebergang zu einem Andern; es ist ein
blosses Fortsetzen d. h. Wiederhohlen derselben Ope-
ration, durch welche 5 und 7 entstanden ist.

Der Beweis eines solchen Lehrsatzes, -- einen sol-
chen erfoderte er, wenn er ein synthetischer Satz wä-
re -- würde nur in der Operation des durch 7 be-
stimmten Fortzählens von 5 an, und in dem Erkennen
der Uebereinstimmung dieses Fortgezählten mit dem beste-
hen, was man sonst 12 nennt, und was wieder weiter
nichts, als eben jenes bestimmte Fortzählen selbst ist.
Statt der Form der Lehrsätze wählt man daher sogleich

die

III. Abſchnitt. Idee.
daß ein ſolcher Lehrſatz als eine triviale Identitaͤt er-
ſcheinen wuͤrde. Kant hat zwar den Satz 5 + 7 = 12
fuͤr einen ſynthetiſchen Satz erklaͤrt, weil auf einer
Seite Daſſelbe, in der Form von Mehrern, von 5 und 7,
auf der andern in der Form von Einem, von 12, dar-
geſtellt iſt. Allein wenn das analytiſche nicht das ganz
abſtract identiſche und tavtologiſche 12 = 12 bedeuten
und ein Fortgang in demſelben uͤberhaupt ſeyn ſoll, ſo
muß irgend ein Unterſchied vorhanden ſeyn, jedoch ein
ſolcher, der ſich auf keine Qualitaͤt, keine Beſtimmtheit
der Reflexion und noch weniger des Begriffs gruͤndet.
5 + 7 und 12 ſind durchaus ganz derſelbe Inhalt;
in jener Seite iſt auch die Foderung ausgedruͤckt,
daß 5 und 7 in Einen Ausdruck zuſammengefaßt, das
heißt, daß wie fuͤnf ein Zuſammengezaͤhltes iſt, wobey
das Abbrechen ganz willkuͤhrlich war, und eben ſo gut
weiter gezaͤhlt werden konnte, nun auf dieſelbe Weiſe
fortgezaͤhlt werden ſoll mit der Beſtimmung, daß die
hinzuzuſetzenden Eins ſieben ſeyn ſollen. Das 12 iſt
alſo ein Reſultat von 5 und 7 und von einer Opera-
tion, welche ſchon geſetzt, ihrer Natur nach auch ein
ganz aͤuſſerliches, gedankenloſes Thun iſt, daß es daher
auch eine Maſchine verrichten kann. Hier iſt im Ge-
ringſten kein Uebergang zu einem Andern; es iſt ein
bloſſes Fortſetzen d. h. Wiederhohlen derſelben Ope-
ration, durch welche 5 und 7 entſtanden iſt.

Der Beweis eines ſolchen Lehrſatzes, — einen ſol-
chen erfoderte er, wenn er ein ſynthetiſcher Satz waͤ-
re — wuͤrde nur in der Operation des durch 7 be-
ſtimmten Fortzaͤhlens von 5 an, und in dem Erkennen
der Uebereinſtimmung dieſes Fortgezaͤhlten mit dem beſte-
hen, was man ſonſt 12 nennt, und was wieder weiter
nichts, als eben jenes beſtimmte Fortzaͤhlen ſelbſt iſt.
Statt der Form der Lehrſaͤtze waͤhlt man daher ſogleich

die
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[322/0340] III. Abſchnitt. Idee. daß ein ſolcher Lehrſatz als eine triviale Identitaͤt er- ſcheinen wuͤrde. Kant hat zwar den Satz 5 + 7 = 12 fuͤr einen ſynthetiſchen Satz erklaͤrt, weil auf einer Seite Daſſelbe, in der Form von Mehrern, von 5 und 7, auf der andern in der Form von Einem, von 12, dar- geſtellt iſt. Allein wenn das analytiſche nicht das ganz abſtract identiſche und tavtologiſche 12 = 12 bedeuten und ein Fortgang in demſelben uͤberhaupt ſeyn ſoll, ſo muß irgend ein Unterſchied vorhanden ſeyn, jedoch ein ſolcher, der ſich auf keine Qualitaͤt, keine Beſtimmtheit der Reflexion und noch weniger des Begriffs gruͤndet. 5 + 7 und 12 ſind durchaus ganz derſelbe Inhalt; in jener Seite iſt auch die Foderung ausgedruͤckt, daß 5 und 7 in Einen Ausdruck zuſammengefaßt, das heißt, daß wie fuͤnf ein Zuſammengezaͤhltes iſt, wobey das Abbrechen ganz willkuͤhrlich war, und eben ſo gut weiter gezaͤhlt werden konnte, nun auf dieſelbe Weiſe fortgezaͤhlt werden ſoll mit der Beſtimmung, daß die hinzuzuſetzenden Eins ſieben ſeyn ſollen. Das 12 iſt alſo ein Reſultat von 5 und 7 und von einer Opera- tion, welche ſchon geſetzt, ihrer Natur nach auch ein ganz aͤuſſerliches, gedankenloſes Thun iſt, daß es daher auch eine Maſchine verrichten kann. Hier iſt im Ge- ringſten kein Uebergang zu einem Andern; es iſt ein bloſſes Fortſetzen d. h. Wiederhohlen derſelben Ope- ration, durch welche 5 und 7 entſtanden iſt. Der Beweis eines ſolchen Lehrſatzes, — einen ſol- chen erfoderte er, wenn er ein ſynthetiſcher Satz waͤ- re — wuͤrde nur in der Operation des durch 7 be- ſtimmten Fortzaͤhlens von 5 an, und in dem Erkennen der Uebereinſtimmung dieſes Fortgezaͤhlten mit dem beſte- hen, was man ſonſt 12 nennt, und was wieder weiter nichts, als eben jenes beſtimmte Fortzaͤhlen ſelbſt iſt. Statt der Form der Lehrſaͤtze waͤhlt man daher ſogleich die

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/340>, abgerufen am 24.11.2024.