Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite

III. Abschnitt. Idee.
merkung von synthetischen Grundsätzen a priori
aufgestellt und als deren Wurzel die Einheit des Selbst-
bewußtseyns, also die Identität des Begriffes mit sich,
erkennt hat, nimmt er doch den bestimmten Zusam-
menhang, die Verhältnißbegriffe und synthetischen Grund-
sätze selbst, von der formalen Logik als gegeben
auf; die Deduction derselben hätte die Darstellung des
Uebergangs jener einfachen Einheit des Selbstbewußt-
seyns in diese ihre Bestimmungen und Unterschiede seyn
müssen; aber die Aufzeigung dieses wahrhaft syntheti-
schen Fortgehens, des sich selbst producirenden Begriffs,
hat Kant sich erspart, zu leisten.

Bekanntlich wird die Arithmetik und die all-
gemeinern Wissenschaften der discreten Grös-
se
, Vorzugsweise analytische Wissenschaft und
Analysis genannt. Die Erkenntnißweise derselben ist
in der That am immanentesten analytisch und es ist
kürzlich zu betrachten, worauf sich diß gründet. -- Das
sonstige analytische Erkennen fängt von einem concreten
Stoffe an, der eine zufällige Mannichfaltigkeit an sich
hat; aller Unterschied des Inhalts und das Fortgehen
zu weiterem Inhalt hängt von demselben ab. Der
arithmetische und algebraische Stoff dagegen ist ein
schon ganz abstract und unbestimmt gemachtes, an dem
alle Eigenthümlichkeit des Verhältnisses getilgt, dem
somit nun jede Bestimmung und Verknüpfung ein Aeus-
serliches ist. Ein solches ist das Princip der discreten
Grösse, das Eins. Diß verhältnißlose Atome, kann
zu einer Vielheit vermehrt und äusserlich zu einer
Anzahl bestimmt und vereinigt werden, dieses Vermeh-
ren und Begränzen ist ein leeres Fortgehen und Be-
stimmen, welches bey demselben Princip des abstracten
Eins stehen bleibt. Wie die Zahlen ferner zusam-
mengefaßt und getrennt werden, hängt allein von dem

Setzen

III. Abſchnitt. Idee.
merkung von ſynthetiſchen Grundſaͤtzen à priori
aufgeſtellt und als deren Wurzel die Einheit des Selbſt-
bewußtſeyns, alſo die Identitaͤt des Begriffes mit ſich,
erkennt hat, nimmt er doch den beſtimmten Zuſam-
menhang, die Verhaͤltnißbegriffe und ſynthetiſchen Grund-
ſaͤtze ſelbſt, von der formalen Logik als gegeben
auf; die Deduction derſelben haͤtte die Darſtellung des
Uebergangs jener einfachen Einheit des Selbſtbewußt-
ſeyns in dieſe ihre Beſtimmungen und Unterſchiede ſeyn
muͤſſen; aber die Aufzeigung dieſes wahrhaft ſyntheti-
ſchen Fortgehens, des ſich ſelbſt producirenden Begriffs,
hat Kant ſich erſpart, zu leiſten.

Bekanntlich wird die Arithmetik und die all-
gemeinern Wiſſenſchaften der diſcreten Groͤſ-
ſe
, Vorzugsweiſe analytiſche Wiſſenſchaft und
Analyſis genannt. Die Erkenntnißweiſe derſelben iſt
in der That am immanenteſten analytiſch und es iſt
kuͤrzlich zu betrachten, worauf ſich diß gruͤndet. — Das
ſonſtige analytiſche Erkennen faͤngt von einem concreten
Stoffe an, der eine zufaͤllige Mannichfaltigkeit an ſich
hat; aller Unterſchied des Inhalts und das Fortgehen
zu weiterem Inhalt haͤngt von demſelben ab. Der
arithmetiſche und algebraiſche Stoff dagegen iſt ein
ſchon ganz abſtract und unbeſtimmt gemachtes, an dem
alle Eigenthuͤmlichkeit des Verhaͤltniſſes getilgt, dem
ſomit nun jede Beſtimmung und Verknuͤpfung ein Aeuſ-
ſerliches iſt. Ein ſolches iſt das Princip der diſcreten
Groͤſſe, das Eins. Diß verhaͤltnißloſe Atome, kann
zu einer Vielheit vermehrt und aͤuſſerlich zu einer
Anzahl beſtimmt und vereinigt werden, dieſes Vermeh-
ren und Begraͤnzen iſt ein leeres Fortgehen und Be-
ſtimmen, welches bey demſelben Princip des abſtracten
Eins ſtehen bleibt. Wie die Zahlen ferner zuſam-
mengefaßt und getrennt werden, haͤngt allein von dem

Setzen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0338" n="320"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi><hi rendition="#g">Ab&#x017F;chnitt. Idee</hi>.</fw><lb/>
merkung von <hi rendition="#g">&#x017F;yntheti&#x017F;chen</hi> Grund&#x017F;a&#x0364;tzen <hi rendition="#aq">à priori</hi><lb/>
aufge&#x017F;tellt und als deren Wurzel die Einheit des Selb&#x017F;t-<lb/>
bewußt&#x017F;eyns, al&#x017F;o die Identita&#x0364;t des Begriffes mit &#x017F;ich,<lb/>
erkennt hat, nimmt er doch den <hi rendition="#g">be&#x017F;timmten</hi> Zu&#x017F;am-<lb/>
menhang, die Verha&#x0364;ltnißbegriffe und &#x017F;yntheti&#x017F;chen Grund-<lb/>
&#x017F;a&#x0364;tze &#x017F;elb&#x017F;t, <hi rendition="#g">von der formalen Logik</hi> als <hi rendition="#g">gegeben</hi><lb/>
auf; die Deduction der&#x017F;elben ha&#x0364;tte die Dar&#x017F;tellung des<lb/>
Uebergangs jener einfachen Einheit des Selb&#x017F;tbewußt-<lb/>
&#x017F;eyns in die&#x017F;e ihre Be&#x017F;timmungen und Unter&#x017F;chiede &#x017F;eyn<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en; aber die Aufzeigung die&#x017F;es wahrhaft &#x017F;yntheti-<lb/>
&#x017F;chen Fortgehens, des &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t producirenden Begriffs,<lb/>
hat Kant &#x017F;ich er&#x017F;part, zu lei&#x017F;ten.</p><lb/>
                <p>Bekanntlich wird die <hi rendition="#g">Arithmetik</hi> und die all-<lb/>
gemeinern <hi rendition="#g">Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften der di&#x017F;creten Gro&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;e</hi>, Vorzugswei&#x017F;e <hi rendition="#g">analyti&#x017F;che Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft</hi> und<lb/><hi rendition="#g">Analy&#x017F;is</hi> genannt. Die Erkenntnißwei&#x017F;e der&#x017F;elben i&#x017F;t<lb/>
in der That am immanente&#x017F;ten analyti&#x017F;ch und es i&#x017F;t<lb/>
ku&#x0364;rzlich zu betrachten, worauf &#x017F;ich diß gru&#x0364;ndet. &#x2014; Das<lb/>
&#x017F;on&#x017F;tige analyti&#x017F;che Erkennen fa&#x0364;ngt von einem concreten<lb/>
Stoffe an, der eine zufa&#x0364;llige Mannichfaltigkeit an &#x017F;ich<lb/>
hat; aller Unter&#x017F;chied des Inhalts und das Fortgehen<lb/>
zu weiterem Inhalt ha&#x0364;ngt von dem&#x017F;elben ab. Der<lb/>
arithmeti&#x017F;che und algebrai&#x017F;che Stoff dagegen i&#x017F;t ein<lb/>
&#x017F;chon ganz ab&#x017F;tract und unbe&#x017F;timmt gemachtes, an dem<lb/>
alle Eigenthu&#x0364;mlichkeit des Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;es getilgt, dem<lb/>
&#x017F;omit nun jede Be&#x017F;timmung und Verknu&#x0364;pfung ein Aeu&#x017F;-<lb/>
&#x017F;erliches i&#x017F;t. Ein &#x017F;olches i&#x017F;t das Princip der di&#x017F;creten<lb/>
Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, das <hi rendition="#g">Eins</hi>. Diß verha&#x0364;ltnißlo&#x017F;e Atome, kann<lb/>
zu einer <hi rendition="#g">Vielheit</hi> vermehrt und a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlich zu einer<lb/>
Anzahl be&#x017F;timmt und vereinigt werden, die&#x017F;es Vermeh-<lb/>
ren und Begra&#x0364;nzen i&#x017F;t ein leeres Fortgehen und Be-<lb/>
&#x017F;timmen, welches bey dem&#x017F;elben Princip des ab&#x017F;tracten<lb/>
Eins &#x017F;tehen bleibt. Wie die <hi rendition="#g">Zahlen</hi> ferner zu&#x017F;am-<lb/>
mengefaßt und getrennt werden, ha&#x0364;ngt allein von dem<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Setzen</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[320/0338] III. Abſchnitt. Idee. merkung von ſynthetiſchen Grundſaͤtzen à priori aufgeſtellt und als deren Wurzel die Einheit des Selbſt- bewußtſeyns, alſo die Identitaͤt des Begriffes mit ſich, erkennt hat, nimmt er doch den beſtimmten Zuſam- menhang, die Verhaͤltnißbegriffe und ſynthetiſchen Grund- ſaͤtze ſelbſt, von der formalen Logik als gegeben auf; die Deduction derſelben haͤtte die Darſtellung des Uebergangs jener einfachen Einheit des Selbſtbewußt- ſeyns in dieſe ihre Beſtimmungen und Unterſchiede ſeyn muͤſſen; aber die Aufzeigung dieſes wahrhaft ſyntheti- ſchen Fortgehens, des ſich ſelbſt producirenden Begriffs, hat Kant ſich erſpart, zu leiſten. Bekanntlich wird die Arithmetik und die all- gemeinern Wiſſenſchaften der diſcreten Groͤſ- ſe, Vorzugsweiſe analytiſche Wiſſenſchaft und Analyſis genannt. Die Erkenntnißweiſe derſelben iſt in der That am immanenteſten analytiſch und es iſt kuͤrzlich zu betrachten, worauf ſich diß gruͤndet. — Das ſonſtige analytiſche Erkennen faͤngt von einem concreten Stoffe an, der eine zufaͤllige Mannichfaltigkeit an ſich hat; aller Unterſchied des Inhalts und das Fortgehen zu weiterem Inhalt haͤngt von demſelben ab. Der arithmetiſche und algebraiſche Stoff dagegen iſt ein ſchon ganz abſtract und unbeſtimmt gemachtes, an dem alle Eigenthuͤmlichkeit des Verhaͤltniſſes getilgt, dem ſomit nun jede Beſtimmung und Verknuͤpfung ein Aeuſ- ſerliches iſt. Ein ſolches iſt das Princip der diſcreten Groͤſſe, das Eins. Diß verhaͤltnißloſe Atome, kann zu einer Vielheit vermehrt und aͤuſſerlich zu einer Anzahl beſtimmt und vereinigt werden, dieſes Vermeh- ren und Begraͤnzen iſt ein leeres Fortgehen und Be- ſtimmen, welches bey demſelben Princip des abſtracten Eins ſtehen bleibt. Wie die Zahlen ferner zuſam- mengefaßt und getrennt werden, haͤngt allein von dem Setzen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/338
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/338>, abgerufen am 24.11.2024.