Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816.II. Kapitel. Das Erkennen. die andern Dinge; man fragt nach ihrem Sitze, derräumlichen Bestimmung, von der aus ihre Kräfte wirken; noch mehr darnach, wie dieses Ding unver- gänglich sey, den Bedingungen der Zeitlichkeit unterworfen, der Veränderung darin aber entnommen sey. Das System der Monaden hebt die Materie zur Seelenhaftigkeit herauf; die Seele ist in dieser Vor- stellung ein Atom wie die Atome der Materie überhaupt; das Atom, das als Dunst aus der Kaffeetasse aufsteige, sey durch glückliche Umstände fähig sich zur Seele zu entwickeln, nur die grössere Dunkelheit seines Vor- stellens unterscheide es von einem solchen Dinge, das als Seele erscheint. -- Der für sich selbst seyen- de Begriff ist nothwendig auch in unmittelbarem Daseyn; in dieser substantiellen Identität mit dem Leben, in seinem Versenktseyn in seine Aeusserlichkeit ist er in der Anthropologie zu betrachten. Aber auch ihr muß jene Metaphysik fremd bleiben; worin diese Form der Unmittelbarkeit, zu einem Seelen- ding, zu einem Atom, den Atomen der Materie gleich wird. -- Der Anthropologie muß nur die dunkle Re- gion überlassen werden, worin der Geist, unter, wie man es sonst nannte, siderischen und terrestri- schen Einflüssen steht, als ein Naturgeist in der Sym- pathie mit der Natur lebt, und ihre Veränderungen in Träumen und Ahndungen gewahr wird, dem Gehirn, dem Herzen, den Ganglien, der Leber u. s. w. innwohnt, welcher letztern nach Plato der Gott, damit auch der unvernünftige Theil von seiner Güte be- dacht und des Höhern theilhaftig sey, die Gabe des Weissagens gegeben habe, über welche der selbst- bewußte Mensch erhoben sey. Zu dieser unvernünfti- gen Seite gehört ferner das Verhältniß des Vorstellens und der höhern geistigen Thätigkeit, insofern sie im ein- zelnen Subjecte dem Spiele ganz zufälliger körperlicher Be- U 2
II. Kapitel. Das Erkennen. die andern Dinge; man fragt nach ihrem Sitze, derraͤumlichen Beſtimmung, von der aus ihre Kraͤfte wirken; noch mehr darnach, wie dieſes Ding unver- gaͤnglich ſey, den Bedingungen der Zeitlichkeit unterworfen, der Veraͤnderung darin aber entnommen ſey. Das Syſtem der Monaden hebt die Materie zur Seelenhaftigkeit herauf; die Seele iſt in dieſer Vor- ſtellung ein Atom wie die Atome der Materie uͤberhaupt; das Atom, das als Dunſt aus der Kaffeetaſſe aufſteige, ſey durch gluͤckliche Umſtaͤnde faͤhig ſich zur Seele zu entwickeln, nur die groͤſſere Dunkelheit ſeines Vor- ſtellens unterſcheide es von einem ſolchen Dinge, das als Seele erſcheint. — Der fuͤr ſich ſelbſt ſeyen- de Begriff iſt nothwendig auch in unmittelbarem Daſeyn; in dieſer ſubſtantiellen Identitaͤt mit dem Leben, in ſeinem Verſenktſeyn in ſeine Aeuſſerlichkeit iſt er in der Anthropologie zu betrachten. Aber auch ihr muß jene Metaphyſik fremd bleiben; worin dieſe Form der Unmittelbarkeit, zu einem Seelen- ding, zu einem Atom, den Atomen der Materie gleich wird. — Der Anthropologie muß nur die dunkle Re- gion uͤberlaſſen werden, worin der Geiſt, unter, wie man es ſonſt nannte, ſideriſchen und terreſtri- ſchen Einfluͤſſen ſteht, als ein Naturgeiſt in der Sym- pathie mit der Natur lebt, und ihre Veraͤnderungen in Traͤumen und Ahndungen gewahr wird, dem Gehirn, dem Herzen, den Ganglien, der Leber u. ſ. w. innwohnt, welcher letztern nach Plato der Gott, damit auch der unvernuͤnftige Theil von ſeiner Guͤte be- dacht und des Hoͤhern theilhaftig ſey, die Gabe des Weiſſagens gegeben habe, uͤber welche der ſelbſt- bewußte Menſch erhoben ſey. Zu dieſer unvernuͤnfti- gen Seite gehoͤrt ferner das Verhaͤltniß des Vorſtellens und der hoͤhern geiſtigen Thaͤtigkeit, inſofern ſie im ein- zelnen Subjecte dem Spiele ganz zufaͤlliger koͤrperlicher Be- U 2
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II. Kapitel. Das Erkennen.
die andern Dinge; man fragt nach ihrem Sitze, der
raͤumlichen Beſtimmung, von der aus ihre Kraͤfte
wirken; noch mehr darnach, wie dieſes Ding unver-
gaͤnglich ſey, den Bedingungen der Zeitlichkeit
unterworfen, der Veraͤnderung darin aber entnommen
ſey. Das Syſtem der Monaden hebt die Materie
zur Seelenhaftigkeit herauf; die Seele iſt in dieſer Vor-
ſtellung ein Atom wie die Atome der Materie uͤberhaupt;
das Atom, das als Dunſt aus der Kaffeetaſſe aufſteige,
ſey durch gluͤckliche Umſtaͤnde faͤhig ſich zur Seele zu
entwickeln, nur die groͤſſere Dunkelheit ſeines Vor-
ſtellens unterſcheide es von einem ſolchen Dinge, das
als Seele erſcheint. — Der fuͤr ſich ſelbſt ſeyen-
de Begriff iſt nothwendig auch in unmittelbarem
Daſeyn; in dieſer ſubſtantiellen Identitaͤt mit dem
Leben, in ſeinem Verſenktſeyn in ſeine Aeuſſerlichkeit iſt
er in der Anthropologie zu betrachten. Aber auch
ihr muß jene Metaphyſik fremd bleiben; worin dieſe
Form der Unmittelbarkeit, zu einem Seelen-
ding, zu einem Atom, den Atomen der Materie gleich
wird. — Der Anthropologie muß nur die dunkle Re-
gion uͤberlaſſen werden, worin der Geiſt, unter, wie
man es ſonſt nannte, ſideriſchen und terreſtri-
ſchen Einfluͤſſen ſteht, als ein Naturgeiſt in der Sym-
pathie mit der Natur lebt, und ihre Veraͤnderungen
in Traͤumen und Ahndungen gewahr wird, dem
Gehirn, dem Herzen, den Ganglien, der Leber u. ſ. w.
innwohnt, welcher letztern nach Plato der Gott, damit
auch der unvernuͤnftige Theil von ſeiner Guͤte be-
dacht und des Hoͤhern theilhaftig ſey, die Gabe des
Weiſſagens gegeben habe, uͤber welche der ſelbſt-
bewußte Menſch erhoben ſey. Zu dieſer unvernuͤnfti-
gen Seite gehoͤrt ferner das Verhaͤltniß des Vorſtellens
und der hoͤhern geiſtigen Thaͤtigkeit, inſofern ſie im ein-
zelnen Subjecte dem Spiele ganz zufaͤlliger koͤrperlicher
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