Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite

III. Abschnitt.
die Gewalt des Subjects zurückzubringen und zu der er-
sten einfachen Allgemeinheit zurückzukehren. Die Iden-
tität
der Idee mit sich selbst ist eins mit dem Pro-
cesse
; der Gedanke, der die Wirklichkeit von dem Schei-
ne der zwecklosen Veränderlichkeit befreyt und zur Idee
verklärt, muß diese Wahrheit der Wirklichkeit nicht als
die todte Ruhe, als ein blosses Bild, matt, ohne Trieb
und Bewegung, als einen Genius, oder Zahl oder einen
abstracten Gedanken vorstellen; die Idee hat, um der
Freyheit willen, die der Begriff in ihr erreicht, auch den
härtesten Gegensatz in sich; ihre Ruhe besteht in
der Sicherheit und Gewißheit, womit sie ihn ewig er-
zeugt und ewig überwindet, und in ihm mit sich selbst
zusammengeht.

Zunächst aber ist die Idee auch wieder erst nur
unmittelbar oder nur in ihrem Begriffe; die ob-
jective Realität ist dem Begriffe zwar angemessen, aber
noch nicht zum Begriffe befreyt, und er existirt nicht
für sich als der Begriff. Der Begriff ist so zwar
Seele, aber die Seele ist in der Weise eines unmit-
telbaren
, d. h. ihre Bestimmtheit ist nicht als sie
selbst, sie hat sich nicht als Seele erfaßt, nicht in ihr
selbst ihre objective Realität; der Begriff ist als eine
Seele, die noch nicht seelenvoll ist.

So ist die Idee erstlich das Leben; der Be-
griff, der unterschieden von seiner Objectivität einfach
in sich, seine Objectivität durchdringt, und als Selbst-
zweck an ihr sein Mittel hat und sie als sein Mittel setzt,
aber in diesem Mittel immanent und darin der realisirte
mit sich identische Zweck ist. -- Diese Idee hat um ih-
rer Unmittelbarkeit willen die Einzelnheit zur Form
ihrer Existenz. Aber die Reflexion ihres absoluten Pro-
cesses in sich selbst, ist das Aufheben dieser unmittelba-
ren Einzelnheit; dadurch macht der Begriff, der in ihr

als

III. Abſchnitt.
die Gewalt des Subjects zuruͤckzubringen und zu der er-
ſten einfachen Allgemeinheit zuruͤckzukehren. Die Iden-
titaͤt
der Idee mit ſich ſelbſt iſt eins mit dem Pro-
ceſſe
; der Gedanke, der die Wirklichkeit von dem Schei-
ne der zweckloſen Veraͤnderlichkeit befreyt und zur Idee
verklaͤrt, muß dieſe Wahrheit der Wirklichkeit nicht als
die todte Ruhe, als ein bloſſes Bild, matt, ohne Trieb
und Bewegung, als einen Genius, oder Zahl oder einen
abſtracten Gedanken vorſtellen; die Idee hat, um der
Freyheit willen, die der Begriff in ihr erreicht, auch den
haͤrteſten Gegenſatz in ſich; ihre Ruhe beſteht in
der Sicherheit und Gewißheit, womit ſie ihn ewig er-
zeugt und ewig uͤberwindet, und in ihm mit ſich ſelbſt
zuſammengeht.

Zunaͤchſt aber iſt die Idee auch wieder erſt nur
unmittelbar oder nur in ihrem Begriffe; die ob-
jective Realitaͤt iſt dem Begriffe zwar angemeſſen, aber
noch nicht zum Begriffe befreyt, und er exiſtirt nicht
fuͤr ſich als der Begriff. Der Begriff iſt ſo zwar
Seele, aber die Seele iſt in der Weiſe eines unmit-
telbaren
, d. h. ihre Beſtimmtheit iſt nicht als ſie
ſelbſt, ſie hat ſich nicht als Seele erfaßt, nicht in ihr
ſelbſt ihre objective Realitaͤt; der Begriff iſt als eine
Seele, die noch nicht ſeelenvoll iſt.

So iſt die Idee erſtlich das Leben; der Be-
griff, der unterſchieden von ſeiner Objectivitaͤt einfach
in ſich, ſeine Objectivitaͤt durchdringt, und als Selbſt-
zweck an ihr ſein Mittel hat und ſie als ſein Mittel ſetzt,
aber in dieſem Mittel immanent und darin der realiſirte
mit ſich identiſche Zweck iſt. — Dieſe Idee hat um ih-
rer Unmittelbarkeit willen die Einzelnheit zur Form
ihrer Exiſtenz. Aber die Reflexion ihres abſoluten Pro-
ceſſes in ſich ſelbſt, iſt das Aufheben dieſer unmittelba-
ren Einzelnheit; dadurch macht der Begriff, der in ihr

als
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0292" n="274"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi><hi rendition="#g">Ab&#x017F;chnitt</hi>.</fw><lb/>
die Gewalt des Subjects zuru&#x0364;ckzubringen und zu der er-<lb/>
&#x017F;ten einfachen Allgemeinheit zuru&#x0364;ckzukehren. Die <hi rendition="#g">Iden-<lb/>
tita&#x0364;t</hi> der Idee mit &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t eins mit dem <hi rendition="#g">Pro-<lb/>
ce&#x017F;&#x017F;e</hi>; der Gedanke, der die Wirklichkeit von dem Schei-<lb/>
ne der zwecklo&#x017F;en Vera&#x0364;nderlichkeit befreyt und zur <hi rendition="#g">Idee</hi><lb/>
verkla&#x0364;rt, muß die&#x017F;e Wahrheit der Wirklichkeit nicht als<lb/>
die todte Ruhe, als ein blo&#x017F;&#x017F;es <hi rendition="#g">Bild</hi>, matt, ohne Trieb<lb/>
und Bewegung, als einen Genius, oder Zahl oder einen<lb/>
ab&#x017F;tracten Gedanken vor&#x017F;tellen; die Idee hat, um der<lb/>
Freyheit willen, die der Begriff in ihr erreicht, auch den<lb/><hi rendition="#g">ha&#x0364;rte&#x017F;ten Gegen&#x017F;atz</hi> in &#x017F;ich; ihre Ruhe be&#x017F;teht in<lb/>
der Sicherheit und Gewißheit, womit &#x017F;ie ihn ewig er-<lb/>
zeugt und ewig u&#x0364;berwindet, und in ihm mit &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
zu&#x017F;ammengeht.</p><lb/>
          <p>Zuna&#x0364;ch&#x017F;t aber i&#x017F;t die Idee auch wieder er&#x017F;t nur<lb/><hi rendition="#g">unmittelbar</hi> oder nur in ihrem <hi rendition="#g">Begriffe</hi>; die ob-<lb/>
jective Realita&#x0364;t i&#x017F;t dem Begriffe zwar angeme&#x017F;&#x017F;en, aber<lb/>
noch nicht zum Begriffe befreyt, und er exi&#x017F;tirt nicht<lb/><hi rendition="#g">fu&#x0364;r &#x017F;ich als der Begriff</hi>. Der Begriff i&#x017F;t &#x017F;o zwar<lb/><hi rendition="#g">Seele</hi>, aber die Seele i&#x017F;t in der Wei&#x017F;e eines <hi rendition="#g">unmit-<lb/>
telbaren</hi>, d. h. ihre Be&#x017F;timmtheit i&#x017F;t nicht als &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t, &#x017F;ie hat &#x017F;ich nicht als Seele erfaßt, nicht in ihr<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t ihre objective Realita&#x0364;t; der Begriff i&#x017F;t als eine<lb/>
Seele, die noch nicht <hi rendition="#g">&#x017F;eelenvoll</hi> i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>So i&#x017F;t die Idee <hi rendition="#g">er&#x017F;tlich</hi> das <hi rendition="#g">Leben</hi>; der Be-<lb/>
griff, der unter&#x017F;chieden von &#x017F;einer Objectivita&#x0364;t einfach<lb/>
in &#x017F;ich, &#x017F;eine Objectivita&#x0364;t durchdringt, und als Selb&#x017F;t-<lb/>
zweck an ihr &#x017F;ein Mittel hat und &#x017F;ie als &#x017F;ein Mittel &#x017F;etzt,<lb/>
aber in die&#x017F;em Mittel immanent und darin der reali&#x017F;irte<lb/>
mit &#x017F;ich identi&#x017F;che Zweck i&#x017F;t. &#x2014; Die&#x017F;e Idee hat um ih-<lb/>
rer Unmittelbarkeit willen die <hi rendition="#g">Einzelnheit</hi> zur Form<lb/>
ihrer Exi&#x017F;tenz. Aber die Reflexion ihres ab&#x017F;oluten Pro-<lb/>
ce&#x017F;&#x017F;es in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, i&#x017F;t das Aufheben die&#x017F;er unmittelba-<lb/>
ren Einzelnheit; dadurch macht der Begriff, der in ihr<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">als</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[274/0292] III. Abſchnitt. die Gewalt des Subjects zuruͤckzubringen und zu der er- ſten einfachen Allgemeinheit zuruͤckzukehren. Die Iden- titaͤt der Idee mit ſich ſelbſt iſt eins mit dem Pro- ceſſe; der Gedanke, der die Wirklichkeit von dem Schei- ne der zweckloſen Veraͤnderlichkeit befreyt und zur Idee verklaͤrt, muß dieſe Wahrheit der Wirklichkeit nicht als die todte Ruhe, als ein bloſſes Bild, matt, ohne Trieb und Bewegung, als einen Genius, oder Zahl oder einen abſtracten Gedanken vorſtellen; die Idee hat, um der Freyheit willen, die der Begriff in ihr erreicht, auch den haͤrteſten Gegenſatz in ſich; ihre Ruhe beſteht in der Sicherheit und Gewißheit, womit ſie ihn ewig er- zeugt und ewig uͤberwindet, und in ihm mit ſich ſelbſt zuſammengeht. Zunaͤchſt aber iſt die Idee auch wieder erſt nur unmittelbar oder nur in ihrem Begriffe; die ob- jective Realitaͤt iſt dem Begriffe zwar angemeſſen, aber noch nicht zum Begriffe befreyt, und er exiſtirt nicht fuͤr ſich als der Begriff. Der Begriff iſt ſo zwar Seele, aber die Seele iſt in der Weiſe eines unmit- telbaren, d. h. ihre Beſtimmtheit iſt nicht als ſie ſelbſt, ſie hat ſich nicht als Seele erfaßt, nicht in ihr ſelbſt ihre objective Realitaͤt; der Begriff iſt als eine Seele, die noch nicht ſeelenvoll iſt. So iſt die Idee erſtlich das Leben; der Be- griff, der unterſchieden von ſeiner Objectivitaͤt einfach in ſich, ſeine Objectivitaͤt durchdringt, und als Selbſt- zweck an ihr ſein Mittel hat und ſie als ſein Mittel ſetzt, aber in dieſem Mittel immanent und darin der realiſirte mit ſich identiſche Zweck iſt. — Dieſe Idee hat um ih- rer Unmittelbarkeit willen die Einzelnheit zur Form ihrer Exiſtenz. Aber die Reflexion ihres abſoluten Pro- ceſſes in ſich ſelbſt, iſt das Aufheben dieſer unmittelba- ren Einzelnheit; dadurch macht der Begriff, der in ihr als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/292
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/292>, abgerufen am 24.11.2024.