Dem Wesen nach kehrt dieselbe Antinomie in der Kritik der teleologischen Urtheilskraft als der Gegensatz wieder: daß Alle Erzeugung mate- rieller Dinge nach bloß mechanischen Gesetzen geschieht und daß Einige Erzeugung derselben nach solchen Gesetzen nicht möglich ist. -- Die Kan- tische Auflösung dieser Antinomie ist dieselbige, wie die allgemeine Auflösung der übrigen; daß nemlich die Ver- nunft weder den einen noch den andern Satz beweisen könne, weil wir von Möglichkeit der Dinge nach bloß empirischen Gesetzen der Natur kein bestimmendes Princip a priori haben können; -- daß daher ferner beyde nicht als objective Sätze, sondern als subjective Maximen angesehen werden müs- sen; daß ich einerseits jederzeit über alle Natur- ereignisse nach dem Princip des blossen Naturmechanis- mus reflectiren solle, daß aber diß nicht hindere, bey gelegentlicher Veranlassung, einigen Na- turformen, nach einer andern Maxime, nemlich nach dem Princip der Endursachen, nach zu spüren; -- als ob nun diese zwey Maximen, die übrigens bloß für die menschliche Vernunft nöthig seyn sollen, nicht in demselben Gegensatze wären, in dem sich jene Sätze befinden. -- Es ist, wie vorhin bemerkt, auf diesem ganzen Standpunkte dasjenige nicht untersucht, was al- lein das philosophische Interesse fodert, nemlich welches von beyden Principien an und für sich Wahrheit habe; für diesen Gesichtspunkt aber macht es keinen Unter- schied, ob die Principien als objective, das heißt hier, äusserlich existirende Bestimmungen der Natur, oder als blosse Maximen eines subjectiven Erkennens be- trachtet werden sollen; -- es ist vielmehr diß ein sub- jectives, d. h. zufälliges Erkennen, welches auf gele- gentliche Veranlassung die eine oder andere Ma- xime anwendet, je nachdem es sie für gegebene Objecte
für
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III.Kapitel. Teleologie.
Dem Weſen nach kehrt dieſelbe Antinomie in der Kritik der teleologiſchen Urtheilskraft als der Gegenſatz wieder: daß Alle Erzeugung mate- rieller Dinge nach bloß mechaniſchen Geſetzen geſchieht und daß Einige Erzeugung derſelben nach ſolchen Geſetzen nicht moͤglich iſt. — Die Kan- tiſche Aufloͤſung dieſer Antinomie iſt dieſelbige, wie die allgemeine Aufloͤſung der uͤbrigen; daß nemlich die Ver- nunft weder den einen noch den andern Satz beweiſen koͤnne, weil wir von Moͤglichkeit der Dinge nach bloß empiriſchen Geſetzen der Natur kein beſtimmendes Princip à priori haben koͤnnen; — daß daher ferner beyde nicht als objective Saͤtze, ſondern als ſubjective Maximen angeſehen werden muͤſ- ſen; daß ich einerſeits jederzeit uͤber alle Natur- ereigniſſe nach dem Princip des bloſſen Naturmechanis- mus reflectiren ſolle, daß aber diß nicht hindere, bey gelegentlicher Veranlaſſung, einigen Na- turformen, nach einer andern Maxime, nemlich nach dem Princip der Endurſachen, nach zu ſpuͤren; — als ob nun dieſe zwey Maximen, die uͤbrigens bloß fuͤr die menſchliche Vernunft noͤthig ſeyn ſollen, nicht in demſelben Gegenſatze waͤren, in dem ſich jene Saͤtze befinden. — Es iſt, wie vorhin bemerkt, auf dieſem ganzen Standpunkte dasjenige nicht unterſucht, was al- lein das philoſophiſche Intereſſe fodert, nemlich welches von beyden Principien an und fuͤr ſich Wahrheit habe; fuͤr dieſen Geſichtspunkt aber macht es keinen Unter- ſchied, ob die Principien als objective, das heißt hier, aͤuſſerlich exiſtirende Beſtimmungen der Natur, oder als bloſſe Maximen eines ſubjectiven Erkennens be- trachtet werden ſollen; — es iſt vielmehr diß ein ſub- jectives, d. h. zufaͤlliges Erkennen, welches auf gele- gentliche Veranlaſſung die eine oder andere Ma- xime anwendet, je nachdem es ſie fuͤr gegebene Objecte
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III. Kapitel. Teleologie.
Dem Weſen nach kehrt dieſelbe Antinomie in der
Kritik der teleologiſchen Urtheilskraft als
der Gegenſatz wieder: daß Alle Erzeugung mate-
rieller Dinge nach bloß mechaniſchen Geſetzen
geſchieht und daß Einige Erzeugung derſelben nach
ſolchen Geſetzen nicht moͤglich iſt. — Die Kan-
tiſche Aufloͤſung dieſer Antinomie iſt dieſelbige, wie die
allgemeine Aufloͤſung der uͤbrigen; daß nemlich die Ver-
nunft weder den einen noch den andern Satz beweiſen
koͤnne, weil wir von Moͤglichkeit der Dinge nach bloß
empiriſchen Geſetzen der Natur kein beſtimmendes
Princip à priori haben koͤnnen; — daß daher
ferner beyde nicht als objective Saͤtze, ſondern
als ſubjective Maximen angeſehen werden muͤſ-
ſen; daß ich einerſeits jederzeit uͤber alle Natur-
ereigniſſe nach dem Princip des bloſſen Naturmechanis-
mus reflectiren ſolle, daß aber diß nicht hindere,
bey gelegentlicher Veranlaſſung, einigen Na-
turformen, nach einer andern Maxime, nemlich nach
dem Princip der Endurſachen, nach zu ſpuͤren; — als
ob nun dieſe zwey Maximen, die uͤbrigens bloß fuͤr
die menſchliche Vernunft noͤthig ſeyn ſollen, nicht
in demſelben Gegenſatze waͤren, in dem ſich jene Saͤtze
befinden. — Es iſt, wie vorhin bemerkt, auf dieſem
ganzen Standpunkte dasjenige nicht unterſucht, was al-
lein das philoſophiſche Intereſſe fodert, nemlich welches
von beyden Principien an und fuͤr ſich Wahrheit habe;
fuͤr dieſen Geſichtspunkt aber macht es keinen Unter-
ſchied, ob die Principien als objective, das heißt hier,
aͤuſſerlich exiſtirende Beſtimmungen der Natur, oder als
bloſſe Maximen eines ſubjectiven Erkennens be-
trachtet werden ſollen; — es iſt vielmehr diß ein ſub-
jectives, d. h. zufaͤlliges Erkennen, welches auf gele-
gentliche Veranlaſſung die eine oder andere Ma-
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/261>, abgerufen am 28.11.2024.
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