tionsweisen und Gesetze der Vernunft zum Gegenstand habe, an und für sich vom grösten Interesse seyn müs- se, -- von einem wenigstens nicht geringerem, als die Kenntniß der Gesetze der Natur und der besondern Ge- staltungen derselben. Wenn es nicht gering geachtet wird, etliche und sechzig Arten von Papageyen, hundert und sieben und dreissig Arten der Veronica u. s. f. aufge- funden zu haben, so wird es noch viel weniger für ge- ring geachtet werden dürfen, die Vernunftformen auszu- finden; ist nicht eine Figur des Schlusses ein unendlich höheres, als eine Papagey- oder eine Veronica-Art?
So sehr es daher für nichts mehr als Rohheit an- zusehen ist, die Kenntnisse der Vernunftformen überhaupt zu verachten, so sehr ist zuzugeben, daß die gewöhnliche Darstellung des Schlusses und seiner besondern Gestal- tungen, nicht eine vernünftige Erkenntniß, nicht eine Darstellung derselben als Vernunftformen ist, und die syllogistische Weisheit sich durch ihren Unwerth die Geringschätzung zugezogen hat, die sie erfuhr. Ihr Mangel besteht darin, daß sie schlechterdings bey der Verstandesform des Schlusses stehen bleibt, nach welcher die Begriffsbestimmungen als abstracte for- male Bestimmungen genommen werden. Es ist um so inconsequenter, sie als abstracte Qualitäten fest zu halten, da im Schlusse die Beziehungen derselben das We- sentliche ausmachen, und die Inhärenz und Subsumtion es schon enthält, daß das Einzelne, weil ihm das All- gemeine inhärirt, selbst allgemeines, und das Allgemeine, weil es das Einzelne subsumirt, selbst einzelnes ist, und näher der Schluß eben diese Einheit als Mitte aus- drücklich setzt, und seine Bestimmung gerade die Ver- mittlung ist, d. i. daß die Begriffsbestimmungen nicht mehr wie im Urtheile ihre Aeusserlichkeit gegen einander, sondern vielmehr ihre Einheit zur Grundlage haben. --
Es
I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
tionsweiſen und Geſetze der Vernunft zum Gegenſtand habe, an und fuͤr ſich vom groͤſten Intereſſe ſeyn muͤſ- ſe, — von einem wenigſtens nicht geringerem, als die Kenntniß der Geſetze der Natur und der beſondern Ge- ſtaltungen derſelben. Wenn es nicht gering geachtet wird, etliche und ſechzig Arten von Papageyen, hundert und ſieben und dreiſſig Arten der Veronica u. ſ. f. aufge- funden zu haben, ſo wird es noch viel weniger fuͤr ge- ring geachtet werden duͤrfen, die Vernunftformen auszu- finden; iſt nicht eine Figur des Schluſſes ein unendlich hoͤheres, als eine Papagey- oder eine Veronica-Art?
So ſehr es daher fuͤr nichts mehr als Rohheit an- zuſehen iſt, die Kenntniſſe der Vernunftformen uͤberhaupt zu verachten, ſo ſehr iſt zuzugeben, daß die gewoͤhnliche Darſtellung des Schluſſes und ſeiner beſondern Geſtal- tungen, nicht eine vernuͤnftige Erkenntniß, nicht eine Darſtellung derſelben als Vernunftformen iſt, und die ſyllogiſtiſche Weisheit ſich durch ihren Unwerth die Geringſchaͤtzung zugezogen hat, die ſie erfuhr. Ihr Mangel beſteht darin, daß ſie ſchlechterdings bey der Verſtandesform des Schluſſes ſtehen bleibt, nach welcher die Begriffsbeſtimmungen als abſtracte for- male Beſtimmungen genommen werden. Es iſt um ſo inconſequenter, ſie als abſtracte Qualitaͤten feſt zu halten, da im Schluſſe die Beziehungen derſelben das We- ſentliche ausmachen, und die Inhaͤrenz und Subſumtion es ſchon enthaͤlt, daß das Einzelne, weil ihm das All- gemeine inhaͤrirt, ſelbſt allgemeines, und das Allgemeine, weil es das Einzelne ſubſumirt, ſelbſt einzelnes iſt, und naͤher der Schluß eben dieſe Einheit als Mitte aus- druͤcklich ſetzt, und ſeine Beſtimmung gerade die Ver- mittlung iſt, d. i. daß die Begriffsbeſtimmungen nicht mehr wie im Urtheile ihre Aeuſſerlichkeit gegen einander, ſondern vielmehr ihre Einheit zur Grundlage haben. —
Es
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I. Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
tionsweiſen und Geſetze der Vernunft zum Gegenſtand
habe, an und fuͤr ſich vom groͤſten Intereſſe ſeyn muͤſ-
ſe, — von einem wenigſtens nicht geringerem, als die
Kenntniß der Geſetze der Natur und der beſondern Ge-
ſtaltungen derſelben. Wenn es nicht gering geachtet
wird, etliche und ſechzig Arten von Papageyen, hundert
und ſieben und dreiſſig Arten der Veronica u. ſ. f. aufge-
funden zu haben, ſo wird es noch viel weniger fuͤr ge-
ring geachtet werden duͤrfen, die Vernunftformen auszu-
finden; iſt nicht eine Figur des Schluſſes ein unendlich
hoͤheres, als eine Papagey- oder eine Veronica-Art?
So ſehr es daher fuͤr nichts mehr als Rohheit an-
zuſehen iſt, die Kenntniſſe der Vernunftformen uͤberhaupt
zu verachten, ſo ſehr iſt zuzugeben, daß die gewoͤhnliche
Darſtellung des Schluſſes und ſeiner beſondern Geſtal-
tungen, nicht eine vernuͤnftige Erkenntniß, nicht
eine Darſtellung derſelben als Vernunftformen iſt,
und die ſyllogiſtiſche Weisheit ſich durch ihren Unwerth
die Geringſchaͤtzung zugezogen hat, die ſie erfuhr. Ihr
Mangel beſteht darin, daß ſie ſchlechterdings bey der
Verſtandesform des Schluſſes ſtehen bleibt, nach
welcher die Begriffsbeſtimmungen als abſtracte for-
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inconſequenter, ſie als abſtracte Qualitaͤten feſt zu halten,
da im Schluſſe die Beziehungen derſelben das We-
ſentliche ausmachen, und die Inhaͤrenz und Subſumtion
es ſchon enthaͤlt, daß das Einzelne, weil ihm das All-
gemeine inhaͤrirt, ſelbſt allgemeines, und das Allgemeine,
weil es das Einzelne ſubſumirt, ſelbſt einzelnes iſt, und
naͤher der Schluß eben dieſe Einheit als Mitte aus-
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/178>, abgerufen am 16.02.2025.
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