Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816.II. Kapitel. Das Urtheil. sinnig und abgeschmackt. -- Oder vielmehr sie sindkeine Urtheile. -- Ein reelleres Beyspiel des un- endlichen Urtheils ist die böse Handlung. Im bür- gerlichen Rechtsstreit wird Etwas nur als das Eigenthum der andern Parthey negirt; so daß aber ein- geräumt wird, es sollte das ihrige seyn, wenn sie das Recht dazu hätte, und es wird nur unter dem Titel des Rechtes in Anspruch genommen; die allgemeine Sphäre, das Recht, wird also in jenem negativen Urtheile aner- kannt und erhalten. Das Verbrechen, aber ist das unendliche Urtheil, welches nicht nur das beson- dere Recht, sondern die allgemeine Sphäre zugleich ne- girt, das Recht als Recht negirt. Es hat zwar die Richtigkeit damit, daß es eine wirkliche Hand- lung ist, aber weil sie sich auf die Sittlichkeit, welche ihre allgemeine Sphäre ausmacht, durchaus negativ be- zieht, ist sie widersinnig. Das Positive des unendlichen Urtheils, der Ne- Das Einzelne ist hiemit gesetzt als sich, in sein ge- G 2
II. Kapitel. Das Urtheil. ſinnig und abgeſchmackt. — Oder vielmehr ſie ſindkeine Urtheile. — Ein reelleres Beyſpiel des un- endlichen Urtheils iſt die boͤſe Handlung. Im buͤr- gerlichen Rechtsſtreit wird Etwas nur als das Eigenthum der andern Parthey negirt; ſo daß aber ein- geraͤumt wird, es ſollte das ihrige ſeyn, wenn ſie das Recht dazu haͤtte, und es wird nur unter dem Titel des Rechtes in Anſpruch genommen; die allgemeine Sphaͤre, das Recht, wird alſo in jenem negativen Urtheile aner- kannt und erhalten. Das Verbrechen, aber iſt das unendliche Urtheil, welches nicht nur das beſon- dere Recht, ſondern die allgemeine Sphaͤre zugleich ne- girt, das Recht als Recht negirt. Es hat zwar die Richtigkeit damit, daß es eine wirkliche Hand- lung iſt, aber weil ſie ſich auf die Sittlichkeit, welche ihre allgemeine Sphaͤre ausmacht, durchaus negativ be- zieht, iſt ſie widerſinnig. Das Poſitive des unendlichen Urtheils, der Ne- Das Einzelne iſt hiemit geſetzt als ſich, in ſein ge- G 2
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II. Kapitel. Das Urtheil.
ſinnig und abgeſchmackt. — Oder vielmehr ſie ſind
keine Urtheile. — Ein reelleres Beyſpiel des un-
endlichen Urtheils iſt die boͤſe Handlung. Im buͤr-
gerlichen Rechtsſtreit wird Etwas nur als das
Eigenthum der andern Parthey negirt; ſo daß aber ein-
geraͤumt wird, es ſollte das ihrige ſeyn, wenn ſie das
Recht dazu haͤtte, und es wird nur unter dem Titel des
Rechtes in Anſpruch genommen; die allgemeine Sphaͤre,
das Recht, wird alſo in jenem negativen Urtheile aner-
kannt und erhalten. Das Verbrechen, aber iſt das
unendliche Urtheil, welches nicht nur das beſon-
dere Recht, ſondern die allgemeine Sphaͤre zugleich ne-
girt, das Recht als Recht negirt. Es hat zwar
die Richtigkeit damit, daß es eine wirkliche Hand-
lung iſt, aber weil ſie ſich auf die Sittlichkeit, welche
ihre allgemeine Sphaͤre ausmacht, durchaus negativ be-
zieht, iſt ſie widerſinnig.
Das Poſitive des unendlichen Urtheils, der Ne-
gation der Negation, iſt die Reflexion der Einzeln-
heit in ſich ſelbſt, wodurch ſie erſt als die beſtimm-
te Beſtimmtheit geſetzt iſt. Das Einzelne iſt
einzeln, war der Ausdruck deſſelben nach jener Re-
flexion. Das Subject iſt im Urtheile des Daſeyns
als unmittelbares Einzelnes, inſofern mehr nur als
Etwas uͤberhaupt. Durch die Vermittlung des nega-
tiven und unendlichen Urtheils iſt es erſt als Einzel-
nes geſetzt.
Das Einzelne iſt hiemit geſetzt als ſich, in ſein
Praͤdicat, das mit ihm identiſch iſt, continuirend;
ſomit iſt auch die Allgemeinheit eben ſo ſehr nicht
mehr als die unmittelbare, ſondern als ein
Zuſammenfaſſen von Unterſchiedenen. Das poſi-
tiv-unendliche Urtheil lautet eben ſo wohl: Das All-
ge-
G 2
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Zitationshilfe: | Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/117>, abgerufen am 25.07.2024. |