Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,2. Nürnberg, 1813.Zweytes Buch. I. Abschnitt. lebenden Wirksamkeit wesentlich die Natur absoluter Ne-gativität. Die Finsterniß dagegen, als Unmannichfalti- ges oder der sich nicht selbst in sich unterscheidende Schooß der Erzeugung, ist das einfache mit sich identische, das Positive. Sie wird als das nur Negative in dem Sin- ne genommen, daß sie als blosse Abwesenheit des Lichts für dasselbe ganz und gar nicht vorhanden seye, -- so daß dieses, indem es sich auf sie bezieht, sich nicht auf ein anderes, sondern rein auf sich selbst beziehen, also diese nur vor ihm verschwinden soll. Aber bekanntlich wird das Licht durch die Finsterniß zum Grau getrübt; und ausser dieser bloß quantitativen Veränderung erleidet es auch die qualitative, durch die Beziehung darauf zur Farbe bestimmt zu werden. -- So ist z. B. auch die Tugend nicht ohne Kampf; sie ist vielmehr der höchste, vollendete Kampf; so ist sie nicht nur das Positive, son- dern absolute Negativität; sie ist auch nicht nur in Ver- gleichung mit dem Laster Tugend, sondern ist an ihr selbst Entgegensetzung und Bekämpfung. Oder das Laster ist nicht nur der Mangel der Tugend, -- auch die Unschuld ist dieser Mangel, -- und nicht nur für eine äussere Reflexion von der Tugend unterschieden, sondern an sich selbst ihr entgegengesetzt, es ist böse. Das Böse besteht in dem Beruhen auf sich, gegen das Gute; es ist die positive Negativität. Die Unschuld aber, als Mangel sowohl des Guten als des Bösen, ist gleich- gültig gegen beide Bestimmungen, weder positiv noch ne- gativ. Aber zugleich ist dieser Mangel auch als Be- stimmtheit zu nehmen, und einerseits ist sie als die posi- tive Natur von Etwas zu betrachten, als sie sich ande- rerseits auf ein Entgegengesetztes bezieht, und alle Na- turen aus ihrer Unschuld, aus ihrer gleichgültigen Iden- tität mit sich, heraustreten, sich durch sich selbst auf ihr Anderes beziehen und dadurch zu Grunde richten, oder, im positiven Sinne, in ihren Grund zurückgehen. -- Auch
Zweytes Buch. I. Abſchnitt. lebenden Wirkſamkeit weſentlich die Natur abſoluter Ne-gativitaͤt. Die Finſterniß dagegen, als Unmannichfalti- ges oder der ſich nicht ſelbſt in ſich unterſcheidende Schooß der Erzeugung, iſt das einfache mit ſich identiſche, das Poſitive. Sie wird als das nur Negative in dem Sin- ne genommen, daß ſie als bloſſe Abweſenheit des Lichts fuͤr daſſelbe ganz und gar nicht vorhanden ſeye, — ſo daß dieſes, indem es ſich auf ſie bezieht, ſich nicht auf ein anderes, ſondern rein auf ſich ſelbſt beziehen, alſo dieſe nur vor ihm verſchwinden ſoll. Aber bekanntlich wird das Licht durch die Finſterniß zum Grau getruͤbt; und auſſer dieſer bloß quantitativen Veraͤnderung erleidet es auch die qualitative, durch die Beziehung darauf zur Farbe beſtimmt zu werden. — So iſt z. B. auch die Tugend nicht ohne Kampf; ſie iſt vielmehr der hoͤchſte, vollendete Kampf; ſo iſt ſie nicht nur das Poſitive, ſon- dern abſolute Negativitaͤt; ſie iſt auch nicht nur in Ver- gleichung mit dem Laſter Tugend, ſondern iſt an ihr ſelbſt Entgegenſetzung und Bekaͤmpfung. Oder das Laſter iſt nicht nur der Mangel der Tugend, — auch die Unſchuld iſt dieſer Mangel, — und nicht nur fuͤr eine aͤuſſere Reflexion von der Tugend unterſchieden, ſondern an ſich ſelbſt ihr entgegengeſetzt, es iſt boͤſe. Das Boͤſe beſteht in dem Beruhen auf ſich, gegen das Gute; es iſt die poſitive Negativitaͤt. Die Unſchuld aber, als Mangel ſowohl des Guten als des Boͤſen, iſt gleich- guͤltig gegen beide Beſtimmungen, weder poſitiv noch ne- gativ. Aber zugleich iſt dieſer Mangel auch als Be- ſtimmtheit zu nehmen, und einerſeits iſt ſie als die poſi- tive Natur von Etwas zu betrachten, als ſie ſich ande- rerſeits auf ein Entgegengeſetztes bezieht, und alle Na- turen aus ihrer Unſchuld, aus ihrer gleichguͤltigen Iden- titaͤt mit ſich, heraustreten, ſich durch ſich ſelbſt auf ihr Anderes beziehen und dadurch zu Grunde richten, oder, im poſitiven Sinne, in ihren Grund zuruͤckgehen. — Auch
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Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
lebenden Wirkſamkeit weſentlich die Natur abſoluter Ne-
gativitaͤt. Die Finſterniß dagegen, als Unmannichfalti-
ges oder der ſich nicht ſelbſt in ſich unterſcheidende Schooß
der Erzeugung, iſt das einfache mit ſich identiſche, das
Poſitive. Sie wird als das nur Negative in dem Sin-
ne genommen, daß ſie als bloſſe Abweſenheit des Lichts
fuͤr daſſelbe ganz und gar nicht vorhanden ſeye, — ſo
daß dieſes, indem es ſich auf ſie bezieht, ſich nicht auf
ein anderes, ſondern rein auf ſich ſelbſt beziehen, alſo
dieſe nur vor ihm verſchwinden ſoll. Aber bekanntlich
wird das Licht durch die Finſterniß zum Grau getruͤbt;
und auſſer dieſer bloß quantitativen Veraͤnderung erleidet
es auch die qualitative, durch die Beziehung darauf zur
Farbe beſtimmt zu werden. — So iſt z. B. auch die
Tugend nicht ohne Kampf; ſie iſt vielmehr der hoͤchſte,
vollendete Kampf; ſo iſt ſie nicht nur das Poſitive, ſon-
dern abſolute Negativitaͤt; ſie iſt auch nicht nur in Ver-
gleichung mit dem Laſter Tugend, ſondern iſt an ihr
ſelbſt Entgegenſetzung und Bekaͤmpfung. Oder das
Laſter iſt nicht nur der Mangel der Tugend, —
auch die Unſchuld iſt dieſer Mangel, — und nicht nur
fuͤr eine aͤuſſere Reflexion von der Tugend unterſchieden,
ſondern an ſich ſelbſt ihr entgegengeſetzt, es iſt boͤſe.
Das Boͤſe beſteht in dem Beruhen auf ſich, gegen das
Gute; es iſt die poſitive Negativitaͤt. Die Unſchuld aber,
als Mangel ſowohl des Guten als des Boͤſen, iſt gleich-
guͤltig gegen beide Beſtimmungen, weder poſitiv noch ne-
gativ. Aber zugleich iſt dieſer Mangel auch als Be-
ſtimmtheit zu nehmen, und einerſeits iſt ſie als die poſi-
tive Natur von Etwas zu betrachten, als ſie ſich ande-
rerſeits auf ein Entgegengeſetztes bezieht, und alle Na-
turen aus ihrer Unſchuld, aus ihrer gleichguͤltigen Iden-
titaͤt mit ſich, heraustreten, ſich durch ſich ſelbſt auf ihr
Anderes beziehen und dadurch zu Grunde richten, oder,
im poſitiven Sinne, in ihren Grund zuruͤckgehen. —
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