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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,2. Nürnberg, 1813.

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Das Wesen.
Redensart. Denn man will nicht sagen, daß man das
Experiment mit dem abstracten Satze A=A an jedem
Bewußtseyn gemacht habe. Es ist insofern weiter nicht
Ernst mit jener Berufung auf wirklich gemachte Erfah-
rung, sondern sie ist nur die Versicherung, daß
wenn man die Erfahrung machte, sich das Resultat des
allgemeinen Anerkennens ergeben würde. -- Wäre aber
nicht der abstracte Satz als solcher, sondern der Satz in
concreter Anwendung gemeynt, aus der jener erst
entwickelt werden sollte, so bestünde die Behauptung
von seiner Allgemeinheit und Unmittelbarkeit darin, daß
jedes Bewußtseyn, und selbst in jeder seiner Aeusserun-
gen ihn zu Grunde lege, oder daß er implicite
in jeder liege. Allein das Concrete und die An-
wendung
ist ja eben die Beziehung des einfachen
Identischen auf ein von ihm verschiedenes
Mannichfaltiges
. Als Satz ausgedrückt, wäre das
Concrete zunächst ein synthetischer Satz. Aus dem Concre-
ten selbst oder seinem synthetischen Satze würde die Ab-
straction den Satz der Identität wohl durch Analyse her-
ausbringen können; aber in der That hätte sie die Er-
fahrung
nicht gelassen wie sie ist, sondern verän-
dert
; denn die Erfahrung enthielt vielmehr die
Identität in Einheit mit der Verschiedenheit, und ist die
unmittelbare Widerlegung von der Behauptung,
daß die abstracte Identität als solche etwas Wahres sey,
denn das gerade Gegentheil, nemlich die Identität nur
vereinigt mit der Verschiedenheit, kommt in jeder Erfah-
rung vor.

Auf der andern Seite wird aber auch die Erfah-
rung mit dem reinen Satze der Identität, nur zu oft,
gemacht, und es zeigt sich in dieser Erfahrung klar ge-
nug, wie die Wahrheit, die er enthält, angesehen wird.
Wenn nemlich z. B. auf die Frage: was ist eine

Pflan-

Das Weſen.
Redensart. Denn man will nicht ſagen, daß man das
Experiment mit dem abſtracten Satze A=A an jedem
Bewußtſeyn gemacht habe. Es iſt inſofern weiter nicht
Ernſt mit jener Berufung auf wirklich gemachte Erfah-
rung, ſondern ſie iſt nur die Verſicherung, daß
wenn man die Erfahrung machte, ſich das Reſultat des
allgemeinen Anerkennens ergeben wuͤrde. — Waͤre aber
nicht der abſtracte Satz als ſolcher, ſondern der Satz in
concreter Anwendung gemeynt, aus der jener erſt
entwickelt werden ſollte, ſo beſtuͤnde die Behauptung
von ſeiner Allgemeinheit und Unmittelbarkeit darin, daß
jedes Bewußtſeyn, und ſelbſt in jeder ſeiner Aeuſſerun-
gen ihn zu Grunde lege, oder daß er implicite
in jeder liege. Allein das Concrete und die An-
wendung
iſt ja eben die Beziehung des einfachen
Identiſchen auf ein von ihm verſchiedenes
Mannichfaltiges
. Als Satz ausgedruͤckt, waͤre das
Concrete zunaͤchſt ein ſynthetiſcher Satz. Aus dem Concre-
ten ſelbſt oder ſeinem ſynthetiſchen Satze wuͤrde die Ab-
ſtraction den Satz der Identitaͤt wohl durch Analyſe her-
ausbringen koͤnnen; aber in der That haͤtte ſie die Er-
fahrung
nicht gelaſſen wie ſie iſt, ſondern veraͤn-
dert
; denn die Erfahrung enthielt vielmehr die
Identitaͤt in Einheit mit der Verſchiedenheit, und iſt die
unmittelbare Widerlegung von der Behauptung,
daß die abſtracte Identitaͤt als ſolche etwas Wahres ſey,
denn das gerade Gegentheil, nemlich die Identitaͤt nur
vereinigt mit der Verſchiedenheit, kommt in jeder Erfah-
rung vor.

Auf der andern Seite wird aber auch die Erfah-
rung mit dem reinen Satze der Identitaͤt, nur zu oft,
gemacht, und es zeigt ſich in dieſer Erfahrung klar ge-
nug, wie die Wahrheit, die er enthaͤlt, angeſehen wird.
Wenn nemlich z. B. auf die Frage: was iſt eine

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[39/0051] Das Weſen. Redensart. Denn man will nicht ſagen, daß man das Experiment mit dem abſtracten Satze A=A an jedem Bewußtſeyn gemacht habe. Es iſt inſofern weiter nicht Ernſt mit jener Berufung auf wirklich gemachte Erfah- rung, ſondern ſie iſt nur die Verſicherung, daß wenn man die Erfahrung machte, ſich das Reſultat des allgemeinen Anerkennens ergeben wuͤrde. — Waͤre aber nicht der abſtracte Satz als ſolcher, ſondern der Satz in concreter Anwendung gemeynt, aus der jener erſt entwickelt werden ſollte, ſo beſtuͤnde die Behauptung von ſeiner Allgemeinheit und Unmittelbarkeit darin, daß jedes Bewußtſeyn, und ſelbſt in jeder ſeiner Aeuſſerun- gen ihn zu Grunde lege, oder daß er implicite in jeder liege. Allein das Concrete und die An- wendung iſt ja eben die Beziehung des einfachen Identiſchen auf ein von ihm verſchiedenes Mannichfaltiges. Als Satz ausgedruͤckt, waͤre das Concrete zunaͤchſt ein ſynthetiſcher Satz. Aus dem Concre- ten ſelbſt oder ſeinem ſynthetiſchen Satze wuͤrde die Ab- ſtraction den Satz der Identitaͤt wohl durch Analyſe her- ausbringen koͤnnen; aber in der That haͤtte ſie die Er- fahrung nicht gelaſſen wie ſie iſt, ſondern veraͤn- dert; denn die Erfahrung enthielt vielmehr die Identitaͤt in Einheit mit der Verſchiedenheit, und iſt die unmittelbare Widerlegung von der Behauptung, daß die abſtracte Identitaͤt als ſolche etwas Wahres ſey, denn das gerade Gegentheil, nemlich die Identitaͤt nur vereinigt mit der Verſchiedenheit, kommt in jeder Erfah- rung vor. Auf der andern Seite wird aber auch die Erfah- rung mit dem reinen Satze der Identitaͤt, nur zu oft, gemacht, und es zeigt ſich in dieſer Erfahrung klar ge- nug, wie die Wahrheit, die er enthaͤlt, angeſehen wird. Wenn nemlich z. B. auf die Frage: was iſt eine Pflan-

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,2. Nürnberg, 1813, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0102_1813/51>, abgerufen am 22.11.2024.