Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

der Logik.
scendentale Logik ist. Er unterscheidet diese so von
dem, was er allgemeine Logik nennt, oder was gewöhn-
lich Logik überhaupt genannt wird, daß jene die Begriffe
betrachte, die sich a priori auf Gegenstände beziehen, so-
mit nicht von allem Inhalte der objectiven Erkenntniß
abstrahire, oder daß sie die Regeln des reinen Denkens
eines Gegenstandes enthalte, und zugleich auf den Ur-
sprung unserer Erkenntniß gehe, insofern sie nicht den
Gegenständen zugeschrieben werden könne. -- Der
Hauptgedanke Kants ist, die Kategorien dem Selbstbe-
wußtseyn, als dem subjectiven Ich, zu vindiciren.
Daher spricht er noch ausser dem Empirischen, der Seite
des Gefühls und der Anschauung, besonders von Gegen-
ständen, oder von Etwas, das nicht durch das Selbst-
bewußtseyn gesetzt und bestimmt ist. Wäre die Katego-
rie Form des absoluten Denkens, so könnte nicht ein
Ding-an-sich, ein dem Denken fremdes und äusserli-
ches, übrig bleiben. Wenn andere Kantianer sich
über das Bestimmen des Gegenstands durch Ich so aus-
gedrückt haben, daß das Objectiviren des Ich, als ein
ursprüngliches und nothwendiges Thun des Bewußtseyns
anzusehen sey, so daß in diesem ursprünglichen Thun
noch nicht die Vorstellung des Ich selbst ist, -- als wel-
che erst ein Bewußtseyn jenes Bewußtseyns, oder selbst
ein Objectiviren jenes Bewußtseyns sey, -- so ist die-
ses von dem Gegensatze des Bewußtseyns befreyte
objectivirende Thun näher dasjenige, was als abso-
lutes Denken
überhaupt genommen werden kann.
Aber dieses Thun sollte dann nicht mehr Bewußtseyn ge-
nannt werden, denn Bewußtseyn schließt den Gegensatz
des Ich und seines Gegenstandes in sich, der in jenem
ursprünglichen Thun nicht vorhanden ist; und die Be-
nennung Bewußtseyn wirft noch mehr den Schein von
Subjectivität darauf, als der Ausdruck Denken, der
hier überhaupt im absoluten Sinne, oder wenn es ver-

meintlich

der Logik.
ſcendentale Logik iſt. Er unterſcheidet dieſe ſo von
dem, was er allgemeine Logik nennt, oder was gewoͤhn-
lich Logik uͤberhaupt genannt wird, daß jene die Begriffe
betrachte, die ſich a priori auf Gegenſtaͤnde beziehen, ſo-
mit nicht von allem Inhalte der objectiven Erkenntniß
abſtrahire, oder daß ſie die Regeln des reinen Denkens
eines Gegenſtandes enthalte, und zugleich auf den Ur-
ſprung unſerer Erkenntniß gehe, inſofern ſie nicht den
Gegenſtaͤnden zugeſchrieben werden koͤnne. — Der
Hauptgedanke Kants iſt, die Kategorien dem Selbſtbe-
wußtſeyn, als dem ſubjectiven Ich, zu vindiciren.
Daher ſpricht er noch auſſer dem Empiriſchen, der Seite
des Gefuͤhls und der Anſchauung, beſonders von Gegen-
ſtaͤnden, oder von Etwas, das nicht durch das Selbſt-
bewußtſeyn geſetzt und beſtimmt iſt. Waͤre die Katego-
rie Form des abſoluten Denkens, ſo koͤnnte nicht ein
Ding-an-ſich, ein dem Denken fremdes und aͤuſſerli-
ches, uͤbrig bleiben. Wenn andere Kantianer ſich
uͤber das Beſtimmen des Gegenſtands durch Ich ſo aus-
gedruͤckt haben, daß das Objectiviren des Ich, als ein
urſpruͤngliches und nothwendiges Thun des Bewußtſeyns
anzuſehen ſey, ſo daß in dieſem urſpruͤnglichen Thun
noch nicht die Vorſtellung des Ich ſelbſt iſt, — als wel-
che erſt ein Bewußtſeyn jenes Bewußtſeyns, oder ſelbſt
ein Objectiviren jenes Bewußtſeyns ſey, — ſo iſt die-
ſes von dem Gegenſatze des Bewußtſeyns befreyte
objectivirende Thun naͤher dasjenige, was als abſo-
lutes Denken
uͤberhaupt genommen werden kann.
Aber dieſes Thun ſollte dann nicht mehr Bewußtſeyn ge-
nannt werden, denn Bewußtſeyn ſchließt den Gegenſatz
des Ich und ſeines Gegenſtandes in ſich, der in jenem
urſpruͤnglichen Thun nicht vorhanden iſt; und die Be-
nennung Bewußtſeyn wirft noch mehr den Schein von
Subjectivitaͤt darauf, als der Ausdruck Denken, der
hier uͤberhaupt im abſoluten Sinne, oder wenn es ver-

meintlich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0051" n="3"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">der Logik</hi>.</fw><lb/><hi rendition="#g">&#x017F;cendentale Logik</hi> i&#x017F;t. Er unter&#x017F;cheidet die&#x017F;e &#x017F;o von<lb/>
dem, was er allgemeine Logik nennt, oder was gewo&#x0364;hn-<lb/>
lich Logik u&#x0364;berhaupt genannt wird, daß jene die Begriffe<lb/>
betrachte, die &#x017F;ich <hi rendition="#aq">a priori</hi> auf Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde beziehen, &#x017F;o-<lb/>
mit nicht von allem Inhalte der objectiven Erkenntniß<lb/>
ab&#x017F;trahire, oder daß &#x017F;ie die Regeln des reinen Denkens<lb/>
eines Gegen&#x017F;tandes enthalte, und zugleich auf den Ur-<lb/>
&#x017F;prung un&#x017F;erer Erkenntniß gehe, in&#x017F;ofern &#x017F;ie nicht den<lb/>
Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden zuge&#x017F;chrieben werden ko&#x0364;nne. &#x2014; Der<lb/>
Hauptgedanke Kants i&#x017F;t, die Kategorien dem Selb&#x017F;tbe-<lb/>
wußt&#x017F;eyn, als dem <hi rendition="#g">&#x017F;ubjectiven Ich</hi>, zu vindiciren.<lb/>
Daher &#x017F;pricht er noch au&#x017F;&#x017F;er dem Empiri&#x017F;chen, der Seite<lb/>
des Gefu&#x0364;hls und der An&#x017F;chauung, be&#x017F;onders von Gegen-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nden, oder von Etwas, das nicht durch das Selb&#x017F;t-<lb/>
bewußt&#x017F;eyn ge&#x017F;etzt und be&#x017F;timmt i&#x017F;t. Wa&#x0364;re die Katego-<lb/>
rie Form des ab&#x017F;oluten Denkens, &#x017F;o ko&#x0364;nnte nicht ein<lb/><hi rendition="#g">Ding-an-&#x017F;ich</hi>, ein dem Denken fremdes und a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erli-<lb/>
ches, u&#x0364;brig bleiben. Wenn andere Kantianer &#x017F;ich<lb/>
u&#x0364;ber das Be&#x017F;timmen des Gegen&#x017F;tands durch Ich &#x017F;o aus-<lb/>
gedru&#x0364;ckt haben, daß das Objectiviren des Ich, als ein<lb/>
ur&#x017F;pru&#x0364;ngliches und nothwendiges Thun des Bewußt&#x017F;eyns<lb/>
anzu&#x017F;ehen &#x017F;ey, &#x017F;o daß in die&#x017F;em ur&#x017F;pru&#x0364;nglichen Thun<lb/>
noch nicht die Vor&#x017F;tellung des Ich &#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t, &#x2014; als wel-<lb/>
che er&#x017F;t ein Bewußt&#x017F;eyn jenes Bewußt&#x017F;eyns, oder &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
ein Objectiviren jenes Bewußt&#x017F;eyns &#x017F;ey, &#x2014; &#x017F;o i&#x017F;t die-<lb/>
&#x017F;es von dem Gegen&#x017F;atze des Bewußt&#x017F;eyns befreyte<lb/>
objectivirende Thun na&#x0364;her dasjenige, was als <hi rendition="#g">ab&#x017F;o-<lb/>
lutes Denken</hi> u&#x0364;berhaupt genommen werden kann.<lb/>
Aber die&#x017F;es Thun &#x017F;ollte dann nicht mehr Bewußt&#x017F;eyn ge-<lb/>
nannt werden, denn Bewußt&#x017F;eyn &#x017F;chließt den Gegen&#x017F;atz<lb/>
des Ich und &#x017F;eines Gegen&#x017F;tandes in &#x017F;ich, der in jenem<lb/>
ur&#x017F;pru&#x0364;nglichen Thun nicht vorhanden i&#x017F;t; und die Be-<lb/>
nennung Bewußt&#x017F;eyn wirft noch mehr den Schein von<lb/>
Subjectivita&#x0364;t darauf, als der Ausdruck Denken, der<lb/>
hier u&#x0364;berhaupt im ab&#x017F;oluten Sinne, oder wenn es ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">meintlich</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[3/0051] der Logik. ſcendentale Logik iſt. Er unterſcheidet dieſe ſo von dem, was er allgemeine Logik nennt, oder was gewoͤhn- lich Logik uͤberhaupt genannt wird, daß jene die Begriffe betrachte, die ſich a priori auf Gegenſtaͤnde beziehen, ſo- mit nicht von allem Inhalte der objectiven Erkenntniß abſtrahire, oder daß ſie die Regeln des reinen Denkens eines Gegenſtandes enthalte, und zugleich auf den Ur- ſprung unſerer Erkenntniß gehe, inſofern ſie nicht den Gegenſtaͤnden zugeſchrieben werden koͤnne. — Der Hauptgedanke Kants iſt, die Kategorien dem Selbſtbe- wußtſeyn, als dem ſubjectiven Ich, zu vindiciren. Daher ſpricht er noch auſſer dem Empiriſchen, der Seite des Gefuͤhls und der Anſchauung, beſonders von Gegen- ſtaͤnden, oder von Etwas, das nicht durch das Selbſt- bewußtſeyn geſetzt und beſtimmt iſt. Waͤre die Katego- rie Form des abſoluten Denkens, ſo koͤnnte nicht ein Ding-an-ſich, ein dem Denken fremdes und aͤuſſerli- ches, uͤbrig bleiben. Wenn andere Kantianer ſich uͤber das Beſtimmen des Gegenſtands durch Ich ſo aus- gedruͤckt haben, daß das Objectiviren des Ich, als ein urſpruͤngliches und nothwendiges Thun des Bewußtſeyns anzuſehen ſey, ſo daß in dieſem urſpruͤnglichen Thun noch nicht die Vorſtellung des Ich ſelbſt iſt, — als wel- che erſt ein Bewußtſeyn jenes Bewußtſeyns, oder ſelbſt ein Objectiviren jenes Bewußtſeyns ſey, — ſo iſt die- ſes von dem Gegenſatze des Bewußtſeyns befreyte objectivirende Thun naͤher dasjenige, was als abſo- lutes Denken uͤberhaupt genommen werden kann. Aber dieſes Thun ſollte dann nicht mehr Bewußtſeyn ge- nannt werden, denn Bewußtſeyn ſchließt den Gegenſatz des Ich und ſeines Gegenſtandes in ſich, der in jenem urſpruͤnglichen Thun nicht vorhanden iſt; und die Be- nennung Bewußtſeyn wirft noch mehr den Schein von Subjectivitaͤt darauf, als der Ausdruck Denken, der hier uͤberhaupt im abſoluten Sinne, oder wenn es ver- meintlich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/51
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/51>, abgerufen am 22.11.2024.