Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Erstes Buch. III. Abschnitt.
der Gesundheit, wie auch die Verschiedenheit der Gat-
tungen der Lebendigen zu begreifen. Aber die Verwir-
rung, und der Galimathias, in welchen sich diß Erklä-
ren in dem unkritischen Gebrauche dieser Begriffsbestim-
mungen verwickelte, hat zur Folge gehabt, daß dieser
Formalismus bald wieder aufgegeben worden zu seyn
scheint, da hingegen in der Wissenschaft besonders der
physikalischen Astronomie derselbe in seiner ganzen Aus-
dehnung fortgeführt wird.

-- In Ansehung der absoluten Indifferenz, des
Grundbegriffs der Spinozistischen Substanz,
kann noch erinnert werden, daß dieser Begriff die letzte
Bestimmung des Seyns ist, ehe es zum Wesen wird,
daß er aber das Wesen selbst nicht erreicht. Die absolu-
te Indifferenz enthält die absolute Einheit der spe-
cifisch Selbstständigen in ihrer höchsten Bestimmung, als
des Denkens und des Seyns, und darin überhaupt aller
andern Modificationen dieser Attribute. Allein damit ist
nur das ansichseyende nicht das fürsichseyende
Absolute gedacht. Oder es ist die äussere Refle-
xion
, welche dabey stehen bleibt, daß die specifisch
Selbstständigen an sich oder im Absoluten dasselbe
und eins
sind, daß ihr Unterschied nur ein gleichgül-
tiger, kein Unterschied an sich ist. Was hier noch fehlt,
besteht darin, daß diese Reflexion, nicht die äussere
Reflexion des denkenden Subjects sey, sondern
daß sie selbst erkannt werde, und zwar als die eigene
Bestimmung und Bewegung der Selbstständigen, ihren
Unterschied aufzuheben, und nicht bloß an sich eins, son-
dern in ihrem qualitativen Unterschiede eins zu seyn, wo-
durch dann der Begriff des Wesens, nicht das
Negative ausser ihm, zu haben, sondern an ihm selbst
die absolute Negativität, Gleichgültigkeit gegen sich selbst
eben so sehr als seines Andersseyns gegen sich, zu seyn.

C. Her-

Erſtes Buch. III. Abſchnitt.
der Geſundheit, wie auch die Verſchiedenheit der Gat-
tungen der Lebendigen zu begreifen. Aber die Verwir-
rung, und der Galimathias, in welchen ſich diß Erklaͤ-
ren in dem unkritiſchen Gebrauche dieſer Begriffsbeſtim-
mungen verwickelte, hat zur Folge gehabt, daß dieſer
Formalismus bald wieder aufgegeben worden zu ſeyn
ſcheint, da hingegen in der Wiſſenſchaft beſonders der
phyſikaliſchen Aſtronomie derſelbe in ſeiner ganzen Aus-
dehnung fortgefuͤhrt wird.

— In Anſehung der abſoluten Indifferenz, des
Grundbegriffs der Spinoziſtiſchen Subſtanz,
kann noch erinnert werden, daß dieſer Begriff die letzte
Beſtimmung des Seyns iſt, ehe es zum Weſen wird,
daß er aber das Weſen ſelbſt nicht erreicht. Die abſolu-
te Indifferenz enthaͤlt die abſolute Einheit der ſpe-
cifiſch Selbſtſtaͤndigen in ihrer hoͤchſten Beſtimmung, als
des Denkens und des Seyns, und darin uͤberhaupt aller
andern Modificationen dieſer Attribute. Allein damit iſt
nur das anſichſeyende nicht das fuͤrſichſeyende
Abſolute gedacht. Oder es iſt die aͤuſſere Refle-
xion
, welche dabey ſtehen bleibt, daß die ſpecifiſch
Selbſtſtaͤndigen an ſich oder im Abſoluten daſſelbe
und eins
ſind, daß ihr Unterſchied nur ein gleichguͤl-
tiger, kein Unterſchied an ſich iſt. Was hier noch fehlt,
beſteht darin, daß dieſe Reflexion, nicht die aͤuſſere
Reflexion des denkenden Subjects ſey, ſondern
daß ſie ſelbſt erkannt werde, und zwar als die eigene
Beſtimmung und Bewegung der Selbſtſtaͤndigen, ihren
Unterſchied aufzuheben, und nicht bloß an ſich eins, ſon-
dern in ihrem qualitativen Unterſchiede eins zu ſeyn, wo-
durch dann der Begriff des Weſens, nicht das
Negative auſſer ihm, zu haben, ſondern an ihm ſelbſt
die abſolute Negativitaͤt, Gleichguͤltigkeit gegen ſich ſelbſt
eben ſo ſehr als ſeines Andersſeyns gegen ſich, zu ſeyn.

C. Her-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <p><pb facs="#f0378" n="330"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Er&#x017F;tes Buch</hi>. <hi rendition="#aq">III.</hi><hi rendition="#g">Ab&#x017F;chnitt</hi>.</fw><lb/>
der Ge&#x017F;undheit, wie auch die Ver&#x017F;chiedenheit der Gat-<lb/>
tungen der Lebendigen zu begreifen. Aber die Verwir-<lb/>
rung, und der Galimathias, in welchen &#x017F;ich diß Erkla&#x0364;-<lb/>
ren in dem unkriti&#x017F;chen Gebrauche die&#x017F;er Begriffsbe&#x017F;tim-<lb/>
mungen verwickelte, hat zur Folge gehabt, daß die&#x017F;er<lb/>
Formalismus bald wieder aufgegeben worden zu &#x017F;eyn<lb/>
&#x017F;cheint, da hingegen in der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft be&#x017F;onders der<lb/>
phy&#x017F;ikali&#x017F;chen A&#x017F;tronomie der&#x017F;elbe in &#x017F;einer ganzen Aus-<lb/>
dehnung fortgefu&#x0364;hrt wird.</p><lb/>
                  <p>&#x2014; In An&#x017F;ehung der <hi rendition="#g">ab&#x017F;oluten Indifferenz</hi>, des<lb/>
Grundbegriffs <hi rendition="#g">der Spinozi&#x017F;ti&#x017F;chen Sub&#x017F;tanz</hi>,<lb/>
kann noch erinnert werden, daß die&#x017F;er Begriff die letzte<lb/>
Be&#x017F;timmung des Seyns i&#x017F;t, ehe es zum We&#x017F;en wird,<lb/>
daß er aber das We&#x017F;en &#x017F;elb&#x017F;t nicht erreicht. Die ab&#x017F;olu-<lb/>
te Indifferenz entha&#x0364;lt die <hi rendition="#g">ab&#x017F;olute Einheit</hi> der &#x017F;pe-<lb/>
cifi&#x017F;ch Selb&#x017F;t&#x017F;ta&#x0364;ndigen in ihrer ho&#x0364;ch&#x017F;ten Be&#x017F;timmung, als<lb/>
des Denkens und des Seyns, und darin u&#x0364;berhaupt aller<lb/>
andern Modificationen die&#x017F;er Attribute. Allein damit i&#x017F;t<lb/>
nur das <hi rendition="#g">an&#x017F;ich&#x017F;eyende</hi> nicht das <hi rendition="#g">fu&#x0364;r&#x017F;ich&#x017F;eyende</hi><lb/>
Ab&#x017F;olute gedacht. Oder es i&#x017F;t die <hi rendition="#g">a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ere Refle-<lb/>
xion</hi>, welche dabey &#x017F;tehen bleibt, daß die &#x017F;pecifi&#x017F;ch<lb/>
Selb&#x017F;t&#x017F;ta&#x0364;ndigen <hi rendition="#g">an &#x017F;ich</hi> oder im Ab&#x017F;oluten <hi rendition="#g">da&#x017F;&#x017F;elbe<lb/>
und eins</hi> &#x017F;ind, daß ihr Unter&#x017F;chied nur ein gleichgu&#x0364;l-<lb/>
tiger, kein Unter&#x017F;chied an &#x017F;ich i&#x017F;t. Was hier noch fehlt,<lb/>
be&#x017F;teht darin, daß die&#x017F;e Reflexion, nicht die <hi rendition="#g">a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ere</hi><lb/>
Reflexion des <hi rendition="#g">denkenden Subjects &#x017F;ey</hi>, &#x017F;ondern<lb/>
daß &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t erkannt werde, und zwar als die eigene<lb/>
Be&#x017F;timmung und Bewegung der Selb&#x017F;t&#x017F;ta&#x0364;ndigen, ihren<lb/>
Unter&#x017F;chied aufzuheben, und nicht bloß an &#x017F;ich eins, &#x017F;on-<lb/>
dern in ihrem qualitativen Unter&#x017F;chiede eins zu &#x017F;eyn, wo-<lb/>
durch dann der <hi rendition="#g">Begriff des We&#x017F;ens</hi>, nicht das<lb/>
Negative au&#x017F;&#x017F;er ihm, zu haben, &#x017F;ondern an ihm &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
die ab&#x017F;olute Negativita&#x0364;t, Gleichgu&#x0364;ltigkeit gegen &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
eben &#x017F;o &#x017F;ehr als &#x017F;eines Anders&#x017F;eyns gegen &#x017F;ich, zu &#x017F;eyn.</p>
                </div>
              </div><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">C.</hi> <hi rendition="#g">Her-</hi> </hi> </fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[330/0378] Erſtes Buch. III. Abſchnitt. der Geſundheit, wie auch die Verſchiedenheit der Gat- tungen der Lebendigen zu begreifen. Aber die Verwir- rung, und der Galimathias, in welchen ſich diß Erklaͤ- ren in dem unkritiſchen Gebrauche dieſer Begriffsbeſtim- mungen verwickelte, hat zur Folge gehabt, daß dieſer Formalismus bald wieder aufgegeben worden zu ſeyn ſcheint, da hingegen in der Wiſſenſchaft beſonders der phyſikaliſchen Aſtronomie derſelbe in ſeiner ganzen Aus- dehnung fortgefuͤhrt wird. — In Anſehung der abſoluten Indifferenz, des Grundbegriffs der Spinoziſtiſchen Subſtanz, kann noch erinnert werden, daß dieſer Begriff die letzte Beſtimmung des Seyns iſt, ehe es zum Weſen wird, daß er aber das Weſen ſelbſt nicht erreicht. Die abſolu- te Indifferenz enthaͤlt die abſolute Einheit der ſpe- cifiſch Selbſtſtaͤndigen in ihrer hoͤchſten Beſtimmung, als des Denkens und des Seyns, und darin uͤberhaupt aller andern Modificationen dieſer Attribute. Allein damit iſt nur das anſichſeyende nicht das fuͤrſichſeyende Abſolute gedacht. Oder es iſt die aͤuſſere Refle- xion, welche dabey ſtehen bleibt, daß die ſpecifiſch Selbſtſtaͤndigen an ſich oder im Abſoluten daſſelbe und eins ſind, daß ihr Unterſchied nur ein gleichguͤl- tiger, kein Unterſchied an ſich iſt. Was hier noch fehlt, beſteht darin, daß dieſe Reflexion, nicht die aͤuſſere Reflexion des denkenden Subjects ſey, ſondern daß ſie ſelbſt erkannt werde, und zwar als die eigene Beſtimmung und Bewegung der Selbſtſtaͤndigen, ihren Unterſchied aufzuheben, und nicht bloß an ſich eins, ſon- dern in ihrem qualitativen Unterſchiede eins zu ſeyn, wo- durch dann der Begriff des Weſens, nicht das Negative auſſer ihm, zu haben, ſondern an ihm ſelbſt die abſolute Negativitaͤt, Gleichguͤltigkeit gegen ſich ſelbſt eben ſo ſehr als ſeines Andersſeyns gegen ſich, zu ſeyn. C. Her-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/378
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/378>, abgerufen am 22.11.2024.