Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812.Erstes Buch. III. Abschnitt. Verhältnisse der chemischen Sättigungs-Gesetze selbst kei-nen Einfluß, sondern nur auf das qualitative Moment der ausschliessenden Wahlverwandtschaft. Weil die Grundlage des qualitativen Verhaltens Quantitäts-Be- stimmungen sind, so wird dasselbe durch die gleichgültige Natur von diesen geschwächt. Wenn zum Beyspiele zwey Säuren auf ein Kali wirken, und diejenige, die eine größere Verwandtschaft zu derselben hat, auch in dem Quantum vorhanden ist, welches fähig ist, das Quantum der Basis zu sättigen, so erfolgt nach der Vor- stellung der Wahlverwandtschaft nur diese Sättigung; die andere Säure bleibt ganz unwirksam und von der neutralen Verbindung ausgeschlossen. Nach jenem Be- griffe der Wirksamkeit einer chemischen Masse hinge- gen, ist jede von beyden wirksam in einem Verhältniß, das aus ihrer vorhandenen Menge und ihrer Sättigungs- fähigkeit oder Affinität zusammengesetzt ist. Berthollets Untersuchungen haben die nähern Umstände angegeben, unter welchen die Wirksamkeit der chemischen Masse auf- gehoben wird, eine stärker verwandte Säure die andre schwächere auszutreiben und deren Wirkung auszu- schliessen, somit nach dem Sinne der Wahlverwandt- schaft thätig zu seyn scheint. Er hat gezeigt, daß es Umstände, z. B. die Stärke der Kohäsion, Unauflös- barkeit der gebildeten Salze im Wasser, sind, unter welchen jenes Ausschliessen Statt findet, nicht die Na- tur der Agentien selbst, -- Umstände, welche durch an- dere Umstände z. B. die Temperatur in ihrer Wirkung aufgehoben werden können. Durch die Beseitigung die- ser Hindernisse tritt die chemische Masse in Wirksamkeit, und das, was als rein qualitatives Ausschliessen, als Wahlverwandtschaft erschien, zeigt sich nur in äusserli- chen Modificationen zu liegen. Das, was in der Darstellung des Textes die un- ten
Erſtes Buch. III. Abſchnitt. Verhaͤltniſſe der chemiſchen Saͤttigungs-Geſetze ſelbſt kei-nen Einfluß, ſondern nur auf das qualitative Moment der ausſchlieſſenden Wahlverwandtſchaft. Weil die Grundlage des qualitativen Verhaltens Quantitaͤts-Be- ſtimmungen ſind, ſo wird daſſelbe durch die gleichguͤltige Natur von dieſen geſchwaͤcht. Wenn zum Beyſpiele zwey Saͤuren auf ein Kali wirken, und diejenige, die eine groͤßere Verwandtſchaft zu derſelben hat, auch in dem Quantum vorhanden iſt, welches faͤhig iſt, das Quantum der Baſis zu ſaͤttigen, ſo erfolgt nach der Vor- ſtellung der Wahlverwandtſchaft nur dieſe Saͤttigung; die andere Saͤure bleibt ganz unwirkſam und von der neutralen Verbindung ausgeſchloſſen. Nach jenem Be- griffe der Wirkſamkeit einer chemiſchen Maſſe hinge- gen, iſt jede von beyden wirkſam in einem Verhaͤltniß, das aus ihrer vorhandenen Menge und ihrer Saͤttigungs- faͤhigkeit oder Affinitaͤt zuſammengeſetzt iſt. Berthollets Unterſuchungen haben die naͤhern Umſtaͤnde angegeben, unter welchen die Wirkſamkeit der chemiſchen Maſſe auf- gehoben wird, eine ſtaͤrker verwandte Saͤure die andre ſchwaͤchere auszutreiben und deren Wirkung auszu- ſchlieſſen, ſomit nach dem Sinne der Wahlverwandt- ſchaft thaͤtig zu ſeyn ſcheint. Er hat gezeigt, daß es Umſtaͤnde, z. B. die Staͤrke der Kohaͤſion, Unaufloͤs- barkeit der gebildeten Salze im Waſſer, ſind, unter welchen jenes Ausſchlieſſen Statt findet, nicht die Na- tur der Agentien ſelbſt, — Umſtaͤnde, welche durch an- dere Umſtaͤnde z. B. die Temperatur in ihrer Wirkung aufgehoben werden koͤnnen. Durch die Beſeitigung die- ſer Hinderniſſe tritt die chemiſche Maſſe in Wirkſamkeit, und das, was als rein qualitatives Ausſchlieſſen, als Wahlverwandtſchaft erſchien, zeigt ſich nur in aͤuſſerli- chen Modificationen zu liegen. Das, was in der Darſtellung des Textes die un- ten
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Erſtes Buch. III. Abſchnitt.
Verhaͤltniſſe der chemiſchen Saͤttigungs-Geſetze ſelbſt kei-
nen Einfluß, ſondern nur auf das qualitative Moment
der ausſchlieſſenden Wahlverwandtſchaft. Weil die
Grundlage des qualitativen Verhaltens Quantitaͤts-Be-
ſtimmungen ſind, ſo wird daſſelbe durch die gleichguͤltige
Natur von dieſen geſchwaͤcht. Wenn zum Beyſpiele
zwey Saͤuren auf ein Kali wirken, und diejenige, die
eine groͤßere Verwandtſchaft zu derſelben hat, auch in
dem Quantum vorhanden iſt, welches faͤhig iſt, das
Quantum der Baſis zu ſaͤttigen, ſo erfolgt nach der Vor-
ſtellung der Wahlverwandtſchaft nur dieſe Saͤttigung;
die andere Saͤure bleibt ganz unwirkſam und von der
neutralen Verbindung ausgeſchloſſen. Nach jenem Be-
griffe der Wirkſamkeit einer chemiſchen Maſſe hinge-
gen, iſt jede von beyden wirkſam in einem Verhaͤltniß,
das aus ihrer vorhandenen Menge und ihrer Saͤttigungs-
faͤhigkeit oder Affinitaͤt zuſammengeſetzt iſt. Berthollets
Unterſuchungen haben die naͤhern Umſtaͤnde angegeben,
unter welchen die Wirkſamkeit der chemiſchen Maſſe auf-
gehoben wird, eine ſtaͤrker verwandte Saͤure die andre
ſchwaͤchere auszutreiben und deren Wirkung auszu-
ſchlieſſen, ſomit nach dem Sinne der Wahlverwandt-
ſchaft thaͤtig zu ſeyn ſcheint. Er hat gezeigt, daß es
Umſtaͤnde, z. B. die Staͤrke der Kohaͤſion, Unaufloͤs-
barkeit der gebildeten Salze im Waſſer, ſind, unter
welchen jenes Ausſchlieſſen Statt findet, nicht die Na-
tur der Agentien ſelbſt, — Umſtaͤnde, welche durch an-
dere Umſtaͤnde z. B. die Temperatur in ihrer Wirkung
aufgehoben werden koͤnnen. Durch die Beſeitigung die-
ſer Hinderniſſe tritt die chemiſche Maſſe in Wirkſamkeit,
und das, was als rein qualitatives Ausſchlieſſen, als
Wahlverwandtſchaft erſchien, zeigt ſich nur in aͤuſſerli-
chen Modificationen zu liegen.
Das, was in der Darſtellung des Textes die un-
mittelbaren ſelbſtſtaͤndigen Maaße, die an ſich beſtimm-
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Zitationshilfe: | Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/352>, abgerufen am 25.07.2024. |