Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Quantität.
nie auf die Bestimmung von Menge, auf die gerin-
gere
Menge des Unterscheidbaren auf diesem Wege,
was also eine Bestimmung von Quantum ist. Aber
diese Bestimmung verschwindet in ihr, sie als intensive
Größe, als unendliches Moment, als Element genom-
men; somit auch ihr Unterschied von der krummen Linie,
der bloß auf dem Quantumsunterschiede beruhte. --
Oder, eine unendliche gerade Linie ist die aufgehobene
gerade Linie, denn die unendliche gerade Linie ist die
in sich zurückgehende, das ist, eine Curve. Also als
unendlich, behalten gerade Linie und Kurve kein qualita-
tives Verhältniß mehr gegeneinander, sondern geht jene
vielmehr in diese über.

Ganz anders aber ist es mit den Verhältnissen von
Sinus, Tangente u. s. f. zu einander beschaffen. Es ist
leicht einzusehen, und ist auch von andern erinnert wor-
den, daß wenn man mit der allgemeinen Ausrede, daß
im letzten Verhältnisse alles gleich, d. h. auch das Ver-
hältniß selbst aufgehoben sey, sich erlaubt, für die Ab-
scisse die Ordinate zu setzen, das ungereimteste sich her-
ausbringen, oder wie es genannt wird, sich beweisen
lasse. Durch eine solche Verwechslung wird der zu
Grunde liegende Begriff, daß den veränderlichen Grös-
sen in ihrem Verschwinden das Verhältniß, aus dem
sie herkommen, erhalten bleibt, gänzlich zerstört. Es
entsteht im eigentlichen Sinne ein Verhältniß von Null
zu Null, dem es ganz willkührlich und zufällig ist, wel-
che qualitative und quantitative Bedeutung gegeben wer-
de. Mit der Erlaubniß solcher Gleichsetzung kann es
nicht schwer seyn, Formeln hervorzubringen, die als
Resultat ergeben, daß der Diameter größer sey als die
Peripherie, die Hypotenuse kleiner als ein Kathete u. s. f.

Es kann wohl keinen andern Grund geben, daß
man sich Beweise, die auf jenes Gleichsetzen gebaut sind,

hat
S

Quantitaͤt.
nie auf die Beſtimmung von Menge, auf die gerin-
gere
Menge des Unterſcheidbaren auf dieſem Wege,
was alſo eine Beſtimmung von Quantum iſt. Aber
dieſe Beſtimmung verſchwindet in ihr, ſie als intenſive
Groͤße, als unendliches Moment, als Element genom-
men; ſomit auch ihr Unterſchied von der krummen Linie,
der bloß auf dem Quantumsunterſchiede beruhte. —
Oder, eine unendliche gerade Linie iſt die aufgehobene
gerade Linie, denn die unendliche gerade Linie iſt die
in ſich zuruͤckgehende, das iſt, eine Curve. Alſo als
unendlich, behalten gerade Linie und Kurve kein qualita-
tives Verhaͤltniß mehr gegeneinander, ſondern geht jene
vielmehr in dieſe uͤber.

Ganz anders aber iſt es mit den Verhaͤltniſſen von
Sinus, Tangente u. ſ. f. zu einander beſchaffen. Es iſt
leicht einzuſehen, und iſt auch von andern erinnert wor-
den, daß wenn man mit der allgemeinen Ausrede, daß
im letzten Verhaͤltniſſe alles gleich, d. h. auch das Ver-
haͤltniß ſelbſt aufgehoben ſey, ſich erlaubt, fuͤr die Ab-
ſciſſe die Ordinate zu ſetzen, das ungereimteſte ſich her-
ausbringen, oder wie es genannt wird, ſich beweiſen
laſſe. Durch eine ſolche Verwechslung wird der zu
Grunde liegende Begriff, daß den veraͤnderlichen Groͤſ-
ſen in ihrem Verſchwinden das Verhaͤltniß, aus dem
ſie herkommen, erhalten bleibt, gaͤnzlich zerſtoͤrt. Es
entſteht im eigentlichen Sinne ein Verhaͤltniß von Null
zu Null, dem es ganz willkuͤhrlich und zufaͤllig iſt, wel-
che qualitative und quantitative Bedeutung gegeben wer-
de. Mit der Erlaubniß ſolcher Gleichſetzung kann es
nicht ſchwer ſeyn, Formeln hervorzubringen, die als
Reſultat ergeben, daß der Diameter groͤßer ſey als die
Peripherie, die Hypotenuſe kleiner als ein Kathete u. ſ. f.

Es kann wohl keinen andern Grund geben, daß
man ſich Beweiſe, die auf jenes Gleichſetzen gebaut ſind,

hat
S
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <p><pb facs="#f0293" n="245"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Quantita&#x0364;t</hi>.</fw><lb/>
nie auf die Be&#x017F;timmung von <hi rendition="#g">Menge</hi>, auf die <hi rendition="#g">gerin-<lb/>
gere</hi> Menge des Unter&#x017F;cheidbaren auf die&#x017F;em Wege,<lb/>
was al&#x017F;o eine Be&#x017F;timmung von <hi rendition="#g">Quantum</hi> i&#x017F;t. Aber<lb/>
die&#x017F;e Be&#x017F;timmung ver&#x017F;chwindet in ihr, &#x017F;ie als inten&#x017F;ive<lb/>
Gro&#x0364;ße, als unendliches Moment, als Element genom-<lb/>
men; &#x017F;omit auch ihr Unter&#x017F;chied von der krummen Linie,<lb/>
der bloß auf dem Quantumsunter&#x017F;chiede beruhte. &#x2014;<lb/>
Oder, eine unendliche gerade Linie i&#x017F;t die aufgehobene<lb/>
gerade Linie, denn die <hi rendition="#g">unendliche</hi> gerade Linie i&#x017F;t die<lb/>
in &#x017F;ich zuru&#x0364;ckgehende, das i&#x017F;t, eine Curve. Al&#x017F;o als<lb/>
unendlich, behalten gerade Linie und Kurve kein qualita-<lb/>
tives Verha&#x0364;ltniß mehr gegeneinander, &#x017F;ondern geht jene<lb/>
vielmehr in die&#x017F;e u&#x0364;ber.</p><lb/>
                    <p>Ganz anders aber i&#x017F;t es mit den Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en von<lb/>
Sinus, Tangente u. &#x017F;. f. zu einander be&#x017F;chaffen. Es i&#x017F;t<lb/>
leicht einzu&#x017F;ehen, und i&#x017F;t auch von andern erinnert wor-<lb/>
den, daß wenn man mit der allgemeinen Ausrede, daß<lb/>
im letzten Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e alles gleich, d. h. auch das Ver-<lb/>
ha&#x0364;ltniß &#x017F;elb&#x017F;t aufgehoben &#x017F;ey, &#x017F;ich erlaubt, fu&#x0364;r die Ab-<lb/>
&#x017F;ci&#x017F;&#x017F;e die Ordinate zu &#x017F;etzen, das ungereimte&#x017F;te &#x017F;ich her-<lb/>
ausbringen, oder wie es genannt wird, &#x017F;ich bewei&#x017F;en<lb/>
la&#x017F;&#x017F;e. Durch eine &#x017F;olche Verwechslung wird der zu<lb/>
Grunde liegende Begriff, daß den vera&#x0364;nderlichen Gro&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en in ihrem Ver&#x017F;chwinden das Verha&#x0364;ltniß, aus dem<lb/>
&#x017F;ie herkommen, erhalten bleibt, ga&#x0364;nzlich zer&#x017F;to&#x0364;rt. Es<lb/>
ent&#x017F;teht im eigentlichen Sinne ein Verha&#x0364;ltniß von Null<lb/>
zu Null, dem es ganz willku&#x0364;hrlich und zufa&#x0364;llig i&#x017F;t, wel-<lb/>
che qualitative und quantitative Bedeutung gegeben wer-<lb/>
de. Mit der Erlaubniß &#x017F;olcher Gleich&#x017F;etzung kann es<lb/>
nicht &#x017F;chwer &#x017F;eyn, Formeln hervorzubringen, die als<lb/>
Re&#x017F;ultat ergeben, daß der Diameter gro&#x0364;ßer &#x017F;ey als die<lb/>
Peripherie, die Hypotenu&#x017F;e kleiner als ein Kathete u. &#x017F;. f.</p><lb/>
                    <p>Es kann wohl keinen andern Grund geben, daß<lb/>
man &#x017F;ich Bewei&#x017F;e, die auf jenes Gleich&#x017F;etzen gebaut &#x017F;ind,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">S</fw><fw place="bottom" type="catch">hat</fw><lb/></p>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[245/0293] Quantitaͤt. nie auf die Beſtimmung von Menge, auf die gerin- gere Menge des Unterſcheidbaren auf dieſem Wege, was alſo eine Beſtimmung von Quantum iſt. Aber dieſe Beſtimmung verſchwindet in ihr, ſie als intenſive Groͤße, als unendliches Moment, als Element genom- men; ſomit auch ihr Unterſchied von der krummen Linie, der bloß auf dem Quantumsunterſchiede beruhte. — Oder, eine unendliche gerade Linie iſt die aufgehobene gerade Linie, denn die unendliche gerade Linie iſt die in ſich zuruͤckgehende, das iſt, eine Curve. Alſo als unendlich, behalten gerade Linie und Kurve kein qualita- tives Verhaͤltniß mehr gegeneinander, ſondern geht jene vielmehr in dieſe uͤber. Ganz anders aber iſt es mit den Verhaͤltniſſen von Sinus, Tangente u. ſ. f. zu einander beſchaffen. Es iſt leicht einzuſehen, und iſt auch von andern erinnert wor- den, daß wenn man mit der allgemeinen Ausrede, daß im letzten Verhaͤltniſſe alles gleich, d. h. auch das Ver- haͤltniß ſelbſt aufgehoben ſey, ſich erlaubt, fuͤr die Ab- ſciſſe die Ordinate zu ſetzen, das ungereimteſte ſich her- ausbringen, oder wie es genannt wird, ſich beweiſen laſſe. Durch eine ſolche Verwechslung wird der zu Grunde liegende Begriff, daß den veraͤnderlichen Groͤſ- ſen in ihrem Verſchwinden das Verhaͤltniß, aus dem ſie herkommen, erhalten bleibt, gaͤnzlich zerſtoͤrt. Es entſteht im eigentlichen Sinne ein Verhaͤltniß von Null zu Null, dem es ganz willkuͤhrlich und zufaͤllig iſt, wel- che qualitative und quantitative Bedeutung gegeben wer- de. Mit der Erlaubniß ſolcher Gleichſetzung kann es nicht ſchwer ſeyn, Formeln hervorzubringen, die als Reſultat ergeben, daß der Diameter groͤßer ſey als die Peripherie, die Hypotenuſe kleiner als ein Kathete u. ſ. f. Es kann wohl keinen andern Grund geben, daß man ſich Beweiſe, die auf jenes Gleichſetzen gebaut ſind, hat S

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/293
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/293>, abgerufen am 22.11.2024.