Diese Consequenz ist nothwendig und unmittelbar. Aber die Reflexion, daß das Quantum, -- und ich nenne in dieser Anmerkung das endliche Quantum, nur Quan- tum überhaupt, -- aufgehoben ist, ist es, die gewöhn- lich nicht gemacht wird, welche für das gewöhnliche Be- greifen die Schwierigkeit ausmacht, indem das Quan- tum, indem es unendlich ist, als ein aufgehobenes, als ein solches zu denken gefodert wird, das zugleich nicht ein Quantum ist.
Um das anzuführen, wie Kant jenen Begriff be- urtheilt *), so findet er ihn nicht übereinstimmend mit dem, was man unter einem unendlichen Ganzen verstehe. "Nach dem gewöhnlichen Begriffe sey eine Größe unend- lich, über die keine größere (d. i. über die darin enthal- tene Menge einer gegebenen Einheit) möglich ist. -- Durch ein unendliches Ganzes sey nicht vorgestellt, sagt er, wie groß es sey, mithin sey sein Begriff nicht der Begriff eines Maximums (oder Minimums) sondern es werde dadurch nur sein Verhältniß zu einer be- liebig anzunehmenden Einheit gedacht, in Ansehung deren dasselbe größer ist, als alle Zahl. Je nachdem diese Einheit größer oder kleiner angenommen würde, würde das Unendliche größer oder kleiner seyn; allein die Unendlichkeit, da sie bloß in dem Verhältnisse zu dieser gegebenen Einheit bestehe, würde immer dieselbe bleiben, obgleich freylich die absolute Größe des Ganzen dadurch gar nicht erkannt würde."
Kant tadelt es also, daß unendliche Ganze als ein Maximum, als eine vollendete Menge einer gegebe- nen Einheit angesehen werden. Das Maximum oder
Mini-
*) In der Anmerkung zur Thesis der ersten kosmologischen Antinomie, in der Kritik der reinen Vernunft.
Erſtes Buch. II.Abſchnitt.
Dieſe Conſequenz iſt nothwendig und unmittelbar. Aber die Reflexion, daß das Quantum, — und ich nenne in dieſer Anmerkung das endliche Quantum, nur Quan- tum uͤberhaupt, — aufgehoben iſt, iſt es, die gewoͤhn- lich nicht gemacht wird, welche fuͤr das gewoͤhnliche Be- greifen die Schwierigkeit ausmacht, indem das Quan- tum, indem es unendlich iſt, als ein aufgehobenes, als ein ſolches zu denken gefodert wird, das zugleich nicht ein Quantum iſt.
Um das anzufuͤhren, wie Kant jenen Begriff be- urtheilt *), ſo findet er ihn nicht uͤbereinſtimmend mit dem, was man unter einem unendlichen Ganzen verſtehe. „Nach dem gewoͤhnlichen Begriffe ſey eine Groͤße unend- lich, uͤber die keine groͤßere (d. i. uͤber die darin enthal- tene Menge einer gegebenen Einheit) moͤglich iſt. — Durch ein unendliches Ganzes ſey nicht vorgeſtellt, ſagt er, wie groß es ſey, mithin ſey ſein Begriff nicht der Begriff eines Maximums (oder Minimums) ſondern es werde dadurch nur ſein Verhaͤltniß zu einer be- liebig anzunehmenden Einheit gedacht, in Anſehung deren daſſelbe groͤßer iſt, als alle Zahl. Je nachdem dieſe Einheit groͤßer oder kleiner angenommen wuͤrde, wuͤrde das Unendliche groͤßer oder kleiner ſeyn; allein die Unendlichkeit, da ſie bloß in dem Verhaͤltniſſe zu dieſer gegebenen Einheit beſtehe, wuͤrde immer dieſelbe bleiben, obgleich freylich die abſolute Groͤße des Ganzen dadurch gar nicht erkannt wuͤrde.“
Kant tadelt es alſo, daß unendliche Ganze als ein Maximum, als eine vollendete Menge einer gegebe- nen Einheit angeſehen werden. Das Maximum oder
Mini-
*) In der Anmerkung zur Theſis der erſten kosmologiſchen Antinomie, in der Kritik der reinen Vernunft.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><pbfacs="#f0258"n="210"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Erſtes Buch</hi>. <hirendition="#aq">II.</hi><hirendition="#g">Abſchnitt</hi>.</fw><lb/><p>Dieſe Conſequenz iſt nothwendig und unmittelbar.<lb/>
Aber die Reflexion, daß das Quantum, — und ich nenne<lb/>
in dieſer Anmerkung das endliche Quantum, nur Quan-<lb/>
tum uͤberhaupt, — aufgehoben iſt, iſt es, die gewoͤhn-<lb/>
lich nicht gemacht wird, welche fuͤr das gewoͤhnliche Be-<lb/>
greifen die Schwierigkeit ausmacht, indem das Quan-<lb/>
tum, indem es unendlich iſt, als ein aufgehobenes, als<lb/>
ein ſolches zu denken gefodert wird, das zugleich nicht<lb/>
ein Quantum iſt.</p><lb/><p>Um das anzufuͤhren, wie <hirendition="#g">Kant</hi> jenen Begriff be-<lb/>
urtheilt <noteplace="foot"n="*)">In der Anmerkung zur Theſis der erſten kosmologiſchen<lb/>
Antinomie, in der Kritik der reinen Vernunft.</note>, ſo findet er ihn nicht uͤbereinſtimmend mit<lb/>
dem, was man unter einem unendlichen Ganzen verſtehe.<lb/>„Nach dem gewoͤhnlichen Begriffe ſey eine Groͤße unend-<lb/>
lich, uͤber die keine groͤßere (d. i. uͤber die darin enthal-<lb/>
tene Menge einer gegebenen Einheit) moͤglich iſt. —<lb/>
Durch ein unendliches Ganzes ſey nicht vorgeſtellt, ſagt<lb/>
er, <hirendition="#g">wie groß</hi> es ſey, mithin ſey ſein Begriff nicht der<lb/>
Begriff eines <hirendition="#g">Maximums</hi> (oder Minimums) ſondern<lb/>
es werde dadurch nur ſein <hirendition="#g">Verhaͤltniß</hi> zu einer be-<lb/>
liebig anzunehmenden <hirendition="#g">Einheit</hi> gedacht, in Anſehung<lb/>
deren daſſelbe groͤßer iſt, als alle Zahl. Je nachdem<lb/>
dieſe Einheit groͤßer oder kleiner angenommen wuͤrde,<lb/>
wuͤrde das Unendliche groͤßer oder kleiner ſeyn; allein<lb/>
die Unendlichkeit, da ſie bloß in dem <hirendition="#g">Verhaͤltniſſe</hi><lb/>
zu dieſer gegebenen Einheit beſtehe, wuͤrde immer dieſelbe<lb/>
bleiben, obgleich freylich die abſolute Groͤße des Ganzen<lb/>
dadurch gar nicht erkannt wuͤrde.“</p><lb/><p>Kant tadelt es alſo, daß unendliche Ganze als ein<lb/>
Maximum, als eine <hirendition="#g">vollendete</hi> Menge einer gegebe-<lb/>
nen Einheit angeſehen werden. Das Maximum oder<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Mini-</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[210/0258]
Erſtes Buch. II. Abſchnitt.
Dieſe Conſequenz iſt nothwendig und unmittelbar.
Aber die Reflexion, daß das Quantum, — und ich nenne
in dieſer Anmerkung das endliche Quantum, nur Quan-
tum uͤberhaupt, — aufgehoben iſt, iſt es, die gewoͤhn-
lich nicht gemacht wird, welche fuͤr das gewoͤhnliche Be-
greifen die Schwierigkeit ausmacht, indem das Quan-
tum, indem es unendlich iſt, als ein aufgehobenes, als
ein ſolches zu denken gefodert wird, das zugleich nicht
ein Quantum iſt.
Um das anzufuͤhren, wie Kant jenen Begriff be-
urtheilt *), ſo findet er ihn nicht uͤbereinſtimmend mit
dem, was man unter einem unendlichen Ganzen verſtehe.
„Nach dem gewoͤhnlichen Begriffe ſey eine Groͤße unend-
lich, uͤber die keine groͤßere (d. i. uͤber die darin enthal-
tene Menge einer gegebenen Einheit) moͤglich iſt. —
Durch ein unendliches Ganzes ſey nicht vorgeſtellt, ſagt
er, wie groß es ſey, mithin ſey ſein Begriff nicht der
Begriff eines Maximums (oder Minimums) ſondern
es werde dadurch nur ſein Verhaͤltniß zu einer be-
liebig anzunehmenden Einheit gedacht, in Anſehung
deren daſſelbe groͤßer iſt, als alle Zahl. Je nachdem
dieſe Einheit groͤßer oder kleiner angenommen wuͤrde,
wuͤrde das Unendliche groͤßer oder kleiner ſeyn; allein
die Unendlichkeit, da ſie bloß in dem Verhaͤltniſſe
zu dieſer gegebenen Einheit beſtehe, wuͤrde immer dieſelbe
bleiben, obgleich freylich die abſolute Groͤße des Ganzen
dadurch gar nicht erkannt wuͤrde.“
Kant tadelt es alſo, daß unendliche Ganze als ein
Maximum, als eine vollendete Menge einer gegebe-
nen Einheit angeſehen werden. Das Maximum oder
Mini-
*) In der Anmerkung zur Theſis der erſten kosmologiſchen
Antinomie, in der Kritik der reinen Vernunft.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/258>, abgerufen am 29.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.