die Zahl für den geeignetsten Gegenstand des innern An- schauens, und die rechnende Beschäftigung mit Verhält- nissen derselben, für die Thätigkeit des Geistes gehalten worden, worinn er seine eigensten Verhältnisse und über- haupt die Grundverhältnisse des Wesens zur Anschauung bringe. -- Wiefern der Zahl dieser hohe Werth beykom- men könne, geht aus ihrem Begriffe hervor, wie er sich ergeben hat.
Die Zahl ist die absolute Bestimmtheit der Quan- tität; ihr Element ist der gleichgültig gewordene Unter- schied. Sie ist also die Bestimmtheit an sich, die zu- gleich völlig nur äusserlich gesetzt ist. Die Arithmetik ist daher analytische Wissenschaft, weil alle Verknüpfungen und Unterschiede, die an ihrem Gegenstande vorkommen, nicht in ihm selbst schon liegen, sondern ihm völlig äusser- lich angethan sind. Sie hat keinen concreten Gegen- stand, welcher innere Verhältnisse an sich hätte, die zu- nächst für das Wissen verborgen, nicht in der unmittel- baren Vorstellung von ihm gegeben, sondern erst durch die Bemühung des Erkennens herauszubringen wären. Sondern seine Verhältnisse sind rein durch die Reflexion selbst in ihn hineingelegt; diese hat es daher in ihrem rechnenden Geschäfte nur mit solchen hineingelegten Be- stimmungen zu thun. Weil in diesen Beziehungen hiemit nicht ein wahrhaftes Andersseyn enthalten ist, so hat sie es nicht mit Entgegengesetztem zu thun; sie hat überhaupt die Aufgabe des Begriffes nicht; geht nur an dem Faden ihrer eigenen Identität fort, und verhält sich in ihrer Thätigkeit rein analytisch.
Um der Gleichgültigkeit des Verknüpften gegen die Verknüpfung, der die Nothwendigkeit fehlt, willen, be- findet sich das Denken hier in einer Thätigkeit, die zu- gleich die äusserste Entäusserung seiner selbst ist, in der
gewalt-
Erſtes Buch. II.Abſchnitt.
die Zahl fuͤr den geeignetſten Gegenſtand des innern An- ſchauens, und die rechnende Beſchaͤftigung mit Verhaͤlt- niſſen derſelben, fuͤr die Thaͤtigkeit des Geiſtes gehalten worden, worinn er ſeine eigenſten Verhaͤltniſſe und uͤber- haupt die Grundverhaͤltniſſe des Weſens zur Anſchauung bringe. — Wiefern der Zahl dieſer hohe Werth beykom- men koͤnne, geht aus ihrem Begriffe hervor, wie er ſich ergeben hat.
Die Zahl iſt die abſolute Beſtimmtheit der Quan- titaͤt; ihr Element iſt der gleichguͤltig gewordene Unter- ſchied. Sie iſt alſo die Beſtimmtheit an ſich, die zu- gleich voͤllig nur aͤuſſerlich geſetzt iſt. Die Arithmetik iſt daher analytiſche Wiſſenſchaft, weil alle Verknuͤpfungen und Unterſchiede, die an ihrem Gegenſtande vorkommen, nicht in ihm ſelbſt ſchon liegen, ſondern ihm voͤllig aͤuſſer- lich angethan ſind. Sie hat keinen concreten Gegen- ſtand, welcher innere Verhaͤltniſſe an ſich haͤtte, die zu- naͤchſt fuͤr das Wiſſen verborgen, nicht in der unmittel- baren Vorſtellung von ihm gegeben, ſondern erſt durch die Bemuͤhung des Erkennens herauszubringen waͤren. Sondern ſeine Verhaͤltniſſe ſind rein durch die Reflexion ſelbſt in ihn hineingelegt; dieſe hat es daher in ihrem rechnenden Geſchaͤfte nur mit ſolchen hineingelegten Be- ſtimmungen zu thun. Weil in dieſen Beziehungen hiemit nicht ein wahrhaftes Andersſeyn enthalten iſt, ſo hat ſie es nicht mit Entgegengeſetztem zu thun; ſie hat uͤberhaupt die Aufgabe des Begriffes nicht; geht nur an dem Faden ihrer eigenen Identitaͤt fort, und verhaͤlt ſich in ihrer Thaͤtigkeit rein analytiſch.
Um der Gleichguͤltigkeit des Verknuͤpften gegen die Verknuͤpfung, der die Nothwendigkeit fehlt, willen, be- findet ſich das Denken hier in einer Thaͤtigkeit, die zu- gleich die aͤuſſerſte Entaͤuſſerung ſeiner ſelbſt iſt, in der
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Erſtes Buch. II. Abſchnitt.
die Zahl fuͤr den geeignetſten Gegenſtand des innern An-
ſchauens, und die rechnende Beſchaͤftigung mit Verhaͤlt-
niſſen derſelben, fuͤr die Thaͤtigkeit des Geiſtes gehalten
worden, worinn er ſeine eigenſten Verhaͤltniſſe und uͤber-
haupt die Grundverhaͤltniſſe des Weſens zur Anſchauung
bringe. — Wiefern der Zahl dieſer hohe Werth beykom-
men koͤnne, geht aus ihrem Begriffe hervor, wie er ſich
ergeben hat.
Die Zahl iſt die abſolute Beſtimmtheit der Quan-
titaͤt; ihr Element iſt der gleichguͤltig gewordene Unter-
ſchied. Sie iſt alſo die Beſtimmtheit an ſich, die zu-
gleich voͤllig nur aͤuſſerlich geſetzt iſt. Die Arithmetik iſt
daher analytiſche Wiſſenſchaft, weil alle Verknuͤpfungen
und Unterſchiede, die an ihrem Gegenſtande vorkommen,
nicht in ihm ſelbſt ſchon liegen, ſondern ihm voͤllig aͤuſſer-
lich angethan ſind. Sie hat keinen concreten Gegen-
ſtand, welcher innere Verhaͤltniſſe an ſich haͤtte, die zu-
naͤchſt fuͤr das Wiſſen verborgen, nicht in der unmittel-
baren Vorſtellung von ihm gegeben, ſondern erſt durch
die Bemuͤhung des Erkennens herauszubringen waͤren.
Sondern ſeine Verhaͤltniſſe ſind rein durch die Reflexion
ſelbſt in ihn hineingelegt; dieſe hat es daher in ihrem
rechnenden Geſchaͤfte nur mit ſolchen hineingelegten Be-
ſtimmungen zu thun. Weil in dieſen Beziehungen hiemit
nicht ein wahrhaftes Andersſeyn enthalten iſt, ſo hat ſie
es nicht mit Entgegengeſetztem zu thun; ſie hat uͤberhaupt
die Aufgabe des Begriffes nicht; geht nur an dem Faden
ihrer eigenen Identitaͤt fort, und verhaͤlt ſich in ihrer
Thaͤtigkeit rein analytiſch.
Um der Gleichguͤltigkeit des Verknuͤpften gegen die
Verknuͤpfung, der die Nothwendigkeit fehlt, willen, be-
findet ſich das Denken hier in einer Thaͤtigkeit, die zu-
gleich die aͤuſſerſte Entaͤuſſerung ſeiner ſelbſt iſt, in der
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/212>, abgerufen am 16.02.2025.
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