Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Erstes Buch. II. Abschnitt.
das gleichgültige Eins hat. Die Zahl ist auf diese Weise
das Ansichbestimmtseyn, aber das Ansichbestimmtseyn
der Aeusserlichkeit, oder ein Ansichbestimmtseyn, das
eben so unmittelbar völlige Aeusserlichkeit des Bestimmt-
seyns ist. Die Quantität ist die Unendlichkeit in sich.
Die Zahl ist näher diese Unendlichkeit als innerhalb ihrer
selbst an sich bestimmt, und als eben so absolutes Aufge-
hobenseyn oder Aeusserlichkeit des Bestimmtseyns.

Anmerkung 1.

Gewöhnlich werden Raumgröße und die Zahlgröße,
so als zwey Arten betrachtet, als ob die Raumgröße für
sich so sehr bestimmte Größe als die Zahlgröße wäre; ihr
Unterschied bestünde nur in den verschiedenen Bestimmun-
gen der Continuität und Discretion; als Quantum aber
stünden sie auf derselben Stuffe. Die Geometrie hat
zwar im Allgemeinen in der Raumgröße die continuirliche,
und die Arithmetik in der Zahlgröße die discrete Größe
zum Gegenstande. Aber bey dieser Ungleichheit des Ge-
genstandes haben sie nicht eine gleiche Weise und Voll-
kommenheit der Begrenzung oder des Bestimmtseyns.
Die Wissenschaft betrachtet wesentlich die Bestimmtheiten
dieser Gegenstände, insofern sie Quanta sind, und sich
nach dieser Seite verhalten. Die Weise der Begren-
zung aber ist an beyden Gegenständen gleichfalls verschie-
den. Die Raumgröße hat nur eine Begrenzung über-
haupt; insofern sie als an sich bestimmtes Quantum be-
trachtet werden soll, hat sie die Zahl nöthig. Auch be-
trachtet die Geometrie die Raumfiguren nicht nach einer
an und für sich bestimmten Größe; sie mißt sie nicht;
ist nicht Meßkunst; sondern vergleicht sie nur d. h.
sie betrachtet sie nur als relative Quanta, nach einer
Größebestimmung, die sie zu Andern haben. Auch
bey ihren Definitionen sind die Bestimmungen zum Theil

von

Erſtes Buch. II. Abſchnitt.
das gleichguͤltige Eins hat. Die Zahl iſt auf dieſe Weiſe
das Anſichbeſtimmtſeyn, aber das Anſichbeſtimmtſeyn
der Aeuſſerlichkeit, oder ein Anſichbeſtimmtſeyn, das
eben ſo unmittelbar voͤllige Aeuſſerlichkeit des Beſtimmt-
ſeyns iſt. Die Quantitaͤt iſt die Unendlichkeit in ſich.
Die Zahl iſt naͤher dieſe Unendlichkeit als innerhalb ihrer
ſelbſt an ſich beſtimmt, und als eben ſo abſolutes Aufge-
hobenſeyn oder Aeuſſerlichkeit des Beſtimmtſeyns.

Anmerkung 1.

Gewoͤhnlich werden Raumgroͤße und die Zahlgroͤße,
ſo als zwey Arten betrachtet, als ob die Raumgroͤße fuͤr
ſich ſo ſehr beſtimmte Groͤße als die Zahlgroͤße waͤre; ihr
Unterſchied beſtuͤnde nur in den verſchiedenen Beſtimmun-
gen der Continuitaͤt und Diſcretion; als Quantum aber
ſtuͤnden ſie auf derſelben Stuffe. Die Geometrie hat
zwar im Allgemeinen in der Raumgroͤße die continuirliche,
und die Arithmetik in der Zahlgroͤße die diſcrete Groͤße
zum Gegenſtande. Aber bey dieſer Ungleichheit des Ge-
genſtandes haben ſie nicht eine gleiche Weiſe und Voll-
kommenheit der Begrenzung oder des Beſtimmtſeyns.
Die Wiſſenſchaft betrachtet weſentlich die Beſtimmtheiten
dieſer Gegenſtaͤnde, inſofern ſie Quanta ſind, und ſich
nach dieſer Seite verhalten. Die Weiſe der Begren-
zung aber iſt an beyden Gegenſtaͤnden gleichfalls verſchie-
den. Die Raumgroͤße hat nur eine Begrenzung uͤber-
haupt; inſofern ſie als an ſich beſtimmtes Quantum be-
trachtet werden ſoll, hat ſie die Zahl noͤthig. Auch be-
trachtet die Geometrie die Raumfiguren nicht nach einer
an und fuͤr ſich beſtimmten Groͤße; ſie mißt ſie nicht;
iſt nicht Meßkunſt; ſondern vergleicht ſie nur d. h.
ſie betrachtet ſie nur als relative Quanta, nach einer
Groͤßebeſtimmung, die ſie zu Andern haben. Auch
bey ihren Definitionen ſind die Beſtimmungen zum Theil

von
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0210" n="162"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Er&#x017F;tes Buch</hi>. <hi rendition="#aq">II.</hi><hi rendition="#g">Ab&#x017F;chnitt</hi>.</fw><lb/>
das gleichgu&#x0364;ltige Eins hat. Die Zahl i&#x017F;t auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e<lb/>
das An&#x017F;ichbe&#x017F;timmt&#x017F;eyn, aber das An&#x017F;ichbe&#x017F;timmt&#x017F;eyn<lb/>
der Aeu&#x017F;&#x017F;erlichkeit, oder ein An&#x017F;ichbe&#x017F;timmt&#x017F;eyn, das<lb/>
eben &#x017F;o unmittelbar vo&#x0364;llige Aeu&#x017F;&#x017F;erlichkeit des Be&#x017F;timmt-<lb/>
&#x017F;eyns i&#x017F;t. Die Quantita&#x0364;t i&#x017F;t die Unendlichkeit in &#x017F;ich.<lb/>
Die Zahl i&#x017F;t na&#x0364;her die&#x017F;e Unendlichkeit als innerhalb ihrer<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t an &#x017F;ich be&#x017F;timmt, und als eben &#x017F;o ab&#x017F;olutes Aufge-<lb/>
hoben&#x017F;eyn oder Aeu&#x017F;&#x017F;erlichkeit des Be&#x017F;timmt&#x017F;eyns.</p><lb/>
                <div n="6">
                  <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Anmerkung</hi> 1.</hi> </head><lb/>
                  <p>Gewo&#x0364;hnlich werden Raumgro&#x0364;ße und die Zahlgro&#x0364;ße,<lb/>
&#x017F;o als zwey Arten betrachtet, als ob die Raumgro&#x0364;ße fu&#x0364;r<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;o &#x017F;ehr be&#x017F;timmte Gro&#x0364;ße als die Zahlgro&#x0364;ße wa&#x0364;re; ihr<lb/>
Unter&#x017F;chied be&#x017F;tu&#x0364;nde nur in den ver&#x017F;chiedenen Be&#x017F;timmun-<lb/>
gen der Continuita&#x0364;t und Di&#x017F;cretion; als Quantum aber<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;nden &#x017F;ie auf der&#x017F;elben Stuffe. Die Geometrie hat<lb/>
zwar im Allgemeinen in der Raumgro&#x0364;ße die continuirliche,<lb/>
und die Arithmetik in der Zahlgro&#x0364;ße die di&#x017F;crete Gro&#x0364;ße<lb/>
zum Gegen&#x017F;tande. Aber bey die&#x017F;er Ungleichheit des Ge-<lb/>
gen&#x017F;tandes haben &#x017F;ie nicht eine gleiche Wei&#x017F;e und Voll-<lb/>
kommenheit der Begrenzung oder des Be&#x017F;timmt&#x017F;eyns.<lb/>
Die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft betrachtet we&#x017F;entlich die Be&#x017F;timmtheiten<lb/>
die&#x017F;er Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde, in&#x017F;ofern &#x017F;ie Quanta &#x017F;ind, und &#x017F;ich<lb/>
nach die&#x017F;er Seite verhalten. Die Wei&#x017F;e der Begren-<lb/>
zung aber i&#x017F;t an beyden Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden gleichfalls ver&#x017F;chie-<lb/>
den. Die Raumgro&#x0364;ße hat nur eine Begrenzung u&#x0364;ber-<lb/>
haupt; in&#x017F;ofern &#x017F;ie als an &#x017F;ich be&#x017F;timmtes Quantum be-<lb/>
trachtet werden &#x017F;oll, hat &#x017F;ie die Zahl no&#x0364;thig. Auch be-<lb/>
trachtet die Geometrie die Raumfiguren nicht nach einer<lb/>
an und fu&#x0364;r &#x017F;ich be&#x017F;timmten Gro&#x0364;ße; &#x017F;ie <hi rendition="#g">mißt</hi> &#x017F;ie nicht;<lb/>
i&#x017F;t nicht Meßkun&#x017F;t; &#x017F;ondern <hi rendition="#g">vergleicht</hi> &#x017F;ie nur d. h.<lb/>
&#x017F;ie betrachtet &#x017F;ie nur als relative Quanta, nach einer<lb/>
Gro&#x0364;ßebe&#x017F;timmung, die &#x017F;ie zu Andern haben. Auch<lb/>
bey ihren Definitionen &#x017F;ind die Be&#x017F;timmungen zum Theil<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">von</fw><lb/></p>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[162/0210] Erſtes Buch. II. Abſchnitt. das gleichguͤltige Eins hat. Die Zahl iſt auf dieſe Weiſe das Anſichbeſtimmtſeyn, aber das Anſichbeſtimmtſeyn der Aeuſſerlichkeit, oder ein Anſichbeſtimmtſeyn, das eben ſo unmittelbar voͤllige Aeuſſerlichkeit des Beſtimmt- ſeyns iſt. Die Quantitaͤt iſt die Unendlichkeit in ſich. Die Zahl iſt naͤher dieſe Unendlichkeit als innerhalb ihrer ſelbſt an ſich beſtimmt, und als eben ſo abſolutes Aufge- hobenſeyn oder Aeuſſerlichkeit des Beſtimmtſeyns. Anmerkung 1. Gewoͤhnlich werden Raumgroͤße und die Zahlgroͤße, ſo als zwey Arten betrachtet, als ob die Raumgroͤße fuͤr ſich ſo ſehr beſtimmte Groͤße als die Zahlgroͤße waͤre; ihr Unterſchied beſtuͤnde nur in den verſchiedenen Beſtimmun- gen der Continuitaͤt und Diſcretion; als Quantum aber ſtuͤnden ſie auf derſelben Stuffe. Die Geometrie hat zwar im Allgemeinen in der Raumgroͤße die continuirliche, und die Arithmetik in der Zahlgroͤße die diſcrete Groͤße zum Gegenſtande. Aber bey dieſer Ungleichheit des Ge- genſtandes haben ſie nicht eine gleiche Weiſe und Voll- kommenheit der Begrenzung oder des Beſtimmtſeyns. Die Wiſſenſchaft betrachtet weſentlich die Beſtimmtheiten dieſer Gegenſtaͤnde, inſofern ſie Quanta ſind, und ſich nach dieſer Seite verhalten. Die Weiſe der Begren- zung aber iſt an beyden Gegenſtaͤnden gleichfalls verſchie- den. Die Raumgroͤße hat nur eine Begrenzung uͤber- haupt; inſofern ſie als an ſich beſtimmtes Quantum be- trachtet werden ſoll, hat ſie die Zahl noͤthig. Auch be- trachtet die Geometrie die Raumfiguren nicht nach einer an und fuͤr ſich beſtimmten Groͤße; ſie mißt ſie nicht; iſt nicht Meßkunſt; ſondern vergleicht ſie nur d. h. ſie betrachtet ſie nur als relative Quanta, nach einer Groͤßebeſtimmung, die ſie zu Andern haben. Auch bey ihren Definitionen ſind die Beſtimmungen zum Theil von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/210
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/210>, abgerufen am 22.12.2024.