Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Erstes Buch. II. Abschnitt.
um das Begreifen zu ersparen, ist der Werth und das
Gebiet derselben ins Unendliche erweitert worden. Hie-
her gehört nur, daß der Raum, wie auch die An-
schauung selbst zugleich begriffen werden müsse; wenn
man nemlich überhaupt begreifen will. Damit entstünde
die Frage, ob der Raum nicht, wenn er auch als An-
schauung einfache Continuität wäre, nach seinem Begrif-
fe als aus einfachen Theilen bestehend, gefaßt werden
müsse, oder der Raum träte in dieselbe Antinomie ein,
in welche nur die Substanz versetzt wurde. In der That
wenn die Antinomie abstract gefaßt wird, betrift sie,
wie erinnert, die Quantität überhaupt und somit Raum
und Zeit eben so sehr.

Weil aber einmal im Beweise angenommen ist, daß
der Raum nicht aus einfachen Theilen bestehe, diß hätte
Grund seyn sollen, das Einfache nicht in diß Element zu
versetzen, welches der Bestimmung des Einfachen nicht
angemessen ist.

In der Anmerkung zu dem Beweis der Antithesis
wird noch ausdrücklich die sonstige Grundvorstellung der
kritischen Philosophie herbeygebracht, daß wir von Kör-
pern nur als Erscheinungen einen Begriff haben,
als solche aber setzen sie den Raum, als die Bedingung
der Möglichkeit aller äussern Erscheinung nothwendig
voraus. Wenn hiemit unter den Substanzen nur Kör-
per gemeynt sind, wie wir sie sehen, fühlen, schmecken
u. s. f., so ist von dem, was sie im Denken sind, ei-
gentlich nicht die Rede; es handelt sich nur vom sinn-
lich Wahrgenommenen. Der Beweis der Antithesis
war also kurz zu fassen: Die ganze Erfahrung unseres
Sehens, Fühlens u. s. f. zeigt uns nur Zusammengesetz-
tes; auch die besten Mikroscope und die feinsten Messer
haben uns noch auf nichts einfaches stoßen lassen.

Also

Erſtes Buch. II. Abſchnitt.
um das Begreifen zu erſparen, iſt der Werth und das
Gebiet derſelben ins Unendliche erweitert worden. Hie-
her gehoͤrt nur, daß der Raum, wie auch die An-
ſchauung ſelbſt zugleich begriffen werden muͤſſe; wenn
man nemlich uͤberhaupt begreifen will. Damit entſtuͤnde
die Frage, ob der Raum nicht, wenn er auch als An-
ſchauung einfache Continuitaͤt waͤre, nach ſeinem Begrif-
fe als aus einfachen Theilen beſtehend, gefaßt werden
muͤſſe, oder der Raum traͤte in dieſelbe Antinomie ein,
in welche nur die Subſtanz verſetzt wurde. In der That
wenn die Antinomie abſtract gefaßt wird, betrift ſie,
wie erinnert, die Quantitaͤt uͤberhaupt und ſomit Raum
und Zeit eben ſo ſehr.

Weil aber einmal im Beweiſe angenommen iſt, daß
der Raum nicht aus einfachen Theilen beſtehe, diß haͤtte
Grund ſeyn ſollen, das Einfache nicht in diß Element zu
verſetzen, welches der Beſtimmung des Einfachen nicht
angemeſſen iſt.

In der Anmerkung zu dem Beweis der Antitheſis
wird noch ausdruͤcklich die ſonſtige Grundvorſtellung der
kritiſchen Philoſophie herbeygebracht, daß wir von Koͤr-
pern nur als Erſcheinungen einen Begriff haben,
als ſolche aber ſetzen ſie den Raum, als die Bedingung
der Moͤglichkeit aller aͤuſſern Erſcheinung nothwendig
voraus. Wenn hiemit unter den Subſtanzen nur Koͤr-
per gemeynt ſind, wie wir ſie ſehen, fuͤhlen, ſchmecken
u. ſ. f., ſo iſt von dem, was ſie im Denken ſind, ei-
gentlich nicht die Rede; es handelt ſich nur vom ſinn-
lich Wahrgenommenen. Der Beweis der Antitheſis
war alſo kurz zu faſſen: Die ganze Erfahrung unſeres
Sehens, Fuͤhlens u. ſ. f. zeigt uns nur Zuſammengeſetz-
tes; auch die beſten Mikroſcope und die feinſten Meſſer
haben uns noch auf nichts einfaches ſtoßen laſſen.

Alſo
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <p><pb facs="#f0196" n="148"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Er&#x017F;tes Buch</hi>. <hi rendition="#aq">II.</hi><hi rendition="#g">Ab&#x017F;chnitt</hi>.</fw><lb/>
um das Begreifen zu er&#x017F;paren, i&#x017F;t der Werth und das<lb/>
Gebiet der&#x017F;elben ins Unendliche erweitert worden. Hie-<lb/>
her geho&#x0364;rt nur, daß der Raum, wie auch die An-<lb/>
&#x017F;chauung &#x017F;elb&#x017F;t zugleich begriffen werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e; wenn<lb/>
man nemlich u&#x0364;berhaupt begreifen will. Damit ent&#x017F;tu&#x0364;nde<lb/>
die Frage, ob der Raum nicht, wenn er auch als An-<lb/>
&#x017F;chauung einfache Continuita&#x0364;t wa&#x0364;re, nach &#x017F;einem Begrif-<lb/>
fe als aus einfachen Theilen be&#x017F;tehend, gefaßt werden<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, oder der Raum tra&#x0364;te in die&#x017F;elbe Antinomie ein,<lb/>
in welche nur die Sub&#x017F;tanz ver&#x017F;etzt wurde. In der That<lb/>
wenn die Antinomie ab&#x017F;tract gefaßt wird, betrift &#x017F;ie,<lb/>
wie erinnert, die Quantita&#x0364;t u&#x0364;berhaupt und &#x017F;omit Raum<lb/>
und Zeit eben &#x017F;o &#x017F;ehr.</p><lb/>
                  <p>Weil aber einmal im Bewei&#x017F;e angenommen i&#x017F;t, daß<lb/>
der Raum nicht aus einfachen Theilen be&#x017F;tehe, diß ha&#x0364;tte<lb/>
Grund &#x017F;eyn &#x017F;ollen, das Einfache nicht in diß Element zu<lb/>
ver&#x017F;etzen, welches der Be&#x017F;timmung des Einfachen nicht<lb/>
angeme&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t.</p><lb/>
                  <p>In der Anmerkung zu dem Beweis der Antithe&#x017F;is<lb/>
wird noch ausdru&#x0364;cklich die &#x017F;on&#x017F;tige Grundvor&#x017F;tellung der<lb/>
kriti&#x017F;chen Philo&#x017F;ophie herbeygebracht, daß wir von Ko&#x0364;r-<lb/>
pern nur als <hi rendition="#g">Er&#x017F;cheinungen</hi> einen <hi rendition="#g">Begriff</hi> haben,<lb/>
als &#x017F;olche aber &#x017F;etzen &#x017F;ie den Raum, als die Bedingung<lb/>
der Mo&#x0364;glichkeit aller a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ern Er&#x017F;cheinung nothwendig<lb/>
voraus. Wenn hiemit unter den Sub&#x017F;tanzen nur Ko&#x0364;r-<lb/>
per gemeynt &#x017F;ind, wie wir &#x017F;ie &#x017F;ehen, fu&#x0364;hlen, &#x017F;chmecken<lb/>
u. &#x017F;. f., &#x017F;o i&#x017F;t von dem, was &#x017F;ie im <hi rendition="#g">Denken</hi> &#x017F;ind, ei-<lb/>
gentlich nicht die Rede; es handelt &#x017F;ich nur vom &#x017F;inn-<lb/>
lich Wahrgenommenen. Der Beweis der Antithe&#x017F;is<lb/>
war al&#x017F;o kurz zu fa&#x017F;&#x017F;en: Die ganze Erfahrung un&#x017F;eres<lb/>
Sehens, Fu&#x0364;hlens u. &#x017F;. f. zeigt uns nur Zu&#x017F;ammenge&#x017F;etz-<lb/>
tes; auch die be&#x017F;ten Mikro&#x017F;cope und die fein&#x017F;ten Me&#x017F;&#x017F;er<lb/>
haben uns noch auf nichts einfaches <hi rendition="#g">&#x017F;toßen</hi> la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Al&#x017F;o</fw><lb/></p>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[148/0196] Erſtes Buch. II. Abſchnitt. um das Begreifen zu erſparen, iſt der Werth und das Gebiet derſelben ins Unendliche erweitert worden. Hie- her gehoͤrt nur, daß der Raum, wie auch die An- ſchauung ſelbſt zugleich begriffen werden muͤſſe; wenn man nemlich uͤberhaupt begreifen will. Damit entſtuͤnde die Frage, ob der Raum nicht, wenn er auch als An- ſchauung einfache Continuitaͤt waͤre, nach ſeinem Begrif- fe als aus einfachen Theilen beſtehend, gefaßt werden muͤſſe, oder der Raum traͤte in dieſelbe Antinomie ein, in welche nur die Subſtanz verſetzt wurde. In der That wenn die Antinomie abſtract gefaßt wird, betrift ſie, wie erinnert, die Quantitaͤt uͤberhaupt und ſomit Raum und Zeit eben ſo ſehr. Weil aber einmal im Beweiſe angenommen iſt, daß der Raum nicht aus einfachen Theilen beſtehe, diß haͤtte Grund ſeyn ſollen, das Einfache nicht in diß Element zu verſetzen, welches der Beſtimmung des Einfachen nicht angemeſſen iſt. In der Anmerkung zu dem Beweis der Antitheſis wird noch ausdruͤcklich die ſonſtige Grundvorſtellung der kritiſchen Philoſophie herbeygebracht, daß wir von Koͤr- pern nur als Erſcheinungen einen Begriff haben, als ſolche aber ſetzen ſie den Raum, als die Bedingung der Moͤglichkeit aller aͤuſſern Erſcheinung nothwendig voraus. Wenn hiemit unter den Subſtanzen nur Koͤr- per gemeynt ſind, wie wir ſie ſehen, fuͤhlen, ſchmecken u. ſ. f., ſo iſt von dem, was ſie im Denken ſind, ei- gentlich nicht die Rede; es handelt ſich nur vom ſinn- lich Wahrgenommenen. Der Beweis der Antitheſis war alſo kurz zu faſſen: Die ganze Erfahrung unſeres Sehens, Fuͤhlens u. ſ. f. zeigt uns nur Zuſammengeſetz- tes; auch die beſten Mikroſcope und die feinſten Meſſer haben uns noch auf nichts einfaches ſtoßen laſſen. Alſo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/196
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/196>, abgerufen am 25.11.2024.