Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite
Quantität.

Den Begriff der reinen Quantität gegen die bloße
Vorstellung hat Spinoza, dem es vorzüglich auf den-
selben ankam, im Sinne, indem er (Eth. P. I. Prop.
XV. Schol.
) auf folgende Weise von der Quantität
spricht:

Quantitas duobus modis a nobis concipitur, ab-
stracte scilicet sive superficialiter, prout nempe ipsam
imaginamur; vel ut substantia, quod a solo intellectu fit.
Si itaque ad quantitatem attendimus, prout in imagina-
tione est, quod saepe et facilius a nobis fit, reperietur
finita, divisibilis et ex partibus conflata, si
autem ad ipsam, prout in intellectu est, attendimus, et
eam, quatenus substantia est, concipimus, quod difficil-
lime fit, -- infinita, unica et indivisibilis re-
perietur. Quod omnibus, qui inter imaginationem et
intellectum distinguere sciverint, satis manifestum erit.

Bestimmtere Beyspiele der reinen Quantität, wenn
man deren verlangt, hat man an Raum und Zeit, auch
der Materie überhaupt, Licht u. s. f. selbst Ich; nur ist,
wie schon bemerkt, darunter nicht das Quantum oder
Größe überhaupt, insofern diese zunächst an das Quan-
tum erinnert, zu verstehen. Raum, Zeit u. s. f. sind
Ausdehnungen, Vielheiten, die ein Ausser-sich-gehen,
ein Strömen sind, das aber nicht ins Entgegengesetzte,
in die Qualität oder in das Eins übergeht, sondern als
Aussersichkommen ein perennirendes Selbstproduciren
sind. Der Raum ist diß absolute Aussersichseyn,
das eben so sehr schlechthin ununterbrochen, ein Anders-
und Wieder-Andersseyn, das identisch mit sich ist; die
Zeit ein absolutes Aussersichkommen, ein Zunichte-
werden, das stätig wieder das Zunichtewerden dieses
Vergehens ist; so daß diß sich Erzeugen des Nichtseyns
eben so sehr einfache Gleichheit und Identität mit sich ist.

Was
Quantitaͤt.

Den Begriff der reinen Quantitaͤt gegen die bloße
Vorſtellung hat Spinoza, dem es vorzuͤglich auf den-
ſelben ankam, im Sinne, indem er (Eth. P. I. Prop.
XV. Schol.
) auf folgende Weiſe von der Quantitaͤt
ſpricht:

Quantitas duobus modis à nobis concipitur, ab-
ſtracte ſcilicet ſive ſuperficialiter, prout nempe ipſam
imaginamur; vel ut ſubſtantia, quod a ſolo intellectu fit.
Si itaque ad quantitatem attendimus, prout in imagina-
tione eſt, quod ſaepe et facilius à nobis fit, reperietur
finita, diviſibilis et ex partibus conflata, ſi
autem ad ipſam, prout in intellectu eſt, attendimus, et
eam, quatenus ſubſtantia eſt, concipimus, quod difficil-
lime fit, — infinita, unica et indiviſibilis re-
perietur. Quod omnibus, qui inter imaginationem et
intellectum diſtinguere ſciverint, ſatis manifeſtum erit.

Beſtimmtere Beyſpiele der reinen Quantitaͤt, wenn
man deren verlangt, hat man an Raum und Zeit, auch
der Materie uͤberhaupt, Licht u. ſ. f. ſelbſt Ich; nur iſt,
wie ſchon bemerkt, darunter nicht das Quantum oder
Groͤße uͤberhaupt, inſofern dieſe zunaͤchſt an das Quan-
tum erinnert, zu verſtehen. Raum, Zeit u. ſ. f. ſind
Ausdehnungen, Vielheiten, die ein Auſſer-ſich-gehen,
ein Stroͤmen ſind, das aber nicht ins Entgegengeſetzte,
in die Qualitaͤt oder in das Eins uͤbergeht, ſondern als
Auſſerſichkommen ein perennirendes Selbſtproduciren
ſind. Der Raum iſt diß abſolute Auſſerſichſeyn,
das eben ſo ſehr ſchlechthin ununterbrochen, ein Anders-
und Wieder-Andersſeyn, das identiſch mit ſich iſt; die
Zeit ein abſolutes Auſſerſichkommen, ein Zunichte-
werden, das ſtaͤtig wieder das Zunichtewerden dieſes
Vergehens iſt; ſo daß diß ſich Erzeugen des Nichtſeyns
eben ſo ſehr einfache Gleichheit und Identitaͤt mit ſich iſt.

Was
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <pb facs="#f0185" n="137"/>
                  <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Quantita&#x0364;t</hi>.</fw><lb/>
                  <p>Den Begriff der reinen Quantita&#x0364;t gegen die bloße<lb/>
Vor&#x017F;tellung hat <hi rendition="#g">Spinoza</hi>, dem es vorzu&#x0364;glich auf den-<lb/>
&#x017F;elben ankam, im Sinne, indem er (<hi rendition="#aq">Eth. P. I. Prop.<lb/>
XV. Schol.</hi>) auf folgende Wei&#x017F;e von der Quantita&#x0364;t<lb/>
&#x017F;pricht:</p><lb/>
                  <p> <hi rendition="#aq">Quantitas duobus modis à nobis concipitur, ab-<lb/>
&#x017F;tracte &#x017F;cilicet &#x017F;ive &#x017F;uperficialiter, prout nempe ip&#x017F;am<lb/>
imaginamur; vel ut &#x017F;ub&#x017F;tantia, quod a &#x017F;olo intellectu fit.<lb/>
Si itaque ad quantitatem attendimus, prout in imagina-<lb/>
tione e&#x017F;t, quod &#x017F;aepe et facilius à nobis fit, reperietur<lb/>
finita, <hi rendition="#g">divi&#x017F;ibilis</hi> et <hi rendition="#g">ex partibus conflata</hi>, &#x017F;i<lb/>
autem ad ip&#x017F;am, prout in intellectu e&#x017F;t, attendimus, et<lb/>
eam, quatenus &#x017F;ub&#x017F;tantia e&#x017F;t, concipimus, quod difficil-<lb/>
lime fit, &#x2014; <hi rendition="#g">infinita, unica</hi> et <hi rendition="#g">indivi&#x017F;ibilis</hi> re-<lb/>
perietur. Quod omnibus, qui inter imaginationem et<lb/>
intellectum di&#x017F;tinguere &#x017F;civerint, &#x017F;atis manife&#x017F;tum erit.</hi> </p><lb/>
                  <p>Be&#x017F;timmtere Bey&#x017F;piele der reinen Quantita&#x0364;t, wenn<lb/>
man deren verlangt, hat man an Raum und Zeit, auch<lb/>
der Materie u&#x0364;berhaupt, Licht u. &#x017F;. f. &#x017F;elb&#x017F;t Ich; nur i&#x017F;t,<lb/>
wie &#x017F;chon bemerkt, darunter nicht das Quantum oder<lb/>
Gro&#x0364;ße u&#x0364;berhaupt, in&#x017F;ofern die&#x017F;e zuna&#x0364;ch&#x017F;t an das Quan-<lb/>
tum erinnert, zu ver&#x017F;tehen. Raum, Zeit u. &#x017F;. f. &#x017F;ind<lb/>
Ausdehnungen, Vielheiten, die ein Au&#x017F;&#x017F;er-&#x017F;ich-gehen,<lb/>
ein Stro&#x0364;men &#x017F;ind, das aber nicht ins Entgegenge&#x017F;etzte,<lb/>
in die Qualita&#x0364;t oder in das Eins u&#x0364;bergeht, &#x017F;ondern als<lb/>
Au&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ichkommen ein perennirendes <hi rendition="#g">Selb&#x017F;tproduciren</hi><lb/>
&#x017F;ind. Der Raum i&#x017F;t diß ab&#x017F;olute <hi rendition="#g">Au&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ich&#x017F;eyn</hi>,<lb/>
das eben &#x017F;o &#x017F;ehr &#x017F;chlechthin ununterbrochen, ein Anders-<lb/>
und Wieder-Anders&#x017F;eyn, das identi&#x017F;ch mit &#x017F;ich i&#x017F;t; die<lb/>
Zeit ein ab&#x017F;olutes <hi rendition="#g">Au&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ichkommen</hi>, ein Zunichte-<lb/>
werden, das &#x017F;ta&#x0364;tig wieder das Zunichtewerden die&#x017F;es<lb/>
Vergehens i&#x017F;t; &#x017F;o daß diß &#x017F;ich Erzeugen des Nicht&#x017F;eyns<lb/>
eben &#x017F;o &#x017F;ehr einfache Gleichheit und Identita&#x0364;t mit &#x017F;ich i&#x017F;t.</p><lb/>
                  <fw place="bottom" type="catch">Was</fw><lb/>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[137/0185] Quantitaͤt. Den Begriff der reinen Quantitaͤt gegen die bloße Vorſtellung hat Spinoza, dem es vorzuͤglich auf den- ſelben ankam, im Sinne, indem er (Eth. P. I. Prop. XV. Schol.) auf folgende Weiſe von der Quantitaͤt ſpricht: Quantitas duobus modis à nobis concipitur, ab- ſtracte ſcilicet ſive ſuperficialiter, prout nempe ipſam imaginamur; vel ut ſubſtantia, quod a ſolo intellectu fit. Si itaque ad quantitatem attendimus, prout in imagina- tione eſt, quod ſaepe et facilius à nobis fit, reperietur finita, diviſibilis et ex partibus conflata, ſi autem ad ipſam, prout in intellectu eſt, attendimus, et eam, quatenus ſubſtantia eſt, concipimus, quod difficil- lime fit, — infinita, unica et indiviſibilis re- perietur. Quod omnibus, qui inter imaginationem et intellectum diſtinguere ſciverint, ſatis manifeſtum erit. Beſtimmtere Beyſpiele der reinen Quantitaͤt, wenn man deren verlangt, hat man an Raum und Zeit, auch der Materie uͤberhaupt, Licht u. ſ. f. ſelbſt Ich; nur iſt, wie ſchon bemerkt, darunter nicht das Quantum oder Groͤße uͤberhaupt, inſofern dieſe zunaͤchſt an das Quan- tum erinnert, zu verſtehen. Raum, Zeit u. ſ. f. ſind Ausdehnungen, Vielheiten, die ein Auſſer-ſich-gehen, ein Stroͤmen ſind, das aber nicht ins Entgegengeſetzte, in die Qualitaͤt oder in das Eins uͤbergeht, ſondern als Auſſerſichkommen ein perennirendes Selbſtproduciren ſind. Der Raum iſt diß abſolute Auſſerſichſeyn, das eben ſo ſehr ſchlechthin ununterbrochen, ein Anders- und Wieder-Andersſeyn, das identiſch mit ſich iſt; die Zeit ein abſolutes Auſſerſichkommen, ein Zunichte- werden, das ſtaͤtig wieder das Zunichtewerden dieſes Vergehens iſt; ſo daß diß ſich Erzeugen des Nichtſeyns eben ſo ſehr einfache Gleichheit und Identitaͤt mit ſich iſt. Was

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/185
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/185>, abgerufen am 23.11.2024.