Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.Erstes Buch. §. 36. Staat vermöge eines Auftrages desselben, würde zwar imAllgemeinen nicht für unzulässig zu halten sein, 1 jedoch steht ihr der jetzt herrschende Grundsatz der constitutionellen Staa- ten entgegen, daß Niemand seinem natürlichen, d. h. verfas- sungsmäßigen Richter entzogen werden dürfe. II. Jeder Staat kann nur nach seinen eigenen Gesetzen und mit Beobachtung seiner Procedurformen strafen. 2 III. Haben mehrere Staaten in demselben Falle ein concurrirendes Strafrecht, so ist jeder gleichmäßig berechtigt sein Strafamt, ungehindert durch den anderen, auszuüben, keiner aber auch verpflichtet, dem anderen die Priorität einzuräumen. Keine auswärtige Litispendenz bindet die Staaten in Criminalsa- chen. Selbst wenn der eine gestraft oder freigesprochen hat, könnte der andere auch noch seinerseits strafen, wenigstens noch das nach seinen Gesetzen fehlende Strafmaaß hinzufü- gen, wenn er nicht lieber den Grundsatz christlicher Milde: Non bis in idem gelten lassen will. 3 IV. Kein Staat ist schuldig, den anderen bei Ausübung des Strafrechts zu unterstützen, 4 oder auch die Straferkenntnisse des anderen als eine Wahrheit für sich anzuerkennen und zu vollziehen. 5 Selbst Bundesverhältnisse machen hierin ohne 1 Dies lehrt z. B. Martin, Lehrb. des Crim.-Proc. §. 20. 2 Sonst wollte man die Gesetze des Ortes des begangenen Verbrechens al- lein oder doch nebenbei berücksichtigt haben. Diese Meinung ist jetzt von allen Criminalisten mit wenigen Ausnahmen aufgegeben, auch in den neuen Strafgesetzgebungen. Die Strafe beruht auf einer obligatio ex lege ge- gen den Strafenden. 3 M. s. des Verf. Lehrb. des Crim. R. §. 180. 181. Not. 2. Schmid, a. a. O. §. 90. II. 4 Das Gegentheil ist allerdings oft von älteren und neueren Auctoritäten be- hauptet worden, z. B. von Schmid, a. a. O. §. 87. "eine allgemeine Pflicht der Staaten, die Erhaltung einer sittlich rechtlichen Ordnung unter den Menschen im Ganzen als ihren vornehmsten Zweck zu betrachten, da- her auch einander in der Handhabung der Strafgerechtigkeit beizustehen". Allein man kann dies nur als einen moralischen Gesichtspunct gelten las- sen, der das freie Ermessen des Einzelstaates nicht ausschließt, ob der con- crete Fall zu einer strafrechtlichen Verfolgung, wie sie der andere Staat beabsichtigt, wirklich geeignet sei. Gefordert werden kann hier Nichts! 5 Hierüber sind alle Neueren einverstanden (Foelix, p. 572.) und die Pra-
xis ist damit im Einklang, wenn nicht Verträge das Princip aufheben. Nur Erſtes Buch. §. 36. Staat vermöge eines Auftrages deſſelben, würde zwar imAllgemeinen nicht für unzuläſſig zu halten ſein, 1 jedoch ſteht ihr der jetzt herrſchende Grundſatz der conſtitutionellen Staa- ten entgegen, daß Niemand ſeinem natürlichen, d. h. verfaſ- ſungsmäßigen Richter entzogen werden dürfe. II. Jeder Staat kann nur nach ſeinen eigenen Geſetzen und mit Beobachtung ſeiner Procedurformen ſtrafen. 2 III. Haben mehrere Staaten in demſelben Falle ein concurrirendes Strafrecht, ſo iſt jeder gleichmäßig berechtigt ſein Strafamt, ungehindert durch den anderen, auszuüben, keiner aber auch verpflichtet, dem anderen die Priorität einzuräumen. Keine auswärtige Litispendenz bindet die Staaten in Criminalſa- chen. Selbſt wenn der eine geſtraft oder freigeſprochen hat, könnte der andere auch noch ſeinerſeits ſtrafen, wenigſtens noch das nach ſeinen Geſetzen fehlende Strafmaaß hinzufü- gen, wenn er nicht lieber den Grundſatz chriſtlicher Milde: Non bis in idem gelten laſſen will. 3 IV. Kein Staat iſt ſchuldig, den anderen bei Ausübung des Strafrechts zu unterſtützen, 4 oder auch die Straferkenntniſſe des anderen als eine Wahrheit für ſich anzuerkennen und zu vollziehen. 5 Selbſt Bundesverhältniſſe machen hierin ohne 1 Dies lehrt z. B. Martin, Lehrb. des Crim.-Proc. §. 20. 2 Sonſt wollte man die Geſetze des Ortes des begangenen Verbrechens al- lein oder doch nebenbei berückſichtigt haben. Dieſe Meinung iſt jetzt von allen Criminaliſten mit wenigen Ausnahmen aufgegeben, auch in den neuen Strafgeſetzgebungen. Die Strafe beruht auf einer obligatio ex lege ge- gen den Strafenden. 3 M. ſ. des Verf. Lehrb. des Crim. R. §. 180. 181. Not. 2. Schmid, a. a. O. §. 90. II. 4 Das Gegentheil iſt allerdings oft von älteren und neueren Auctoritäten be- hauptet worden, z. B. von Schmid, a. a. O. §. 87. „eine allgemeine Pflicht der Staaten, die Erhaltung einer ſittlich rechtlichen Ordnung unter den Menſchen im Ganzen als ihren vornehmſten Zweck zu betrachten, da- her auch einander in der Handhabung der Strafgerechtigkeit beizuſtehen“. Allein man kann dies nur als einen moraliſchen Geſichtspunct gelten laſ- ſen, der das freie Ermeſſen des Einzelſtaates nicht ausſchließt, ob der con- crete Fall zu einer ſtrafrechtlichen Verfolgung, wie ſie der andere Staat beabſichtigt, wirklich geeignet ſei. Gefordert werden kann hier Nichts! 5 Hierüber ſind alle Neueren einverſtanden (Foelix, p. 572.) und die Pra-
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Erſtes Buch. §. 36.
Staat vermöge eines Auftrages deſſelben, würde zwar im
Allgemeinen nicht für unzuläſſig zu halten ſein, 1 jedoch ſteht
ihr der jetzt herrſchende Grundſatz der conſtitutionellen Staa-
ten entgegen, daß Niemand ſeinem natürlichen, d. h. verfaſ-
ſungsmäßigen Richter entzogen werden dürfe.
II. Jeder Staat kann nur nach ſeinen eigenen Geſetzen und mit
Beobachtung ſeiner Procedurformen ſtrafen. 2
III. Haben mehrere Staaten in demſelben Falle ein concurrirendes
Strafrecht, ſo iſt jeder gleichmäßig berechtigt ſein Strafamt,
ungehindert durch den anderen, auszuüben, keiner aber auch
verpflichtet, dem anderen die Priorität einzuräumen. Keine
auswärtige Litispendenz bindet die Staaten in Criminalſa-
chen. Selbſt wenn der eine geſtraft oder freigeſprochen hat,
könnte der andere auch noch ſeinerſeits ſtrafen, wenigſtens
noch das nach ſeinen Geſetzen fehlende Strafmaaß hinzufü-
gen, wenn er nicht lieber den Grundſatz chriſtlicher Milde:
Non bis in idem gelten laſſen will. 3
IV. Kein Staat iſt ſchuldig, den anderen bei Ausübung des
Strafrechts zu unterſtützen, 4 oder auch die Straferkenntniſſe
des anderen als eine Wahrheit für ſich anzuerkennen und zu
vollziehen. 5 Selbſt Bundesverhältniſſe machen hierin ohne
1 Dies lehrt z. B. Martin, Lehrb. des Crim.-Proc. §. 20.
2 Sonſt wollte man die Geſetze des Ortes des begangenen Verbrechens al-
lein oder doch nebenbei berückſichtigt haben. Dieſe Meinung iſt jetzt von
allen Criminaliſten mit wenigen Ausnahmen aufgegeben, auch in den neuen
Strafgeſetzgebungen. Die Strafe beruht auf einer obligatio ex lege ge-
gen den Strafenden.
3 M. ſ. des Verf. Lehrb. des Crim. R. §. 180. 181. Not. 2. Schmid,
a. a. O. §. 90. II.
4 Das Gegentheil iſt allerdings oft von älteren und neueren Auctoritäten be-
hauptet worden, z. B. von Schmid, a. a. O. §. 87. „eine allgemeine
Pflicht der Staaten, die Erhaltung einer ſittlich rechtlichen Ordnung unter
den Menſchen im Ganzen als ihren vornehmſten Zweck zu betrachten, da-
her auch einander in der Handhabung der Strafgerechtigkeit beizuſtehen“.
Allein man kann dies nur als einen moraliſchen Geſichtspunct gelten laſ-
ſen, der das freie Ermeſſen des Einzelſtaates nicht ausſchließt, ob der con-
crete Fall zu einer ſtrafrechtlichen Verfolgung, wie ſie der andere Staat
beabſichtigt, wirklich geeignet ſei. Gefordert werden kann hier Nichts!
5 Hierüber ſind alle Neueren einverſtanden (Foelix, p. 572.) und die Pra-
xis iſt damit im Einklang, wenn nicht Verträge das Princip aufheben. Nur
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