Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.§. 32. Völkerrecht im Zustand des Friedens. anderen einen Verkehr mit solchen Artikeln abschneiden, derendieser Staat zu seiner Existenz wesentlich bedarf (§. 30.). III. Kein Staat kann ohne Feindseligkeit einer anderen Nation den unschädlichen Gebrauch von Land- und Wasserstraßen in seinem Gebiet versperren, um dadurch von einem dritten Ort die nöthigen geistigen oder leiblichen Bedürfnisse zu beziehen oder dahin zu führen. 1 IV. Kein Staat kann ohne Beleidigung und Verletzung einen an- deren Staat von der Verkehrsconcurrenz nach einem dritten Staat ausschließen, wenn dieser nicht selbst die Ausschließung will und geltend macht. 2 V. Jede Nation muß, wenn und so weit sie sich dem Verkehr öffnet, Treu und Glauben bewahren. Sie darf diese nicht zu ihrem Vortheil mißbrauchen; 3 nur eine sonst unabwend- bare Noth entschuldigt. VI. Jeder Handel und Verkehr, welcher den allgemeinen Men- schenrechten zuwiderläuft, ist geächtet. Niemand begeht ein Unrecht, wer ihn stört oder vernichtet. Dies ist das Gesetz des Sclavenhandels. Die Bestre- bungen der Europäischen Nationen gegen ihn, vornehmlich seit dem Wiener Congreß, 4 sind bekannt, aber noch nicht 1 Die Aelteren nennen es das ius transitus oder passagii innoxii, streiten aber darüber, ob es ein vollkommenes oder unvollkommenes Recht sei. Nur die Nothwendigkeit menschlicher Bedürfnisse giebt ein bestimmtes Recht, wie schon Cocceji und nach ihm Günther I, 225. Not. c. bemerkt hat. S. auch Pufendorf, J. N. III, 3, 6. Die Versagung von etwas dem Einen bloß Nützlichen, dem Anderen Unschädlichen ist höchstens ein unfreundliches Benehmen. Viele, z. B. Groot, II, 2, 13 und Vattel II, 123. 132 -- 134 nehmen auch hier ein Recht an, müssen aber natürlich das Urtheil über Schädlichkeit und Nichtschädlichkeit dem Eigenthümer vorbehalten. 2 Vormals wurden Prätensionen dieser Art auf Alleinhandel nach Ost- und Westindien gemacht. Begreiflich können Colonien eines Staates hier nicht als dritter Staat behandelt werden. Sie hängen von dem Mutterlande und dessen Bestimmung ab. Oft hat dieses sich den Alleinhandel dahin vorbehalten. Wir erinnern an die droits municipaux der Französischen Colonien. 3 Dahin gehört Verletzung des Postgeheimnisses. S. v. Kamptz, Lit. §. 94. 4 Pariser Frieden v. 1814 mit Großbritannien Zus. Art. 1. Declaration der
Bevollm. der 8 Europ. Mächte v. 8. Febr. 1815. Päbstl. Breve v. 3. Dcbr. 1839. Martens (Murhard) N. 5. XVI, 1034. Sodann verschiedene Spe- §. 32. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens. anderen einen Verkehr mit ſolchen Artikeln abſchneiden, derendieſer Staat zu ſeiner Exiſtenz weſentlich bedarf (§. 30.). III. Kein Staat kann ohne Feindſeligkeit einer anderen Nation den unſchädlichen Gebrauch von Land- und Waſſerſtraßen in ſeinem Gebiet verſperren, um dadurch von einem dritten Ort die nöthigen geiſtigen oder leiblichen Bedürfniſſe zu beziehen oder dahin zu führen. 1 IV. Kein Staat kann ohne Beleidigung und Verletzung einen an- deren Staat von der Verkehrsconcurrenz nach einem dritten Staat ausſchließen, wenn dieſer nicht ſelbſt die Ausſchließung will und geltend macht. 2 V. Jede Nation muß, wenn und ſo weit ſie ſich dem Verkehr öffnet, Treu und Glauben bewahren. Sie darf dieſe nicht zu ihrem Vortheil mißbrauchen; 3 nur eine ſonſt unabwend- bare Noth entſchuldigt. VI. Jeder Handel und Verkehr, welcher den allgemeinen Men- ſchenrechten zuwiderläuft, iſt geächtet. Niemand begeht ein Unrecht, wer ihn ſtört oder vernichtet. Dies iſt das Geſetz des Sclavenhandels. Die Beſtre- bungen der Europäiſchen Nationen gegen ihn, vornehmlich ſeit dem Wiener Congreß, 4 ſind bekannt, aber noch nicht 1 Die Aelteren nennen es das ius transitus oder passagii innoxii, ſtreiten aber darüber, ob es ein vollkommenes oder unvollkommenes Recht ſei. Nur die Nothwendigkeit menſchlicher Bedürfniſſe giebt ein beſtimmtes Recht, wie ſchon Cocceji und nach ihm Günther I, 225. Not. c. bemerkt hat. S. auch Pufendorf, J. N. III, 3, 6. Die Verſagung von etwas dem Einen bloß Nützlichen, dem Anderen Unſchädlichen iſt höchſtens ein unfreundliches Benehmen. Viele, z. B. Groot, II, 2, 13 und Vattel II, 123. 132 — 134 nehmen auch hier ein Recht an, müſſen aber natürlich das Urtheil über Schädlichkeit und Nichtſchädlichkeit dem Eigenthümer vorbehalten. 2 Vormals wurden Prätenſionen dieſer Art auf Alleinhandel nach Oſt- und Weſtindien gemacht. Begreiflich können Colonien eines Staates hier nicht als dritter Staat behandelt werden. Sie hängen von dem Mutterlande und deſſen Beſtimmung ab. Oft hat dieſes ſich den Alleinhandel dahin vorbehalten. Wir erinnern an die droits municipaux der Franzöſiſchen Colonien. 3 Dahin gehört Verletzung des Poſtgeheimniſſes. S. v. Kamptz, Lit. §. 94. 4 Pariſer Frieden v. 1814 mit Großbritannien Zuſ. Art. 1. Declaration der
Bevollm. der 8 Europ. Mächte v. 8. Febr. 1815. Päbſtl. Breve v. 3. Dcbr. 1839. Martens (Murhard) N. 5. XVI, 1034. Sodann verſchiedene Spe- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <list> <item><pb facs="#f0081" n="57"/><fw place="top" type="header">§. 32. <hi rendition="#g">Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens</hi>.</fw><lb/> anderen einen Verkehr mit ſolchen Artikeln abſchneiden, deren<lb/> dieſer Staat zu ſeiner Exiſtenz weſentlich bedarf (§. 30.).</item><lb/> <item><hi rendition="#aq">III.</hi> Kein Staat kann ohne Feindſeligkeit einer anderen Nation<lb/> den unſchädlichen Gebrauch von Land- und Waſſerſtraßen in<lb/> ſeinem Gebiet verſperren, um dadurch von einem dritten Ort<lb/> die nöthigen geiſtigen oder leiblichen Bedürfniſſe zu beziehen<lb/> oder dahin zu führen. <note place="foot" n="1">Die Aelteren nennen es das <hi rendition="#aq">ius transitus</hi> oder <hi rendition="#aq">passagii innoxii,</hi> ſtreiten<lb/> aber darüber, ob es ein vollkommenes oder unvollkommenes Recht ſei. Nur<lb/> die Nothwendigkeit menſchlicher Bedürfniſſe giebt ein beſtimmtes Recht, wie<lb/> ſchon Cocceji und nach ihm Günther <hi rendition="#aq">I,</hi> 225. Not. <hi rendition="#aq">c.</hi> bemerkt hat. S.<lb/> auch Pufendorf, <hi rendition="#aq">J. N. III,</hi> 3, 6. Die Verſagung von etwas dem Einen<lb/> bloß Nützlichen, dem Anderen Unſchädlichen iſt höchſtens ein unfreundliches<lb/> Benehmen. Viele, z. B. Groot, <hi rendition="#aq">II,</hi> 2, 13 und Vattel <hi rendition="#aq">II,</hi> 123. 132 —<lb/> 134 nehmen auch hier ein Recht an, müſſen aber natürlich das Urtheil<lb/> über Schädlichkeit und Nichtſchädlichkeit dem Eigenthümer vorbehalten.</note></item><lb/> <item><hi rendition="#aq">IV.</hi> Kein Staat kann ohne Beleidigung und Verletzung einen an-<lb/> deren Staat von der Verkehrsconcurrenz nach einem dritten<lb/> Staat ausſchließen, wenn dieſer nicht ſelbſt die Ausſchließung<lb/> will und geltend macht. <note place="foot" n="2">Vormals wurden Prätenſionen dieſer Art auf Alleinhandel nach Oſt- und<lb/> Weſtindien gemacht. Begreiflich können Colonien eines Staates hier nicht<lb/> als dritter Staat behandelt werden. Sie hängen von dem Mutterlande<lb/> und deſſen Beſtimmung ab. Oft hat dieſes ſich den Alleinhandel dahin<lb/> vorbehalten. Wir erinnern an die <hi rendition="#aq">droits municipaux</hi> der Franzöſiſchen<lb/> Colonien.</note></item><lb/> <item><hi rendition="#aq">V.</hi> Jede Nation muß, wenn und ſo weit ſie ſich dem Verkehr<lb/> öffnet, Treu und Glauben bewahren. Sie darf dieſe nicht<lb/> zu ihrem Vortheil mißbrauchen; <note place="foot" n="3">Dahin gehört Verletzung des Poſtgeheimniſſes. S. v. Kamptz, Lit. §. 94.</note> nur eine ſonſt unabwend-<lb/> bare Noth entſchuldigt.</item><lb/> <item><hi rendition="#aq">VI.</hi> Jeder Handel und Verkehr, welcher den allgemeinen Men-<lb/> ſchenrechten zuwiderläuft, iſt geächtet. Niemand begeht ein<lb/> Unrecht, wer ihn ſtört oder vernichtet.<lb/><hi rendition="#et">Dies iſt das Geſetz des Sclavenhandels. Die Beſtre-<lb/> bungen der Europäiſchen Nationen gegen ihn, vornehmlich<lb/> ſeit dem Wiener Congreß, <note xml:id="note-0081" next="#note-0082" place="foot" n="4">Pariſer Frieden v. 1814 mit Großbritannien Zuſ. Art. 1. Declaration der<lb/> Bevollm. der 8 Europ. Mächte v. 8. Febr. 1815. Päbſtl. Breve v. 3. Dcbr.<lb/> 1839. <hi rendition="#aq">Martens (Murhard) N. 5. XVI,</hi> 1034. Sodann verſchiedene Spe-</note> ſind bekannt, aber noch nicht</hi><lb/></item> </list> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [57/0081]
§. 32. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens.
anderen einen Verkehr mit ſolchen Artikeln abſchneiden, deren
dieſer Staat zu ſeiner Exiſtenz weſentlich bedarf (§. 30.).
III. Kein Staat kann ohne Feindſeligkeit einer anderen Nation
den unſchädlichen Gebrauch von Land- und Waſſerſtraßen in
ſeinem Gebiet verſperren, um dadurch von einem dritten Ort
die nöthigen geiſtigen oder leiblichen Bedürfniſſe zu beziehen
oder dahin zu führen. 1
IV. Kein Staat kann ohne Beleidigung und Verletzung einen an-
deren Staat von der Verkehrsconcurrenz nach einem dritten
Staat ausſchließen, wenn dieſer nicht ſelbſt die Ausſchließung
will und geltend macht. 2
V. Jede Nation muß, wenn und ſo weit ſie ſich dem Verkehr
öffnet, Treu und Glauben bewahren. Sie darf dieſe nicht
zu ihrem Vortheil mißbrauchen; 3 nur eine ſonſt unabwend-
bare Noth entſchuldigt.
VI. Jeder Handel und Verkehr, welcher den allgemeinen Men-
ſchenrechten zuwiderläuft, iſt geächtet. Niemand begeht ein
Unrecht, wer ihn ſtört oder vernichtet.
Dies iſt das Geſetz des Sclavenhandels. Die Beſtre-
bungen der Europäiſchen Nationen gegen ihn, vornehmlich
ſeit dem Wiener Congreß, 4 ſind bekannt, aber noch nicht
1 Die Aelteren nennen es das ius transitus oder passagii innoxii, ſtreiten
aber darüber, ob es ein vollkommenes oder unvollkommenes Recht ſei. Nur
die Nothwendigkeit menſchlicher Bedürfniſſe giebt ein beſtimmtes Recht, wie
ſchon Cocceji und nach ihm Günther I, 225. Not. c. bemerkt hat. S.
auch Pufendorf, J. N. III, 3, 6. Die Verſagung von etwas dem Einen
bloß Nützlichen, dem Anderen Unſchädlichen iſt höchſtens ein unfreundliches
Benehmen. Viele, z. B. Groot, II, 2, 13 und Vattel II, 123. 132 —
134 nehmen auch hier ein Recht an, müſſen aber natürlich das Urtheil
über Schädlichkeit und Nichtſchädlichkeit dem Eigenthümer vorbehalten.
2 Vormals wurden Prätenſionen dieſer Art auf Alleinhandel nach Oſt- und
Weſtindien gemacht. Begreiflich können Colonien eines Staates hier nicht
als dritter Staat behandelt werden. Sie hängen von dem Mutterlande
und deſſen Beſtimmung ab. Oft hat dieſes ſich den Alleinhandel dahin
vorbehalten. Wir erinnern an die droits municipaux der Franzöſiſchen
Colonien.
3 Dahin gehört Verletzung des Poſtgeheimniſſes. S. v. Kamptz, Lit. §. 94.
4 Pariſer Frieden v. 1814 mit Großbritannien Zuſ. Art. 1. Declaration der
Bevollm. der 8 Europ. Mächte v. 8. Febr. 1815. Päbſtl. Breve v. 3. Dcbr.
1839. Martens (Murhard) N. 5. XVI, 1034. Sodann verſchiedene Spe-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |