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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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möglich werden, die Gerechtigkeit und das allgemeine menschliche
Interesse zur Basis und zum Gegenstand ihrer Wirksamkeit zu ma-
chen: dann erscheint als nächstes Problem in der civilisirten euro-
päischen Welt eine aufrichtige Verbindung zwischen Deutschland
und Frankreich nach freiem und gleichem Recht, worauf schon
Männer diesseits und jenseits des Rheines gedeutet haben. Beide
allein würden in ihrer Einigkeit im Stande sein, den Frieden und
das Recht des Continentes zu sichern. Zum Weltfrieden, zu einem
großen Weltrecht mit practischer positiver Ausdehnung über die
Grenzen Europas hinaus würde der Verein werden, wenn ihm
Großbritannien beiträte, wenn sein altenglisches Kernvolk seiner Be-
fangenheit sich entschlagen könnte; eine germanische Einheit dann, de-
ren sich auch die scandinavischen Bruderstaaten nicht entziehen wür-
den. Möchte dann immer der Osten dem Slavismus und dem
in ihm erneuerten christlichen Griechenthum verfallen. Aber die
Leiter der europäischen Politik können dergleichen erst wollen, wenn
die Völker selbst schon sittlich vollendeter sind und darauf hinsteuern.

Gewiß ist eine solche Vereinigung von Nationen kein ungeschicht-
liches Traumbild. Es gab eine Zeit, wo alle germanischen und roma-
nischen Völker für das größeste Ziel, welches die Religion ihrer Zeit
darbot, mit gleichem Eifer kämpften -- die Zeit der Kreuzzüge.
Dieselbe Idee kann nicht mit gleicher Stärke oder überhaupt nicht
wiederkehren; die Zeit der bloßen Gemüthsreligion ist vorüber;
aber eine andere practische Idee könnte und sollte es, die Religion
der allgemeinen Menschenliebe; und demnach Ausdehnung dorthin,
wo sie noch fehlt, ohne das Vaterland aufzugeben. Wie unendlich
viel wäre dafür zu thun! Und wie armselig ist dagegen unsere Zeit
mit all ihren Reichthümern und Genüssen! Kein Märtyrerthum,
keine politische Tugend! Keine große Idee und Erfindung, woran
sich nicht auch der Egoismus hängt. Eisenbahnen, Industrie, Han-
del, selbst die Wissenschaft dienen ihm, und doch können gerade sie
auch dem höhern Ziele dienen.



Wir wollen daran nicht verzweifeln. Nicht hoffnungslos will
auch ich scheiden. Der Friedhof sei am Kyffhäuser.



Anhang.
möglich werden, die Gerechtigkeit und das allgemeine menſchliche
Intereſſe zur Baſis und zum Gegenſtand ihrer Wirkſamkeit zu ma-
chen: dann erſcheint als nächſtes Problem in der civiliſirten euro-
päiſchen Welt eine aufrichtige Verbindung zwiſchen Deutſchland
und Frankreich nach freiem und gleichem Recht, worauf ſchon
Männer dieſſeits und jenſeits des Rheines gedeutet haben. Beide
allein würden in ihrer Einigkeit im Stande ſein, den Frieden und
das Recht des Continentes zu ſichern. Zum Weltfrieden, zu einem
großen Weltrecht mit practiſcher poſitiver Ausdehnung über die
Grenzen Europas hinaus würde der Verein werden, wenn ihm
Großbritannien beiträte, wenn ſein altengliſches Kernvolk ſeiner Be-
fangenheit ſich entſchlagen könnte; eine germaniſche Einheit dann, de-
ren ſich auch die ſcandinaviſchen Bruderſtaaten nicht entziehen wür-
den. Möchte dann immer der Oſten dem Slavismus und dem
in ihm erneuerten chriſtlichen Griechenthum verfallen. Aber die
Leiter der europäiſchen Politik können dergleichen erſt wollen, wenn
die Völker ſelbſt ſchon ſittlich vollendeter ſind und darauf hinſteuern.

Gewiß iſt eine ſolche Vereinigung von Nationen kein ungeſchicht-
liches Traumbild. Es gab eine Zeit, wo alle germaniſchen und roma-
niſchen Völker für das größeſte Ziel, welches die Religion ihrer Zeit
darbot, mit gleichem Eifer kämpften — die Zeit der Kreuzzüge.
Dieſelbe Idee kann nicht mit gleicher Stärke oder überhaupt nicht
wiederkehren; die Zeit der bloßen Gemüthsreligion iſt vorüber;
aber eine andere practiſche Idee könnte und ſollte es, die Religion
der allgemeinen Menſchenliebe; und demnach Ausdehnung dorthin,
wo ſie noch fehlt, ohne das Vaterland aufzugeben. Wie unendlich
viel wäre dafür zu thun! Und wie armſelig iſt dagegen unſere Zeit
mit all ihren Reichthümern und Genüſſen! Kein Märtyrerthum,
keine politiſche Tugend! Keine große Idee und Erfindung, woran
ſich nicht auch der Egoismus hängt. Eiſenbahnen, Induſtrie, Han-
del, ſelbſt die Wiſſenſchaft dienen ihm, und doch können gerade ſie
auch dem höhern Ziele dienen.



Wir wollen daran nicht verzweifeln. Nicht hoffnungslos will
auch ich ſcheiden. Der Friedhof ſei am Kyffhäuſer.



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[408/0432] Anhang. möglich werden, die Gerechtigkeit und das allgemeine menſchliche Intereſſe zur Baſis und zum Gegenſtand ihrer Wirkſamkeit zu ma- chen: dann erſcheint als nächſtes Problem in der civiliſirten euro- päiſchen Welt eine aufrichtige Verbindung zwiſchen Deutſchland und Frankreich nach freiem und gleichem Recht, worauf ſchon Männer dieſſeits und jenſeits des Rheines gedeutet haben. Beide allein würden in ihrer Einigkeit im Stande ſein, den Frieden und das Recht des Continentes zu ſichern. Zum Weltfrieden, zu einem großen Weltrecht mit practiſcher poſitiver Ausdehnung über die Grenzen Europas hinaus würde der Verein werden, wenn ihm Großbritannien beiträte, wenn ſein altengliſches Kernvolk ſeiner Be- fangenheit ſich entſchlagen könnte; eine germaniſche Einheit dann, de- ren ſich auch die ſcandinaviſchen Bruderſtaaten nicht entziehen wür- den. Möchte dann immer der Oſten dem Slavismus und dem in ihm erneuerten chriſtlichen Griechenthum verfallen. Aber die Leiter der europäiſchen Politik können dergleichen erſt wollen, wenn die Völker ſelbſt ſchon ſittlich vollendeter ſind und darauf hinſteuern. Gewiß iſt eine ſolche Vereinigung von Nationen kein ungeſchicht- liches Traumbild. Es gab eine Zeit, wo alle germaniſchen und roma- niſchen Völker für das größeſte Ziel, welches die Religion ihrer Zeit darbot, mit gleichem Eifer kämpften — die Zeit der Kreuzzüge. Dieſelbe Idee kann nicht mit gleicher Stärke oder überhaupt nicht wiederkehren; die Zeit der bloßen Gemüthsreligion iſt vorüber; aber eine andere practiſche Idee könnte und ſollte es, die Religion der allgemeinen Menſchenliebe; und demnach Ausdehnung dorthin, wo ſie noch fehlt, ohne das Vaterland aufzugeben. Wie unendlich viel wäre dafür zu thun! Und wie armſelig iſt dagegen unſere Zeit mit all ihren Reichthümern und Genüſſen! Kein Märtyrerthum, keine politiſche Tugend! Keine große Idee und Erfindung, woran ſich nicht auch der Egoismus hängt. Eiſenbahnen, Induſtrie, Han- del, ſelbſt die Wiſſenſchaft dienen ihm, und doch können gerade ſie auch dem höhern Ziele dienen. Wir wollen daran nicht verzweifeln. Nicht hoffnungslos will auch ich ſcheiden. Der Friedhof ſei am Kyffhäuſer.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/432>, abgerufen am 22.12.2024.