dere Abgeordnete Theil nehmen. Es gehört dazu keine Vielheit von Souveränen, sondern es kann auch schon unter zweien allein zu einem Congresse kommen.
In älterer Zeit kannte man vornehmlich nur Friedenscongresse zum Zwecke einer Pacification und daneben persönliche Zusammen- künfte der Souveräne, letztere jedoch mehr zu persönlichen Bespre- chungen und Entschließungen oder zu blos particulären Vertrags- schlüssen. Das gegenwärtige Jahrhundert hat zuerst das Beispiel von Congressen und Gesammtverhandlungen dabei ergeben, mit dem Zweck einen bereits eingetretenen Friedenszustand zu befestigen, wei- ter auszuführen, oder drohende Gefahren abzuwenden, überhaupt über Verhältnisse von allgemeiner Wichtigkeit gemeinschaftliche Beschlüsse zu fassen. Ohne die Nichtanwesenheit von Souveränen hat man die Congresse bloßer Abgeordneten auch wohl nur durch "Confe- renzen" bezeichnet.
Die Vorzüge der Congresse vor blos particulären Verhandlun- gen sind evident, obwohl nicht immer die Politik der Staaten dazu rathen wird. 1
Veranlassung zu dem Zusammentreten eines Congresses oder einer Ministerial-Conferenz kann im Allgemeinen jede Macht ge- ben. Man verständigt sich in präliminären Verhandlungen oder Verträgen über Zweck, Ort und Form. Dritte Mächte können eine Theilnahme in der Regel nicht als Recht fordern, sondern nur Maaßregeln gegen etwanige präjudicirliche Richtungen ergreifen.
Die Congreßverhandlungen selbst beginnen mit Auswechselung der Legitimationen und mit der Einrichtung eines bestimmten Ge- schäftsganges, z. B. durch Bildung einer besonderen Canzlei und ein- zelner Comites oder Bureaus. Die Leitung der gemeinschaftlichen Verhandlungen wird entweder einem angenommenen Vermittler überlassen, oder es wird ein eigener Vorsitzender gewählt, oder, wie beim Wiener Congreß, ein leitendes Conseil constituirt. Ne- ben den gemeinschaftlichen Congreßverhandlungen können demnächst auch Particularverhandlungen unter einzelnen Betheiligten Statt finden. Die Resultate der Conferenzen werden in Protocollen nieder- gelegt, welche von den Theilnehmern nach vorheriger genauer Kennt- nißnahme unterzeichnet worden. Alle Vereinbarungen endlich, so- weit sie mit dem gemeinsamen Zweck des Congresses in Verbin-
1 Vgl. Mably I, 146.
Drittes Buch. §. 244.
dere Abgeordnete Theil nehmen. Es gehört dazu keine Vielheit von Souveränen, ſondern es kann auch ſchon unter zweien allein zu einem Congreſſe kommen.
In älterer Zeit kannte man vornehmlich nur Friedenscongreſſe zum Zwecke einer Pacification und daneben perſönliche Zuſammen- künfte der Souveräne, letztere jedoch mehr zu perſönlichen Beſpre- chungen und Entſchließungen oder zu blos particulären Vertrags- ſchlüſſen. Das gegenwärtige Jahrhundert hat zuerſt das Beiſpiel von Congreſſen und Geſammtverhandlungen dabei ergeben, mit dem Zweck einen bereits eingetretenen Friedenszuſtand zu befeſtigen, wei- ter auszuführen, oder drohende Gefahren abzuwenden, überhaupt über Verhältniſſe von allgemeiner Wichtigkeit gemeinſchaftliche Beſchlüſſe zu faſſen. Ohne die Nichtanweſenheit von Souveränen hat man die Congreſſe bloßer Abgeordneten auch wohl nur durch „Confe- renzen“ bezeichnet.
Die Vorzüge der Congreſſe vor blos particulären Verhandlun- gen ſind evident, obwohl nicht immer die Politik der Staaten dazu rathen wird. 1
Veranlaſſung zu dem Zuſammentreten eines Congreſſes oder einer Miniſterial-Conferenz kann im Allgemeinen jede Macht ge- ben. Man verſtändigt ſich in präliminären Verhandlungen oder Verträgen über Zweck, Ort und Form. Dritte Mächte können eine Theilnahme in der Regel nicht als Recht fordern, ſondern nur Maaßregeln gegen etwanige präjudicirliche Richtungen ergreifen.
Die Congreßverhandlungen ſelbſt beginnen mit Auswechſelung der Legitimationen und mit der Einrichtung eines beſtimmten Ge- ſchaͤftsganges, z. B. durch Bildung einer beſonderen Canzlei und ein- zelner Comités oder Bureaus. Die Leitung der gemeinſchaftlichen Verhandlungen wird entweder einem angenommenen Vermittler überlaſſen, oder es wird ein eigener Vorſitzender gewählt, oder, wie beim Wiener Congreß, ein leitendes Conſeil conſtituirt. Ne- ben den gemeinſchaftlichen Congreßverhandlungen können demnächſt auch Particularverhandlungen unter einzelnen Betheiligten Statt finden. Die Reſultate der Conferenzen werden in Protocollen nieder- gelegt, welche von den Theilnehmern nach vorheriger genauer Kennt- nißnahme unterzeichnet worden. Alle Vereinbarungen endlich, ſo- weit ſie mit dem gemeinſamen Zweck des Congreſſes in Verbin-
1 Vgl. Mably I, 146.
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Drittes Buch. §. 244.
dere Abgeordnete Theil nehmen. Es gehört dazu keine Vielheit von
Souveränen, ſondern es kann auch ſchon unter zweien allein zu
einem Congreſſe kommen.
In älterer Zeit kannte man vornehmlich nur Friedenscongreſſe
zum Zwecke einer Pacification und daneben perſönliche Zuſammen-
künfte der Souveräne, letztere jedoch mehr zu perſönlichen Beſpre-
chungen und Entſchließungen oder zu blos particulären Vertrags-
ſchlüſſen. Das gegenwärtige Jahrhundert hat zuerſt das Beiſpiel
von Congreſſen und Geſammtverhandlungen dabei ergeben, mit dem
Zweck einen bereits eingetretenen Friedenszuſtand zu befeſtigen, wei-
ter auszuführen, oder drohende Gefahren abzuwenden, überhaupt über
Verhältniſſe von allgemeiner Wichtigkeit gemeinſchaftliche Beſchlüſſe
zu faſſen. Ohne die Nichtanweſenheit von Souveränen hat man
die Congreſſe bloßer Abgeordneten auch wohl nur durch „Confe-
renzen“ bezeichnet.
Die Vorzüge der Congreſſe vor blos particulären Verhandlun-
gen ſind evident, obwohl nicht immer die Politik der Staaten dazu
rathen wird. 1
Veranlaſſung zu dem Zuſammentreten eines Congreſſes oder
einer Miniſterial-Conferenz kann im Allgemeinen jede Macht ge-
ben. Man verſtändigt ſich in präliminären Verhandlungen oder
Verträgen über Zweck, Ort und Form. Dritte Mächte können
eine Theilnahme in der Regel nicht als Recht fordern, ſondern nur
Maaßregeln gegen etwanige präjudicirliche Richtungen ergreifen.
Die Congreßverhandlungen ſelbſt beginnen mit Auswechſelung
der Legitimationen und mit der Einrichtung eines beſtimmten Ge-
ſchaͤftsganges, z. B. durch Bildung einer beſonderen Canzlei und ein-
zelner Comités oder Bureaus. Die Leitung der gemeinſchaftlichen
Verhandlungen wird entweder einem angenommenen Vermittler
überlaſſen, oder es wird ein eigener Vorſitzender gewählt, oder,
wie beim Wiener Congreß, ein leitendes Conſeil conſtituirt. Ne-
ben den gemeinſchaftlichen Congreßverhandlungen können demnächſt
auch Particularverhandlungen unter einzelnen Betheiligten Statt
finden. Die Reſultate der Conferenzen werden in Protocollen nieder-
gelegt, welche von den Theilnehmern nach vorheriger genauer Kennt-
nißnahme unterzeichnet worden. Alle Vereinbarungen endlich, ſo-
weit ſie mit dem gemeinſamen Zweck des Congreſſes in Verbin-
1 Vgl. Mably I, 146.
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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/418>, abgerufen am 16.07.2024.
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