Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

Drittes Buch. §. 241.
Gedanken klar und in reiner edler Form darzustellen, gemessen und
ernst, fern von Pathos und ohne Wortputz. Sie muß die reine
Objectivität der Dinge in sich tragen, die leichte Hülle einer logi-
schen Gedankenfolge sein; sie verträgt sich weder mit metaphysi-
schen Spitzen noch auch mit der Sprache des Redners. 1

Das Gewicht, was auf diplomatischen Erklärungen ruht, die
Achtung, welche der andere Theil seiner völkerrechtlichen Stellung
nach fordern kann, bringt unstreitig die Verpflichtung mit sich, je-
der diplomatischen Production, ja selbst derjenigen, welche bloßen
Cerimonialzwecken dient, eine besondere Aufmerksamkeit zu widmen.
Schon leichte Verstöße und Nachlässigkeiten können Mißverständ-
nisse zur Folge haben, wenn es auch unpassend wäre, jeden Feh-
ler mit gleicher Strenge zu behandeln. Laufen sie nur gegen den ge-
wöhnlichen Gebrauch, ohne daß sie an sich verletzend sind, wie z. B.
sogenannte Canzleifehler, so übersieht man sie entweder oder rügt
sie bei weiterer Communication nur durch einen beigefügten außeroffi-
ciellen Canzleizettel, oder man verfährt seinerseits in gleicher Weise,
wie der absendende Theil. Sind die Fehler von größerer Bedeu-
tung und wohl gar verletzend, so nimmt man die Mittheilung ent-
weder gar nicht an, oder verlangt dafür Genugthuung. 2

Correspondenz der Souveräne selbst.

241. Correspondiren die Souveräne unter Einander selbst in
Staatsangelegenheiten auf eine obligatorische Weise, so pflegt sich
dieses mehr nur auf Aeußerlichkeiten zu beschränken und in allge-
meinen Wendungen zu halten, als in die Sachen einzugehen. Die
Mittheilungen enthalten meistens eine auctoritatis interpositio für
die Handlungen ihrer Agenten, oder Empfehlungen bestimmter Per-
sonen und Angelegenheiten. Sie bestehen entweder in förmlichen

1 Treffend sagt darüber Flassan in seinem discours preliminaire zur hist.
de la dipl. franc.: "Le style diplomatique a quelque sujet, qu'il s'ap-
plique, ne doit pas etre celui de l'academicien mais celui d'un penseur
froid, revetant d'une expression pure et exacte une logique non inter-
rompue. La chaleur qui fait presque toujours le succes de l'eloquence
doit en etre exclue."
2 Vgl. über Obiges: Fr. Carl Moser Versuch einer Staatsgrammatik. Des-
selben Abhandl. von Canzleifehlern (kleine Schriften V, 229.). Von Ahn-
dung fehlerhafter Schreiben. Frankfurt 1750.

Drittes Buch. §. 241.
Gedanken klar und in reiner edler Form darzuſtellen, gemeſſen und
ernſt, fern von Pathos und ohne Wortputz. Sie muß die reine
Objectivität der Dinge in ſich tragen, die leichte Hülle einer logi-
ſchen Gedankenfolge ſein; ſie verträgt ſich weder mit metaphyſi-
ſchen Spitzen noch auch mit der Sprache des Redners. 1

Das Gewicht, was auf diplomatiſchen Erklärungen ruht, die
Achtung, welche der andere Theil ſeiner völkerrechtlichen Stellung
nach fordern kann, bringt unſtreitig die Verpflichtung mit ſich, je-
der diplomatiſchen Production, ja ſelbſt derjenigen, welche bloßen
Cerimonialzwecken dient, eine beſondere Aufmerkſamkeit zu widmen.
Schon leichte Verſtöße und Nachläſſigkeiten können Mißverſtänd-
niſſe zur Folge haben, wenn es auch unpaſſend wäre, jeden Feh-
ler mit gleicher Strenge zu behandeln. Laufen ſie nur gegen den ge-
wöhnlichen Gebrauch, ohne daß ſie an ſich verletzend ſind, wie z. B.
ſogenannte Canzleifehler, ſo überſieht man ſie entweder oder rügt
ſie bei weiterer Communication nur durch einen beigefügten außeroffi-
ciellen Canzleizettel, oder man verfährt ſeinerſeits in gleicher Weiſe,
wie der abſendende Theil. Sind die Fehler von größerer Bedeu-
tung und wohl gar verletzend, ſo nimmt man die Mittheilung ent-
weder gar nicht an, oder verlangt dafür Genugthuung. 2

Correſpondenz der Souveräne ſelbſt.

241. Correſpondiren die Souveräne unter Einander ſelbſt in
Staatsangelegenheiten auf eine obligatoriſche Weiſe, ſo pflegt ſich
dieſes mehr nur auf Aeußerlichkeiten zu beſchränken und in allge-
meinen Wendungen zu halten, als in die Sachen einzugehen. Die
Mittheilungen enthalten meiſtens eine auctoritatis interpositio für
die Handlungen ihrer Agenten, oder Empfehlungen beſtimmter Per-
ſonen und Angelegenheiten. Sie beſtehen entweder in förmlichen

1 Treffend ſagt darüber Flaſſan in ſeinem discours préliminaire zur hist.
de la dipl. franç.: „Le style diplomatique à quelque sujet, qu’il s’ap-
plique, ne doit pas être celui de l’academicien mais celui d’un penseur
froid, revêtant d’une expression pure et exacte une logique non inter-
rompue. La chaleur qui fait presque toujours le succès de l’éloquence
doit en être exclue.“
2 Vgl. über Obiges: Fr. Carl Moſer Verſuch einer Staatsgrammatik. Deſ-
ſelben Abhandl. von Canzleifehlern (kleine Schriften V, 229.). Von Ahn-
dung fehlerhafter Schreiben. Frankfurt 1750.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0414" n="390"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Drittes Buch</hi>. §. 241.</fw><lb/>
Gedanken klar und in reiner edler Form darzu&#x017F;tellen, geme&#x017F;&#x017F;en und<lb/>
ern&#x017F;t, fern von Pathos und ohne Wortputz. Sie muß die reine<lb/>
Objectivität der Dinge in &#x017F;ich tragen, die leichte Hülle einer logi-<lb/>
&#x017F;chen Gedankenfolge &#x017F;ein; &#x017F;ie verträgt &#x017F;ich weder mit metaphy&#x017F;i-<lb/>
&#x017F;chen Spitzen noch auch mit der Sprache des Redners. <note place="foot" n="1">Treffend &#x017F;agt darüber Fla&#x017F;&#x017F;an in &#x017F;einem <hi rendition="#aq">discours préliminaire</hi> zur <hi rendition="#aq">hist.<lb/>
de la dipl. franç.: &#x201E;Le style diplomatique à quelque sujet, qu&#x2019;il s&#x2019;ap-<lb/>
plique, ne doit pas être celui de l&#x2019;academicien mais celui d&#x2019;un penseur<lb/>
froid, revêtant d&#x2019;une expression pure et exacte une logique non inter-<lb/>
rompue. La chaleur qui fait presque toujours le succès de l&#x2019;éloquence<lb/>
doit en être exclue.&#x201C;</hi></note></p><lb/>
              <p>Das Gewicht, was auf diplomati&#x017F;chen Erklärungen ruht, die<lb/>
Achtung, welche der andere Theil &#x017F;einer völkerrechtlichen Stellung<lb/>
nach fordern kann, bringt un&#x017F;treitig die Verpflichtung mit &#x017F;ich, je-<lb/>
der diplomati&#x017F;chen Production, ja &#x017F;elb&#x017F;t derjenigen, welche bloßen<lb/>
Cerimonialzwecken dient, eine be&#x017F;ondere Aufmerk&#x017F;amkeit zu widmen.<lb/>
Schon leichte Ver&#x017F;töße und Nachlä&#x017F;&#x017F;igkeiten können Mißver&#x017F;tänd-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e zur Folge haben, wenn es auch unpa&#x017F;&#x017F;end wäre, jeden Feh-<lb/>
ler mit gleicher Strenge zu behandeln. Laufen &#x017F;ie nur gegen den ge-<lb/>
wöhnlichen Gebrauch, ohne daß &#x017F;ie an &#x017F;ich verletzend &#x017F;ind, wie z. B.<lb/>
&#x017F;ogenannte Canzleifehler, &#x017F;o über&#x017F;ieht man &#x017F;ie entweder oder rügt<lb/>
&#x017F;ie bei weiterer Communication nur durch einen beigefügten außeroffi-<lb/>
ciellen Canzleizettel, oder man verfährt &#x017F;einer&#x017F;eits in gleicher Wei&#x017F;e,<lb/>
wie der ab&#x017F;endende Theil. Sind die Fehler von größerer Bedeu-<lb/>
tung und wohl gar verletzend, &#x017F;o nimmt man die Mittheilung ent-<lb/>
weder gar nicht an, oder verlangt dafür Genugthuung. <note place="foot" n="2">Vgl. über Obiges: Fr. Carl Mo&#x017F;er Ver&#x017F;uch einer Staatsgrammatik. De&#x017F;-<lb/>
&#x017F;elben Abhandl. von Canzleifehlern (kleine Schriften <hi rendition="#aq">V,</hi> 229.). Von Ahn-<lb/>
dung fehlerhafter Schreiben. Frankfurt 1750.</note></p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>Corre&#x017F;pondenz der Souveräne &#x017F;elb&#x017F;t.</head><lb/>
              <p>241. Corre&#x017F;pondiren die Souveräne unter Einander &#x017F;elb&#x017F;t in<lb/>
Staatsangelegenheiten auf eine obligatori&#x017F;che Wei&#x017F;e, &#x017F;o pflegt &#x017F;ich<lb/>
die&#x017F;es mehr nur auf Aeußerlichkeiten zu be&#x017F;chränken und in allge-<lb/>
meinen Wendungen zu halten, als in die Sachen einzugehen. Die<lb/>
Mittheilungen enthalten mei&#x017F;tens eine <hi rendition="#aq">auctoritatis interpositio</hi> für<lb/>
die Handlungen ihrer Agenten, oder Empfehlungen be&#x017F;timmter Per-<lb/>
&#x017F;onen und Angelegenheiten. Sie be&#x017F;tehen entweder in förmlichen<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[390/0414] Drittes Buch. §. 241. Gedanken klar und in reiner edler Form darzuſtellen, gemeſſen und ernſt, fern von Pathos und ohne Wortputz. Sie muß die reine Objectivität der Dinge in ſich tragen, die leichte Hülle einer logi- ſchen Gedankenfolge ſein; ſie verträgt ſich weder mit metaphyſi- ſchen Spitzen noch auch mit der Sprache des Redners. 1 Das Gewicht, was auf diplomatiſchen Erklärungen ruht, die Achtung, welche der andere Theil ſeiner völkerrechtlichen Stellung nach fordern kann, bringt unſtreitig die Verpflichtung mit ſich, je- der diplomatiſchen Production, ja ſelbſt derjenigen, welche bloßen Cerimonialzwecken dient, eine beſondere Aufmerkſamkeit zu widmen. Schon leichte Verſtöße und Nachläſſigkeiten können Mißverſtänd- niſſe zur Folge haben, wenn es auch unpaſſend wäre, jeden Feh- ler mit gleicher Strenge zu behandeln. Laufen ſie nur gegen den ge- wöhnlichen Gebrauch, ohne daß ſie an ſich verletzend ſind, wie z. B. ſogenannte Canzleifehler, ſo überſieht man ſie entweder oder rügt ſie bei weiterer Communication nur durch einen beigefügten außeroffi- ciellen Canzleizettel, oder man verfährt ſeinerſeits in gleicher Weiſe, wie der abſendende Theil. Sind die Fehler von größerer Bedeu- tung und wohl gar verletzend, ſo nimmt man die Mittheilung ent- weder gar nicht an, oder verlangt dafür Genugthuung. 2 Correſpondenz der Souveräne ſelbſt. 241. Correſpondiren die Souveräne unter Einander ſelbſt in Staatsangelegenheiten auf eine obligatoriſche Weiſe, ſo pflegt ſich dieſes mehr nur auf Aeußerlichkeiten zu beſchränken und in allge- meinen Wendungen zu halten, als in die Sachen einzugehen. Die Mittheilungen enthalten meiſtens eine auctoritatis interpositio für die Handlungen ihrer Agenten, oder Empfehlungen beſtimmter Per- ſonen und Angelegenheiten. Sie beſtehen entweder in förmlichen 1 Treffend ſagt darüber Flaſſan in ſeinem discours préliminaire zur hist. de la dipl. franç.: „Le style diplomatique à quelque sujet, qu’il s’ap- plique, ne doit pas être celui de l’academicien mais celui d’un penseur froid, revêtant d’une expression pure et exacte une logique non inter- rompue. La chaleur qui fait presque toujours le succès de l’éloquence doit en être exclue.“ 2 Vgl. über Obiges: Fr. Carl Moſer Verſuch einer Staatsgrammatik. Deſ- ſelben Abhandl. von Canzleifehlern (kleine Schriften V, 229.). Von Ahn- dung fehlerhafter Schreiben. Frankfurt 1750.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/414
Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/414>, abgerufen am 22.12.2024.