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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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§. 224. Die Formen des völkerrechtlichen Verkehres.
ders in Egypten und bei den Barbaresken zu sichern, namentlich
eine eigene Rechtspflege in der Errichtung von Consulaten zu ver-
schaffen. Von derselben Zeit an wurden auch in europäischen Län-
dern, und nicht mehr blos am mittelländischen Meere, sondern fer-
nerweit längst der Nord- und Ostsee Handelsetablissements von
italienischen Republiken, von den Seestädten Cataloniens, Frank-
reichs und Deutschlands gegründet, zum Schutze derselben eigene
Behörden mit richterlicher Gewalt eingesetzt und von den auswär-
tigen Staaten privilegirt. So hatten die Hansestädte in ihren
Niederlassungen ihre Aldermänner und Beigeordneten derselben, an-
dere Städte und Republiken ihre Gouverneurs, Conservatoren, Pro-
tectoren und Consuln. Sie befanden sich hier mit einer dauernden
Wirksamkeit und unter dauerndem Schutze, um so bedeutender und
hervorragender, da es noch keine stehenden Gesandtschaften an den
Höfen der Fürsten gab. 1

224. Mit der Entwickelung des neueren Staatssystemes zu
einer Fülle und stets regen Thätigkeit der Staatsgewalt in dem
christlichen Europa, konnte derselben eine derartige exterritoriale In-
stitution mitten im eigenen Lande und häufig im Conflict mit den
eigenen Interessen, nicht mehr angemessen, sondern eher als eine
Beeinträchtigung der eigenen Freiheit und Unabhängigkeit erschei-
nen. Ueberall ging daher bald früher bald später die Tendenz da-
hin, den Handel der Fremden den eigenen Gesetzen und Gerichten
zu unterwerfen. Man trug Sorge für die Einsetzung eigener Han-
delsrichter (zum Theil selbst wieder unter dem Namen der Consuln,
wie z. B. in Frankreich seit dem 16ten Jahrhundert), unter wel-
chen auch der fremde Handel in den ihm gebührenden oder anzu-
weisenden Grenzen fortbestehen konnte. Durch die Einrichtung blei-
bender Gesandtschaften an den Höfen erhielten überdies die frem-
den Nationen einen bei der auswärtigen Staatsgewalt unmittel-
bar wirksamen Schutz. Es blieb dabei höchstens noch das Bedürf-
niß in den einzelnen Handelsplätzen Agenten zu haben, welche sich
an Ort und Stelle der Handeltreibenden einer Nation annehmen

1 Ueber die obigen geschichtlichen Momente vgl. man das Werk von Alex.
v. Miltitz, insbesondere auch das Resume daselbst T. II, P. I, p. 394.
Sehr erhebliche Beiträge dazu waren schon durch v. Martens Versuch ei-
ner historischen Entwickelung des Wechselrechts geliefert. Vgl. überdies von
Steck, Handelsvertr. S. 215. und desselben Versuche S. 119.

§. 224. Die Formen des voͤlkerrechtlichen Verkehres.
ders in Egypten und bei den Barbaresken zu ſichern, namentlich
eine eigene Rechtspflege in der Errichtung von Conſulaten zu ver-
ſchaffen. Von derſelben Zeit an wurden auch in europäiſchen Län-
dern, und nicht mehr blos am mittelländiſchen Meere, ſondern fer-
nerweit längſt der Nord- und Oſtſee Handelsetabliſſements von
italieniſchen Republiken, von den Seeſtädten Cataloniens, Frank-
reichs und Deutſchlands gegründet, zum Schutze derſelben eigene
Behörden mit richterlicher Gewalt eingeſetzt und von den auswär-
tigen Staaten privilegirt. So hatten die Hanſeſtädte in ihren
Niederlaſſungen ihre Aldermänner und Beigeordneten derſelben, an-
dere Städte und Republiken ihre Gouverneurs, Conſervatoren, Pro-
tectoren und Conſuln. Sie befanden ſich hier mit einer dauernden
Wirkſamkeit und unter dauerndem Schutze, um ſo bedeutender und
hervorragender, da es noch keine ſtehenden Geſandtſchaften an den
Höfen der Fürſten gab. 1

224. Mit der Entwickelung des neueren Staatsſyſtemes zu
einer Fülle und ſtets regen Thätigkeit der Staatsgewalt in dem
chriſtlichen Europa, konnte derſelben eine derartige exterritoriale In-
ſtitution mitten im eigenen Lande und häufig im Conflict mit den
eigenen Intereſſen, nicht mehr angemeſſen, ſondern eher als eine
Beeinträchtigung der eigenen Freiheit und Unabhängigkeit erſchei-
nen. Ueberall ging daher bald früher bald ſpäter die Tendenz da-
hin, den Handel der Fremden den eigenen Geſetzen und Gerichten
zu unterwerfen. Man trug Sorge für die Einſetzung eigener Han-
delsrichter (zum Theil ſelbſt wieder unter dem Namen der Conſuln,
wie z. B. in Frankreich ſeit dem 16ten Jahrhundert), unter wel-
chen auch der fremde Handel in den ihm gebührenden oder anzu-
weiſenden Grenzen fortbeſtehen konnte. Durch die Einrichtung blei-
bender Geſandtſchaften an den Höfen erhielten überdies die frem-
den Nationen einen bei der auswärtigen Staatsgewalt unmittel-
bar wirkſamen Schutz. Es blieb dabei höchſtens noch das Bedürf-
niß in den einzelnen Handelsplätzen Agenten zu haben, welche ſich
an Ort und Stelle der Handeltreibenden einer Nation annehmen

1 Ueber die obigen geſchichtlichen Momente vgl. man das Werk von Alex.
v. Miltitz, insbeſondere auch das Reſumé daſelbſt T. II, P. I, p. 394.
Sehr erhebliche Beiträge dazu waren ſchon durch v. Martens Verſuch ei-
ner hiſtoriſchen Entwickelung des Wechſelrechts geliefert. Vgl. überdies von
Steck, Handelsvertr. S. 215. und deſſelben Verſuche S. 119.
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[365/0389] §. 224. Die Formen des voͤlkerrechtlichen Verkehres. ders in Egypten und bei den Barbaresken zu ſichern, namentlich eine eigene Rechtspflege in der Errichtung von Conſulaten zu ver- ſchaffen. Von derſelben Zeit an wurden auch in europäiſchen Län- dern, und nicht mehr blos am mittelländiſchen Meere, ſondern fer- nerweit längſt der Nord- und Oſtſee Handelsetabliſſements von italieniſchen Republiken, von den Seeſtädten Cataloniens, Frank- reichs und Deutſchlands gegründet, zum Schutze derſelben eigene Behörden mit richterlicher Gewalt eingeſetzt und von den auswär- tigen Staaten privilegirt. So hatten die Hanſeſtädte in ihren Niederlaſſungen ihre Aldermänner und Beigeordneten derſelben, an- dere Städte und Republiken ihre Gouverneurs, Conſervatoren, Pro- tectoren und Conſuln. Sie befanden ſich hier mit einer dauernden Wirkſamkeit und unter dauerndem Schutze, um ſo bedeutender und hervorragender, da es noch keine ſtehenden Geſandtſchaften an den Höfen der Fürſten gab. 1 224. Mit der Entwickelung des neueren Staatsſyſtemes zu einer Fülle und ſtets regen Thätigkeit der Staatsgewalt in dem chriſtlichen Europa, konnte derſelben eine derartige exterritoriale In- ſtitution mitten im eigenen Lande und häufig im Conflict mit den eigenen Intereſſen, nicht mehr angemeſſen, ſondern eher als eine Beeinträchtigung der eigenen Freiheit und Unabhängigkeit erſchei- nen. Ueberall ging daher bald früher bald ſpäter die Tendenz da- hin, den Handel der Fremden den eigenen Geſetzen und Gerichten zu unterwerfen. Man trug Sorge für die Einſetzung eigener Han- delsrichter (zum Theil ſelbſt wieder unter dem Namen der Conſuln, wie z. B. in Frankreich ſeit dem 16ten Jahrhundert), unter wel- chen auch der fremde Handel in den ihm gebührenden oder anzu- weiſenden Grenzen fortbeſtehen konnte. Durch die Einrichtung blei- bender Geſandtſchaften an den Höfen erhielten überdies die frem- den Nationen einen bei der auswärtigen Staatsgewalt unmittel- bar wirkſamen Schutz. Es blieb dabei höchſtens noch das Bedürf- niß in den einzelnen Handelsplätzen Agenten zu haben, welche ſich an Ort und Stelle der Handeltreibenden einer Nation annehmen 1 Ueber die obigen geſchichtlichen Momente vgl. man das Werk von Alex. v. Miltitz, insbeſondere auch das Reſumé daſelbſt T. II, P. I, p. 394. Sehr erhebliche Beiträge dazu waren ſchon durch v. Martens Verſuch ei- ner hiſtoriſchen Entwickelung des Wechſelrechts geliefert. Vgl. überdies von Steck, Handelsvertr. S. 215. und deſſelben Verſuche S. 119.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/389>, abgerufen am 27.11.2024.