Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.Drittes Buch. §. 207. einer unnöthigen Störung des fremden Durchgangverkehres schlech-terdings zu enthalten, ja, das gleiche Interesse fordert, wie durch stillschweigende Convention, zur möglichsten Beförderung solchen Ver- kehres auf. Gewiß aber existirt kein Zugeständniß der Unverletzbar- keit fremder Gesandten Seitens dritter Staaten, 1 vielmehr haben diese in einzelnen Fällen stets den Grundsatz, daß sie den Charac- ter des fremden Abgeordneten nicht zu respectiren haben, sobald ihr eigenes Recht damit in Conflict kommt, behauptet. Man hat durch- reisende Gesandte einer fremden Macht, mit welcher man im Kriege befindlich war, arretirt, 2 ferner den Personalarrest wegen civilrecht- licher Verbindlichkeiten verfügt. 3 Ebenso wenig kann bezweifelt werden, daß gegen einen Abgeordneten wegen Verbrechen, womit er dem dritten Staate verhaftet ist, eine Arretirung, Untersuchung und Bestrafung zulässig sei. Kein diplomatischer Agent darf sich endlich in die Angelegenheiten eines dritten Staates mit dem an- deren mischen, bei welchem er angestellt ist, sofern ihm dazu kein Auftrag ertheilt ist, widrigenfalls gegen ihn auf Zurechtweisung bei der absendenden Regierung angetragen werden kann. 4 Geschützt bleibt dagegen die völkerrechtliche Person des Abgeordneten in dem Staate, bei welchem er accreditirt ist, selbst wenn derselbe in die Hände einer dritten Gewalt geräth, sofern er nur selbst keine Feind- seligkeiten wider letztere verübt hat; 5 desgleichen seine Correspon- denz auf neutralen Schiffen aus neutralem Lande nach dem Mutter- lande. 6 1 In den angeblichen Gesetzen von Carl V heißt es zwar unter Nr. XV.: "Lorsque les Ambassadeurs devront passer par d'autres souverainetes que celles ou leur maeitre les a envoie, il faudra qu'ils soient munis de Passeports pour eviter tous facheux accidens, car a leur passage, ils ne peuvent pretendre d'autres egards que ceux qui sont accordes par le droit des gens et aux etrangers selon leur rang et leur fortune; mais la correspondence mutuelle des nations veut qu'un caractere si eminent soit respecte partout." Eine ähnliche Ansicht stellte Vattel auf IV, 84. Allein es ist Alles nur guter Wille des dritten Staates. Die richtige Ansicht s. bei Merlin V, §. 3. n. 4. und §. 5. n. 14. Ward, Enquiry II, 556 s. Wheaton intern. L. III, 1, 11. 2 Wie dem Marschall Belleisle 1744 wiederfuhr. v. Martens Erzähl. I, 152. B. de Martens C. cel. I, 285. 3 So gegen den Grafen Wartensleben 1763. v. Martens Erzähl. I, 170. 4 Ein Beispiel s. in B. de Martens C. cel. I, 311. 5 Dies war der Fall des Grafen Monti in Danzig. B. de Martens ib. I, 210. 6 Wheaton intern. L. III, 1. p. 281.
Drittes Buch. §. 207. einer unnöthigen Störung des fremden Durchgangverkehres ſchlech-terdings zu enthalten, ja, das gleiche Intereſſe fordert, wie durch ſtillſchweigende Convention, zur möglichſten Beförderung ſolchen Ver- kehres auf. Gewiß aber exiſtirt kein Zugeſtändniß der Unverletzbar- keit fremder Geſandten Seitens dritter Staaten, 1 vielmehr haben dieſe in einzelnen Fällen ſtets den Grundſatz, daß ſie den Charac- ter des fremden Abgeordneten nicht zu reſpectiren haben, ſobald ihr eigenes Recht damit in Conflict kommt, behauptet. Man hat durch- reiſende Geſandte einer fremden Macht, mit welcher man im Kriege befindlich war, arretirt, 2 ferner den Perſonalarreſt wegen civilrecht- licher Verbindlichkeiten verfügt. 3 Ebenſo wenig kann bezweifelt werden, daß gegen einen Abgeordneten wegen Verbrechen, womit er dem dritten Staate verhaftet iſt, eine Arretirung, Unterſuchung und Beſtrafung zuläſſig ſei. Kein diplomatiſcher Agent darf ſich endlich in die Angelegenheiten eines dritten Staates mit dem an- deren miſchen, bei welchem er angeſtellt iſt, ſofern ihm dazu kein Auftrag ertheilt iſt, widrigenfalls gegen ihn auf Zurechtweiſung bei der abſendenden Regierung angetragen werden kann. 4 Geſchützt bleibt dagegen die völkerrechtliche Perſon des Abgeordneten in dem Staate, bei welchem er accreditirt iſt, ſelbſt wenn derſelbe in die Hände einer dritten Gewalt geräth, ſofern er nur ſelbſt keine Feind- ſeligkeiten wider letztere verübt hat; 5 desgleichen ſeine Correſpon- denz auf neutralen Schiffen aus neutralem Lande nach dem Mutter- lande. 6 1 In den angeblichen Geſetzen von Carl V heißt es zwar unter Nr. XV.: „Lorsque les Ambassadeurs dévront passer par d’autres souverainetés que celles où leur maître les a envoié, il faudra qu’ils soient munis de Passeports pour éviter tous fâcheux accidens, car à leur passage, ils ne peuvent prétendre d’autres égards que ceux qui sont accordés par le droit des gens et aux étrangers selon leur rang et leur fortune; mais la correspondence mutuelle des nations veut qu’un caractère si éminent soit respecté partout.“ Eine ähnliche Anſicht ſtellte Vattel auf IV, 84. Allein es iſt Alles nur guter Wille des dritten Staates. Die richtige Anſicht ſ. bei Merlin V, §. 3. n. 4. und §. 5. n. 14. Ward, Enquiry II, 556 s. Wheaton intern. L. III, 1, 11. 2 Wie dem Marſchall Belleisle 1744 wiederfuhr. v. Martens Erzähl. I, 152. B. de Martens C. cel. I, 285. 3 So gegen den Grafen Wartensleben 1763. v. Martens Erzähl. I, 170. 4 Ein Beiſpiel ſ. in B. de Martens C. cel. I, 311. 5 Dies war der Fall des Grafen Monti in Danzig. B. de Martens ib. I, 210. 6 Wheaton intern. L. III, 1. p. 281.
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Drittes Buch. §. 207.
einer unnöthigen Störung des fremden Durchgangverkehres ſchlech-
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ſtillſchweigende Convention, zur möglichſten Beförderung ſolchen Ver-
kehres auf. Gewiß aber exiſtirt kein Zugeſtändniß der Unverletzbar-
keit fremder Geſandten Seitens dritter Staaten, 1 vielmehr haben
dieſe in einzelnen Fällen ſtets den Grundſatz, daß ſie den Charac-
ter des fremden Abgeordneten nicht zu reſpectiren haben, ſobald ihr
eigenes Recht damit in Conflict kommt, behauptet. Man hat durch-
reiſende Geſandte einer fremden Macht, mit welcher man im Kriege
befindlich war, arretirt, 2 ferner den Perſonalarreſt wegen civilrecht-
licher Verbindlichkeiten verfügt. 3 Ebenſo wenig kann bezweifelt
werden, daß gegen einen Abgeordneten wegen Verbrechen, womit
er dem dritten Staate verhaftet iſt, eine Arretirung, Unterſuchung
und Beſtrafung zuläſſig ſei. Kein diplomatiſcher Agent darf ſich
endlich in die Angelegenheiten eines dritten Staates mit dem an-
deren miſchen, bei welchem er angeſtellt iſt, ſofern ihm dazu kein
Auftrag ertheilt iſt, widrigenfalls gegen ihn auf Zurechtweiſung bei
der abſendenden Regierung angetragen werden kann. 4 Geſchützt
bleibt dagegen die völkerrechtliche Perſon des Abgeordneten in dem
Staate, bei welchem er accreditirt iſt, ſelbſt wenn derſelbe in die
Hände einer dritten Gewalt geräth, ſofern er nur ſelbſt keine Feind-
ſeligkeiten wider letztere verübt hat; 5 desgleichen ſeine Correſpon-
denz auf neutralen Schiffen aus neutralem Lande nach dem Mutter-
lande. 6
1 In den angeblichen Geſetzen von Carl V heißt es zwar unter Nr. XV.:
„Lorsque les Ambassadeurs dévront passer par d’autres souverainetés
que celles où leur maître les a envoié, il faudra qu’ils soient munis de
Passeports pour éviter tous fâcheux accidens, car à leur passage, ils
ne peuvent prétendre d’autres égards que ceux qui sont accordés par
le droit des gens et aux étrangers selon leur rang et leur fortune;
mais la correspondence mutuelle des nations veut qu’un caractère si
éminent soit respecté partout.“ Eine ähnliche Anſicht ſtellte Vattel auf
IV, 84. Allein es iſt Alles nur guter Wille des dritten Staates. Die
richtige Anſicht ſ. bei Merlin V, §. 3. n. 4. und §. 5. n. 14. Ward,
Enquiry II, 556 s. Wheaton intern. L. III, 1, 11.
2 Wie dem Marſchall Belleisle 1744 wiederfuhr. v. Martens Erzähl. I,
152. B. de Martens C. cel. I, 285.
3 So gegen den Grafen Wartensleben 1763. v. Martens Erzähl. I, 170.
4 Ein Beiſpiel ſ. in B. de Martens C. cel. I, 311.
5 Dies war der Fall des Grafen Monti in Danzig. B. de Martens ib. I, 210.
6 Wheaton intern. L. III, 1. p. 281.
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