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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Drittes Buch. §. 206.
den Zielen und in den Grenzen des empfangenen Auftrages, dessen
Erklärung und Auffassung selbst wieder nur durch die Sorge für
das Heil, die Würde und den Bestand des vertretenen Staates
geleitet werden muß. Andererseits ist es die dem fremden Staate
und seinem Rechte gebührende Achtung, welche die zur Erreichung
des Zweckes dienlichen Mittel normiren muß. Der Abgeordnete
hat sich daher streng jeder Kränkung des auswärtigen Staates und
seiner Institutionen zu enthalten, desgleichen aller Einmischung in
die Verwaltung mit Anmaßung von befehlender Gewalt und Form. 1
Er hat sich lediglich auf Anträge und Verhandlungen zu beschrän-
ken, so wie auf thatsächliche Behauptung seiner Stellung im Wege
der Vertheidigung. Ueberschreitet er die Grenzen seiner Stellung, so
hat andererseits die fremde Regierung das Recht, ihn auf dieselben
zurückzuweisen und überdies nach Bewandniß der Umstände auf
eine Genugthuung bei dem absendenden Souverän zu bestehen; end-
lich auch bei wirklichen Angriffen und Verletzungen der Staatsord-
nung vertheidigungsweise, ja selbst feindlich gegen seine Person zu
verfahren. 2 Sogar die Fiction der Exterritorialität kann hierge-
gen, wie man weiterhin sehen wird, keinen Schutz gewähren; denn
das Hausrecht des fremden Staates gegen jede fremdartige Beein-
trächtigung bleibt dadurch unberührt.

Dagegen ist Alles, was der Abgeordnete innerhalb der Gren-
zen seines vorgezeigten und beglaubigten Auftrages gethan hat,
auch für den absendenden Staat verbindlich, dessen Gutheißung
und Vollziehung von diesem nicht verweigert werden kann, ausge-
nommen sofern noch die rechtliche Möglichkeit einer Ratifications-
verweigerung gegeben ist (§. 87.), oder sofern sich der Abgeord-
nete einer treulosen Benutzung seiner Vollmachten schuldig gemacht
hat, oder sofern die vorzulegende Vollmachtbeschränkung von ihm
nicht vorgelegt worden ist. Daß der eigene Dolus der fremden
Regierung bei der Verhandlung mit dem Abgeordneten ihr kein
Recht gegen den absendenden Staat verschaffen könne, versteht sich
von selbst.

Die Summe der Pflichten im diplomatischen Verkehr ist Treue
gegen den eigenen Staat, Redlichkeit gegen den fremden; nichts
also auch widersprechender als ein System gegenseitiger Bestechung

1 Wicquefort, l'Amb. II, c. 4.
2 Vgl. Merlin, sect. V, §. 4. n. 10. 11.

Drittes Buch. §. 206.
den Zielen und in den Grenzen des empfangenen Auftrages, deſſen
Erklärung und Auffaſſung ſelbſt wieder nur durch die Sorge für
das Heil, die Würde und den Beſtand des vertretenen Staates
geleitet werden muß. Andererſeits iſt es die dem fremden Staate
und ſeinem Rechte gebührende Achtung, welche die zur Erreichung
des Zweckes dienlichen Mittel normiren muß. Der Abgeordnete
hat ſich daher ſtreng jeder Kränkung des auswärtigen Staates und
ſeiner Inſtitutionen zu enthalten, desgleichen aller Einmiſchung in
die Verwaltung mit Anmaßung von befehlender Gewalt und Form. 1
Er hat ſich lediglich auf Anträge und Verhandlungen zu beſchrän-
ken, ſo wie auf thatſächliche Behauptung ſeiner Stellung im Wege
der Vertheidigung. Ueberſchreitet er die Grenzen ſeiner Stellung, ſo
hat andererſeits die fremde Regierung das Recht, ihn auf dieſelben
zurückzuweiſen und überdies nach Bewandniß der Umſtände auf
eine Genugthuung bei dem abſendenden Souverän zu beſtehen; end-
lich auch bei wirklichen Angriffen und Verletzungen der Staatsord-
nung vertheidigungsweiſe, ja ſelbſt feindlich gegen ſeine Perſon zu
verfahren. 2 Sogar die Fiction der Exterritorialität kann hierge-
gen, wie man weiterhin ſehen wird, keinen Schutz gewähren; denn
das Hausrecht des fremden Staates gegen jede fremdartige Beein-
trächtigung bleibt dadurch unberührt.

Dagegen iſt Alles, was der Abgeordnete innerhalb der Gren-
zen ſeines vorgezeigten und beglaubigten Auftrages gethan hat,
auch für den abſendenden Staat verbindlich, deſſen Gutheißung
und Vollziehung von dieſem nicht verweigert werden kann, ausge-
nommen ſofern noch die rechtliche Möglichkeit einer Ratifications-
verweigerung gegeben iſt (§. 87.), oder ſofern ſich der Abgeord-
nete einer treuloſen Benutzung ſeiner Vollmachten ſchuldig gemacht
hat, oder ſofern die vorzulegende Vollmachtbeſchränkung von ihm
nicht vorgelegt worden iſt. Daß der eigene Dolus der fremden
Regierung bei der Verhandlung mit dem Abgeordneten ihr kein
Recht gegen den abſendenden Staat verſchaffen könne, verſteht ſich
von ſelbſt.

Die Summe der Pflichten im diplomatiſchen Verkehr iſt Treue
gegen den eigenen Staat, Redlichkeit gegen den fremden; nichts
alſo auch widerſprechender als ein Syſtem gegenſeitiger Beſtechung

1 Wicquefort, l’Amb. II, c. 4.
2 Vgl. Merlin, sect. V, §. 4. n. 10. 11.
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[340/0364] Drittes Buch. §. 206. den Zielen und in den Grenzen des empfangenen Auftrages, deſſen Erklärung und Auffaſſung ſelbſt wieder nur durch die Sorge für das Heil, die Würde und den Beſtand des vertretenen Staates geleitet werden muß. Andererſeits iſt es die dem fremden Staate und ſeinem Rechte gebührende Achtung, welche die zur Erreichung des Zweckes dienlichen Mittel normiren muß. Der Abgeordnete hat ſich daher ſtreng jeder Kränkung des auswärtigen Staates und ſeiner Inſtitutionen zu enthalten, desgleichen aller Einmiſchung in die Verwaltung mit Anmaßung von befehlender Gewalt und Form. 1 Er hat ſich lediglich auf Anträge und Verhandlungen zu beſchrän- ken, ſo wie auf thatſächliche Behauptung ſeiner Stellung im Wege der Vertheidigung. Ueberſchreitet er die Grenzen ſeiner Stellung, ſo hat andererſeits die fremde Regierung das Recht, ihn auf dieſelben zurückzuweiſen und überdies nach Bewandniß der Umſtände auf eine Genugthuung bei dem abſendenden Souverän zu beſtehen; end- lich auch bei wirklichen Angriffen und Verletzungen der Staatsord- nung vertheidigungsweiſe, ja ſelbſt feindlich gegen ſeine Perſon zu verfahren. 2 Sogar die Fiction der Exterritorialität kann hierge- gen, wie man weiterhin ſehen wird, keinen Schutz gewähren; denn das Hausrecht des fremden Staates gegen jede fremdartige Beein- trächtigung bleibt dadurch unberührt. Dagegen iſt Alles, was der Abgeordnete innerhalb der Gren- zen ſeines vorgezeigten und beglaubigten Auftrages gethan hat, auch für den abſendenden Staat verbindlich, deſſen Gutheißung und Vollziehung von dieſem nicht verweigert werden kann, ausge- nommen ſofern noch die rechtliche Möglichkeit einer Ratifications- verweigerung gegeben iſt (§. 87.), oder ſofern ſich der Abgeord- nete einer treuloſen Benutzung ſeiner Vollmachten ſchuldig gemacht hat, oder ſofern die vorzulegende Vollmachtbeſchränkung von ihm nicht vorgelegt worden iſt. Daß der eigene Dolus der fremden Regierung bei der Verhandlung mit dem Abgeordneten ihr kein Recht gegen den abſendenden Staat verſchaffen könne, verſteht ſich von ſelbſt. Die Summe der Pflichten im diplomatiſchen Verkehr iſt Treue gegen den eigenen Staat, Redlichkeit gegen den fremden; nichts alſo auch widerſprechender als ein Syſtem gegenſeitiger Beſtechung 1 Wicquefort, l’Amb. II, c. 4. 2 Vgl. Merlin, sect. V, §. 4. n. 10. 11.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/364>, abgerufen am 27.11.2024.