Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.Drittes Buch. §. 205. Character der ihn verletzenden Gegenpartei unbekannt war. 1 --Ist eine Beleidigung der völkerrechtlichen Person eines Abge- ordneten wirklich geschehen, und zwar von Seiten der auswärti- gen Staatsgewalt selbst, so ist sie auch zu einer Genugthuung im völkerrechtlichen Wege nach Maaßgabe der zugefügten Kränkung in einer der bereits früher bezeichneten Weisen verbunden. (§. 102.) Ist sie von einem ihrer Unterthanen zugefügt, so kann die Genug- thuung nur von diesem nach den Gesetzen seines Staates gefordert und dafür dessen Vermittelung in Anspruch genommen werden. (§. 103.) Daß indessen der Abgeordnete selbst sich Rechte nehmen dürfe, wie behauptet worden ist, kann wenigstens außer dem Fall eines noch zulässigen Vertheidigungsrechtes nicht für erlaubt erach- tet werden. 2 Exemtion von fremder Staatsgewalt. 205. Auch eine Exemtion der diplomatischen Agenten von je- wird hier als schlichte Injurie zu behandeln sein, wenn der amtliche Character dabei nicht angegriffen wird. Die beim Besuch eines Bordells oder einer gemeinen Gesellschaft erlittene Unbill vermag schwerlich eine völkerrechtliche Ahndung zu begründen. Vgl. l. 15. §. 15. D. de injur. Si quis virgines appellasset si tamen ancillari veste vestitas, minus peccare videtur; multo minus si meritricia veste vestitae fuissent. 1 Vgl. Vattel IV, §. 82. Merlin V, Nr. 2. 2 v. Pacassy Gesandtschaftsrecht S. 167. Klüber droit des gens §. 203. N. e. woselbst die entgegenstehende Ansicht v. Römer's angeführt ist. Eine Menge Beispiele von Verletzungen gesandtschaftlicher Personen und dafür ge- gebenen Genungthuungen s. in B. de Martens Causes celebr. II, 390. 439 f. 3 L. 2. §. 3--6. l. 24. §. 1. 2. l. 25. D. de judiciis. L. 12. D. de
accusation. und dazu Bynkershoeck de iudice comp. c. 6. Merlin V, §. 4. Die Hauptansichten der neueren Publicisten sind auch dargestellt in Wheaton histoire p. 170. Drittes Buch. §. 205. Character der ihn verletzenden Gegenpartei unbekannt war. 1 —Iſt eine Beleidigung der völkerrechtlichen Perſon eines Abge- ordneten wirklich geſchehen, und zwar von Seiten der auswärti- gen Staatsgewalt ſelbſt, ſo iſt ſie auch zu einer Genugthuung im völkerrechtlichen Wege nach Maaßgabe der zugefügten Kränkung in einer der bereits früher bezeichneten Weiſen verbunden. (§. 102.) Iſt ſie von einem ihrer Unterthanen zugefügt, ſo kann die Genug- thuung nur von dieſem nach den Geſetzen ſeines Staates gefordert und dafür deſſen Vermittelung in Anſpruch genommen werden. (§. 103.) Daß indeſſen der Abgeordnete ſelbſt ſich Rechte nehmen dürfe, wie behauptet worden iſt, kann wenigſtens außer dem Fall eines noch zuläſſigen Vertheidigungsrechtes nicht für erlaubt erach- tet werden. 2 Exemtion von fremder Staatsgewalt. 205. Auch eine Exemtion der diplomatiſchen Agenten von je- wird hier als ſchlichte Injurie zu behandeln ſein, wenn der amtliche Character dabei nicht angegriffen wird. Die beim Beſuch eines Bordells oder einer gemeinen Geſellſchaft erlittene Unbill vermag ſchwerlich eine völkerrechtliche Ahndung zu begründen. Vgl. l. 15. §. 15. D. de injur. Si quis virgines appellasset si tamen ancillari veste vestitas, minus peccare videtur; multo minus si meritricia veste vestitae fuissent. 1 Vgl. Vattel IV, §. 82. Merlin V, Nr. 2. 2 v. Pacaſſy Geſandtſchaftsrecht S. 167. Klüber droit des gens §. 203. N. e. woſelbſt die entgegenſtehende Anſicht v. Römer’s angeführt iſt. Eine Menge Beiſpiele von Verletzungen geſandtſchaftlicher Perſonen und dafür ge- gebenen Genungthuungen ſ. in B. de Martens Causes célèbr. II, 390. 439 f. 3 L. 2. §. 3—6. l. 24. §. 1. 2. l. 25. D. de judiciis. L. 12. D. de
accusation. und dazu Bynkershoeck de iudice comp. c. 6. Merlin V, §. 4. Die Hauptanſichten der neueren Publiciſten ſind auch dargeſtellt in Wheaton histoire p. 170. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0362" n="338"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Drittes Buch</hi>. §. 205.</fw><lb/> Character der ihn verletzenden Gegenpartei unbekannt war. <note place="foot" n="1">Vgl. Vattel <hi rendition="#aq">IV,</hi> §. 82. Merlin <hi rendition="#aq">V,</hi> Nr. 2.</note> —<lb/> Iſt eine Beleidigung der völkerrechtlichen Perſon eines Abge-<lb/> ordneten wirklich geſchehen, und zwar von Seiten der auswärti-<lb/> gen Staatsgewalt ſelbſt, ſo iſt ſie auch zu einer Genugthuung im<lb/> völkerrechtlichen Wege nach Maaßgabe der zugefügten Kränkung in<lb/> einer der bereits früher bezeichneten Weiſen verbunden. (§. 102.)<lb/> Iſt ſie von einem ihrer Unterthanen zugefügt, ſo kann die Genug-<lb/> thuung nur von dieſem nach den Geſetzen ſeines Staates gefordert<lb/> und dafür deſſen Vermittelung in Anſpruch genommen werden.<lb/> (§. 103.) Daß indeſſen der Abgeordnete ſelbſt ſich Rechte nehmen<lb/> dürfe, wie behauptet worden iſt, kann wenigſtens außer dem Fall<lb/> eines noch zuläſſigen Vertheidigungsrechtes nicht für erlaubt erach-<lb/> tet werden. <note place="foot" n="2">v. Pacaſſy Geſandtſchaftsrecht S. 167. Klüber <hi rendition="#aq">droit des gens</hi> §. 203.<lb/> N. <hi rendition="#aq">e.</hi> woſelbſt die entgegenſtehende Anſicht v. Römer’s angeführt iſt. Eine<lb/> Menge Beiſpiele von Verletzungen geſandtſchaftlicher Perſonen und dafür ge-<lb/> gebenen Genungthuungen ſ. in <hi rendition="#aq">B. de Martens Causes célèbr. II,</hi> 390.<lb/> 439 f.</note></p> </div><lb/> <div n="4"> <head>Exemtion von fremder Staatsgewalt.</head><lb/> <p>205. Auch eine Exemtion der diplomatiſchen Agenten von je-<lb/> dem ſtörenden Einfluß der fremden Staatsgewalt auf ihre Hand-<lb/> lungen verſteht ſich ſo ſehr von ſelbſt, daß ſie bereits im Alterthum<lb/> in einzelnen Beziehungen hervortritt. So wurde im Römerſtaat<lb/> ſchon den Abgeordneten einzelner Provinzen oder Städte ein <hi rendition="#aq">jus<lb/> domum revocandi</hi> zugeſtanden, d. h. das Recht während ihres<lb/> Aufenthaltes in Rom die Einlaſſung auf Civilklagen aus älteren<lb/> Forderungen, ja ſelbſt auf Anklagen wegen früherer Vergehen zu<lb/> verweigern oder ſich doch nur vorläufig darauf einzulaſſen. <note place="foot" n="3"><hi rendition="#aq">L. 2. §. 3—6. l. 24. §. 1. 2. l. 25. D. de judiciis. L. 12. D. de<lb/> accusation</hi>. und dazu <hi rendition="#aq">Bynkershoeck de iudice comp. c.</hi> 6. Merlin <hi rendition="#aq">V,</hi><lb/> §. 4. Die Hauptanſichten der neueren Publiciſten ſind auch dargeſtellt in<lb/> Wheaton <hi rendition="#aq">histoire p.</hi> 170.</note> Das<lb/><note xml:id="note-0362" prev="#note-0361" place="foot" n="6">wird hier als ſchlichte Injurie zu behandeln ſein, wenn der amtliche Character<lb/> dabei nicht angegriffen wird. Die beim Beſuch eines Bordells oder einer<lb/> gemeinen Geſellſchaft erlittene Unbill vermag ſchwerlich eine völkerrechtliche<lb/> Ahndung zu begründen. Vgl. <hi rendition="#aq">l. 15. §. 15. D. de injur. Si quis virgines<lb/> appellasset si tamen ancillari veste vestitas, minus peccare videtur; multo<lb/> minus si meritricia veste vestitae fuissent.</hi></note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [338/0362]
Drittes Buch. §. 205.
Character der ihn verletzenden Gegenpartei unbekannt war. 1 —
Iſt eine Beleidigung der völkerrechtlichen Perſon eines Abge-
ordneten wirklich geſchehen, und zwar von Seiten der auswärti-
gen Staatsgewalt ſelbſt, ſo iſt ſie auch zu einer Genugthuung im
völkerrechtlichen Wege nach Maaßgabe der zugefügten Kränkung in
einer der bereits früher bezeichneten Weiſen verbunden. (§. 102.)
Iſt ſie von einem ihrer Unterthanen zugefügt, ſo kann die Genug-
thuung nur von dieſem nach den Geſetzen ſeines Staates gefordert
und dafür deſſen Vermittelung in Anſpruch genommen werden.
(§. 103.) Daß indeſſen der Abgeordnete ſelbſt ſich Rechte nehmen
dürfe, wie behauptet worden iſt, kann wenigſtens außer dem Fall
eines noch zuläſſigen Vertheidigungsrechtes nicht für erlaubt erach-
tet werden. 2
Exemtion von fremder Staatsgewalt.
205. Auch eine Exemtion der diplomatiſchen Agenten von je-
dem ſtörenden Einfluß der fremden Staatsgewalt auf ihre Hand-
lungen verſteht ſich ſo ſehr von ſelbſt, daß ſie bereits im Alterthum
in einzelnen Beziehungen hervortritt. So wurde im Römerſtaat
ſchon den Abgeordneten einzelner Provinzen oder Städte ein jus
domum revocandi zugeſtanden, d. h. das Recht während ihres
Aufenthaltes in Rom die Einlaſſung auf Civilklagen aus älteren
Forderungen, ja ſelbſt auf Anklagen wegen früherer Vergehen zu
verweigern oder ſich doch nur vorläufig darauf einzulaſſen. 3 Das
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1 Vgl. Vattel IV, §. 82. Merlin V, Nr. 2.
2 v. Pacaſſy Geſandtſchaftsrecht S. 167. Klüber droit des gens §. 203.
N. e. woſelbſt die entgegenſtehende Anſicht v. Römer’s angeführt iſt. Eine
Menge Beiſpiele von Verletzungen geſandtſchaftlicher Perſonen und dafür ge-
gebenen Genungthuungen ſ. in B. de Martens Causes célèbr. II, 390.
439 f.
3 L. 2. §. 3—6. l. 24. §. 1. 2. l. 25. D. de judiciis. L. 12. D. de
accusation. und dazu Bynkershoeck de iudice comp. c. 6. Merlin V,
§. 4. Die Hauptanſichten der neueren Publiciſten ſind auch dargeſtellt in
Wheaton histoire p. 170.
6 wird hier als ſchlichte Injurie zu behandeln ſein, wenn der amtliche Character
dabei nicht angegriffen wird. Die beim Beſuch eines Bordells oder einer
gemeinen Geſellſchaft erlittene Unbill vermag ſchwerlich eine völkerrechtliche
Ahndung zu begründen. Vgl. l. 15. §. 15. D. de injur. Si quis virgines
appellasset si tamen ancillari veste vestitas, minus peccare videtur; multo
minus si meritricia veste vestitae fuissent.
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