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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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§. 200. Die Formen des völkerrechtlichen Verkehres.
Actives und passives Recht zu diplomatischen Missionen.

200. Das Recht Abgeordnete in Staatsangelegenheiten zu
schicken hat unbestreitbar jeder wirkliche Souverän; 1 gewiß kann
auch nur von diesem ein characterisirter Gesandter mit amtlicher
Bedeutsamkeit bestellt werden. Kein Unterthan, auch von noch so
großem Einfluß und mit noch so vielen Privilegien begabt, hat
ein solches Recht. Dagegen kann dasselbe nicht verweigert werden

einem Lehnssouverän,
einem unter fremden Schutz stehenden Souverän,
einem Halbsouverän, soweit ihm nicht jede auswärtige Wirk-
samkeit oder Vertretung versagt ist, 2

endlich

einem usurpatorischen Souverän, sofern man mit ihm Ver-
bindungen eingehen will oder sich ihnen nicht entziehen kann,
sowie andererseits einem verdrängten Souverän, dessen Wie-
derherstellung noch immer für möglich zu halten ist, soweit
es nur das Verhältniß zu dem Usurpator gestattet.

Unterbehörden eines Souveräns haben das Gesandtschaftsrecht nicht,
es müßte ihnen denn, wie bei Vicekönigen und Gouverneurs zu-
weilen der Fall gewesen ist, dasselbe ausdrücklich übertragen wor-
den sein.

Das Nämliche gilt im Ganzen auch von der Annahme frem-
der Gesandten, wenigstens von einer völlig unangefochtenen An-
nahme und mit völkerrechtlicher Bedeutung; denn an und für sich
würden natürlich selbst Privatpersonen einen von den vorgedachten
Auctoritäten an sie Abgeordneten empfangen können; insbesondere
wäre kaum abzusehen, warum nicht einem Souverain erlaubt sein
sollte, in einer rein persönlichen Angelegenheit, z. B. wegen einer
Vermählung, einen Abgeordneten mit einem gesandtschaftlichen Ti-

1 S. vorzüglich Merlin a. a. O. sect. II, §. 1. Schmelzing §. 274.
2 Dahin gehören z. B. auch die einzelnen Schweizercantons, soweit ihre Ver-
hältnisse nicht von der Centralgewalt der Eidgenossenschaft abhängig sind.
Vormals gab es auch wohl Städte und Corporationen unter landesherrli-
cher Gewalt, welche dennoch in gewissen Angelegenheiten, z. B. in Kriegs-
und Handelssachen Gesandte schicken konnten. Vattel nennt in dieser Be-
ziehung auch die schweizerischen Städte Neuchatel und Bienne als des
droit de banniere (jus armorum) genießend und daher zu gesandtschaftli-
chen Missionen berechtigt.
§. 200. Die Formen des voͤlkerrechtlichen Verkehres.
Actives und paſſives Recht zu diplomatiſchen Miſſionen.

200. Das Recht Abgeordnete in Staatsangelegenheiten zu
ſchicken hat unbeſtreitbar jeder wirkliche Souverän; 1 gewiß kann
auch nur von dieſem ein characteriſirter Geſandter mit amtlicher
Bedeutſamkeit beſtellt werden. Kein Unterthan, auch von noch ſo
großem Einfluß und mit noch ſo vielen Privilegien begabt, hat
ein ſolches Recht. Dagegen kann daſſelbe nicht verweigert werden

einem Lehnsſouverän,
einem unter fremden Schutz ſtehenden Souverän,
einem Halbſouverän, ſoweit ihm nicht jede auswärtige Wirk-
ſamkeit oder Vertretung verſagt iſt, 2

endlich

einem uſurpatoriſchen Souverän, ſofern man mit ihm Ver-
bindungen eingehen will oder ſich ihnen nicht entziehen kann,
ſowie andererſeits einem verdrängten Souverän, deſſen Wie-
derherſtellung noch immer für möglich zu halten iſt, ſoweit
es nur das Verhältniß zu dem Uſurpator geſtattet.

Unterbehörden eines Souveräns haben das Geſandtſchaftsrecht nicht,
es müßte ihnen denn, wie bei Vicekönigen und Gouverneurs zu-
weilen der Fall geweſen iſt, daſſelbe ausdrücklich übertragen wor-
den ſein.

Das Nämliche gilt im Ganzen auch von der Annahme frem-
der Geſandten, wenigſtens von einer völlig unangefochtenen An-
nahme und mit völkerrechtlicher Bedeutung; denn an und für ſich
würden natürlich ſelbſt Privatperſonen einen von den vorgedachten
Auctoritäten an ſie Abgeordneten empfangen können; insbeſondere
wäre kaum abzuſehen, warum nicht einem Souverain erlaubt ſein
ſollte, in einer rein perſönlichen Angelegenheit, z. B. wegen einer
Vermählung, einen Abgeordneten mit einem geſandtſchaftlichen Ti-

1 S. vorzüglich Merlin a. a. O. sect. II, §. 1. Schmelzing §. 274.
2 Dahin gehören z. B. auch die einzelnen Schweizercantons, ſoweit ihre Ver-
hältniſſe nicht von der Centralgewalt der Eidgenoſſenſchaft abhängig ſind.
Vormals gab es auch wohl Städte und Corporationen unter landesherrli-
cher Gewalt, welche dennoch in gewiſſen Angelegenheiten, z. B. in Kriegs-
und Handelsſachen Geſandte ſchicken konnten. Vattel nennt in dieſer Be-
ziehung auch die ſchweizeriſchen Städte Neuchatel und Bienne als des
droit de bannière (jus armorum) genießend und daher zu geſandtſchaftli-
chen Miſſionen berechtigt.
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[333/0357] §. 200. Die Formen des voͤlkerrechtlichen Verkehres. Actives und paſſives Recht zu diplomatiſchen Miſſionen. 200. Das Recht Abgeordnete in Staatsangelegenheiten zu ſchicken hat unbeſtreitbar jeder wirkliche Souverän; 1 gewiß kann auch nur von dieſem ein characteriſirter Geſandter mit amtlicher Bedeutſamkeit beſtellt werden. Kein Unterthan, auch von noch ſo großem Einfluß und mit noch ſo vielen Privilegien begabt, hat ein ſolches Recht. Dagegen kann daſſelbe nicht verweigert werden einem Lehnsſouverän, einem unter fremden Schutz ſtehenden Souverän, einem Halbſouverän, ſoweit ihm nicht jede auswärtige Wirk- ſamkeit oder Vertretung verſagt iſt, 2 endlich einem uſurpatoriſchen Souverän, ſofern man mit ihm Ver- bindungen eingehen will oder ſich ihnen nicht entziehen kann, ſowie andererſeits einem verdrängten Souverän, deſſen Wie- derherſtellung noch immer für möglich zu halten iſt, ſoweit es nur das Verhältniß zu dem Uſurpator geſtattet. Unterbehörden eines Souveräns haben das Geſandtſchaftsrecht nicht, es müßte ihnen denn, wie bei Vicekönigen und Gouverneurs zu- weilen der Fall geweſen iſt, daſſelbe ausdrücklich übertragen wor- den ſein. Das Nämliche gilt im Ganzen auch von der Annahme frem- der Geſandten, wenigſtens von einer völlig unangefochtenen An- nahme und mit völkerrechtlicher Bedeutung; denn an und für ſich würden natürlich ſelbſt Privatperſonen einen von den vorgedachten Auctoritäten an ſie Abgeordneten empfangen können; insbeſondere wäre kaum abzuſehen, warum nicht einem Souverain erlaubt ſein ſollte, in einer rein perſönlichen Angelegenheit, z. B. wegen einer Vermählung, einen Abgeordneten mit einem geſandtſchaftlichen Ti- 1 S. vorzüglich Merlin a. a. O. sect. II, §. 1. Schmelzing §. 274. 2 Dahin gehören z. B. auch die einzelnen Schweizercantons, ſoweit ihre Ver- hältniſſe nicht von der Centralgewalt der Eidgenoſſenſchaft abhängig ſind. Vormals gab es auch wohl Städte und Corporationen unter landesherrli- cher Gewalt, welche dennoch in gewiſſen Angelegenheiten, z. B. in Kriegs- und Handelsſachen Geſandte ſchicken konnten. Vattel nennt in dieſer Be- ziehung auch die ſchweizeriſchen Städte Neuchatel und Bienne als des droit de bannière (jus armorum) genießend und daher zu geſandtſchaftli- chen Miſſionen berechtigt.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/357>, abgerufen am 27.11.2024.