§§. 198. 199. Die Formen des völkerrechtlichen Verkehres.
Zweiter Abschnitt. Der diplomatische Verkehr der Staaten.
198. Die auswärtigen Interessen der Einzelstaaten können ihrer Natur nach allein von den Souveränen und den ihnen oder auch den Nationen selbst verfassungsmäßig verantwortlichen Organen ih- res Willens wahrgenommen und besorgt werden. Seit langer Zeit hat die Politik der Staaten diesem Gegenstand ihres Wirkens die größeste Aufmerksamkeit und Sorgfalt gewidmet; denn die Schick- sale der Völker erhalten dadurch wenigstens ihre förmliche Gestal- tung, wenn sie auch nicht allein dadurch bewegt und gemacht wer- den können. Alles was sich darauf bezieht oder damit wesentlich beschäftigt ist, bezeichnet die neuere europäische Sprache durch di- plomatisch, hindeutend damit theils auf die urkundlichen Grund- lagen der Staateninteressen, theils auf die zu ihrer Sicherstellung dienende und nicht wohl zu entbehrende urkundliche Form der Ver- handlungen und Resultate; bisweilen freilich in einer etwas lächer- lichen Ausdehnung auf fremdartige Dinge. Der Nimbus, womit sich vormals die Diplomatie umhüllte, hat manchen publicistischen Schrift- steller angeregt, vornehmlich ihre Aeußerlichkeiten mit einer gewissen Coquetterie und Devotion zu behandeln und auszuschmücken. Wir wollen im Folgenden hauptsächlich nur die leitenden Grundsätze aufsuchen und zuerst von den besonderen diplomatischen Organen, sodann von der diplomatischen Kunst, endlich von den Formen ihres Wirkens einfach nach unserer Weise handeln. Die Diploma- tie geht selbst nicht mehr so gespreizt und blasirt einher, wie vor- mals. Sie ist einfacher und, wenn auch nicht öffentlich geworden, wie sie es in der alten Welt war, wenigstens erkennbarer und zu- gänglicher.
Erste Unterabtheilung. Die Organe des diplomatischen Verkehres.1
Geschichte und natürliches Princip.
199. Schon die alte Welt hatte ihre diplomatischen Verbin- dungen, jedoch keine dauernden, sondern vorübergehende. Die
1 Die gebrauchteren unter den zahllosen Schriften über diesen Gegenstand sind im Allgemeinen: Alberici Gentilis de legationib. libr. III. Londin.
§§. 198. 199. Die Formen des voͤlkerrechtlichen Verkehres.
Zweiter Abſchnitt. Der diplomatiſche Verkehr der Staaten.
198. Die auswärtigen Intereſſen der Einzelſtaaten können ihrer Natur nach allein von den Souveränen und den ihnen oder auch den Nationen ſelbſt verfaſſungsmäßig verantwortlichen Organen ih- res Willens wahrgenommen und beſorgt werden. Seit langer Zeit hat die Politik der Staaten dieſem Gegenſtand ihres Wirkens die größeſte Aufmerkſamkeit und Sorgfalt gewidmet; denn die Schick- ſale der Völker erhalten dadurch wenigſtens ihre förmliche Geſtal- tung, wenn ſie auch nicht allein dadurch bewegt und gemacht wer- den können. Alles was ſich darauf bezieht oder damit weſentlich beſchäftigt iſt, bezeichnet die neuere europäiſche Sprache durch di- plomatiſch, hindeutend damit theils auf die urkundlichen Grund- lagen der Staatenintereſſen, theils auf die zu ihrer Sicherſtellung dienende und nicht wohl zu entbehrende urkundliche Form der Ver- handlungen und Reſultate; bisweilen freilich in einer etwas lächer- lichen Ausdehnung auf fremdartige Dinge. Der Nimbus, womit ſich vormals die Diplomatie umhüllte, hat manchen publiciſtiſchen Schrift- ſteller angeregt, vornehmlich ihre Aeußerlichkeiten mit einer gewiſſen Coquetterie und Devotion zu behandeln und auszuſchmücken. Wir wollen im Folgenden hauptſächlich nur die leitenden Grundſätze aufſuchen und zuerſt von den beſonderen diplomatiſchen Organen, ſodann von der diplomatiſchen Kunſt, endlich von den Formen ihres Wirkens einfach nach unſerer Weiſe handeln. Die Diploma- tie geht ſelbſt nicht mehr ſo geſpreizt und blaſirt einher, wie vor- mals. Sie iſt einfacher und, wenn auch nicht öffentlich geworden, wie ſie es in der alten Welt war, wenigſtens erkennbarer und zu- gänglicher.
Erſte Unterabtheilung. Die Organe des diplomatiſchen Verkehres.1
Geſchichte und natürliches Princip.
199. Schon die alte Welt hatte ihre diplomatiſchen Verbin- dungen, jedoch keine dauernden, ſondern vorübergehende. Die
1 Die gebrauchteren unter den zahlloſen Schriften über dieſen Gegenſtand ſind im Allgemeinen: Alberici Gentilis de legationib. libr. III. Londin.
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§§. 198. 199. Die Formen des voͤlkerrechtlichen Verkehres.
Zweiter Abſchnitt.
Der diplomatiſche Verkehr der Staaten.
198. Die auswärtigen Intereſſen der Einzelſtaaten können ihrer
Natur nach allein von den Souveränen und den ihnen oder auch
den Nationen ſelbſt verfaſſungsmäßig verantwortlichen Organen ih-
res Willens wahrgenommen und beſorgt werden. Seit langer Zeit
hat die Politik der Staaten dieſem Gegenſtand ihres Wirkens die
größeſte Aufmerkſamkeit und Sorgfalt gewidmet; denn die Schick-
ſale der Völker erhalten dadurch wenigſtens ihre förmliche Geſtal-
tung, wenn ſie auch nicht allein dadurch bewegt und gemacht wer-
den können. Alles was ſich darauf bezieht oder damit weſentlich
beſchäftigt iſt, bezeichnet die neuere europäiſche Sprache durch di-
plomatiſch, hindeutend damit theils auf die urkundlichen Grund-
lagen der Staatenintereſſen, theils auf die zu ihrer Sicherſtellung
dienende und nicht wohl zu entbehrende urkundliche Form der Ver-
handlungen und Reſultate; bisweilen freilich in einer etwas lächer-
lichen Ausdehnung auf fremdartige Dinge. Der Nimbus, womit ſich
vormals die Diplomatie umhüllte, hat manchen publiciſtiſchen Schrift-
ſteller angeregt, vornehmlich ihre Aeußerlichkeiten mit einer gewiſſen
Coquetterie und Devotion zu behandeln und auszuſchmücken. Wir
wollen im Folgenden hauptſächlich nur die leitenden Grundſätze
aufſuchen und zuerſt von den beſonderen diplomatiſchen Organen,
ſodann von der diplomatiſchen Kunſt, endlich von den Formen
ihres Wirkens einfach nach unſerer Weiſe handeln. Die Diploma-
tie geht ſelbſt nicht mehr ſo geſpreizt und blaſirt einher, wie vor-
mals. Sie iſt einfacher und, wenn auch nicht öffentlich geworden,
wie ſie es in der alten Welt war, wenigſtens erkennbarer und zu-
gänglicher.
Erſte Unterabtheilung.
Die Organe des diplomatiſchen Verkehres. 1
Geſchichte und natürliches Princip.
199. Schon die alte Welt hatte ihre diplomatiſchen Verbin-
dungen, jedoch keine dauernden, ſondern vorübergehende. Die
1 Die gebrauchteren unter den zahlloſen Schriften über dieſen Gegenſtand
ſind im Allgemeinen: Alberici Gentilis de legationib. libr. III. Londin.
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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/355>, abgerufen am 03.03.2025.
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