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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Zweites Buch. §. 190.
weise stand es auch noch nach dem Frieden offen. 1 Ausgeschlos-
sen waren diejenigen, welche sich mit den Waffen dem Feinde über-
geben hatten, die Ueberläufer, die von dem vaterländischen Staat
selbst Ausgelieferten, ferner, wer freiwillig bei dem Feinde blieb
oder ausdrücklich bei dem Friedensschluß dem Feinde überlassen
ward. Nach dem heutigen Völkerrecht könnte nur denjenigen das
Postliminium entzogen sein, welche nach vaterländischen Gesetzen
oder nach den mit dem Feinde getroffenen Conventionen jeder Rück-
kehr in ihr früheres bürgerliches Verhältniß beraubt sind, oder
ihrer bürgerlichen Rechte verlustig sein sollen; alle anderen römi-
schen Ausschließungsgründe des Postliminiums können dagegen nur
bei der Frage in Betracht kommen: ob eine Kriegsgefangenschaft
für rechtmäßig beendigt zu halten sei? wobei das Postliminium
selbst noch immer vorbehalten und nur zur Zeit noch thatsächlich
suspendirt bleibt; wie z. B. dann der Fall sein kann, wenn ein
Kriegsgefangener von seiner eigenen Nation dem Feinde zurückge-
liefert würde, weil er dort sein Ehrenwort gebrochen, oder wenn
der Kriegsgefangene sich zu einer neutralen Nation gerettet, diese
aber, wie sie zu thun befugt ist, ihn der feindlichen Gewalt wieder
überliefert hätte.

Wenn das römische Recht auch da ein Postliminium annimmt,
sobald Jemand von einer zwar nicht offenbar feindlichen, jedoch
auch nicht in friedlichen Verhältnissen mit seinem Staate lebenden
Nation gefangen und zum Sclaven gemacht ist, dagegen die Fiction
des Postliminiums für unnöthig erachtet, wo man in die Gewalt
von Piraten oder eines Gegners im Bürgerkriege gerathen ist: so
bedürfen heut zu Tage alle diese Fälle keiner besonderen Berücksichti-
gung, indem das Princip des neueren Völkerrechts, welches in der
Gefangenschaft nur eine auferlegte Abwesenheit sieht, auch hierauf An-
wendung leidet, und kein Grundsatz des neueren Staatsrechtes ent-
gegensteht.

Postliminium bei einzelnen Rechtsverhältnissen.

190. Sieht man auf die Privatrechtsverhältnisse, welche durch das
Postliminium wieder erlangt werden, so kann im Allgemeinen keine

1 S. l. 14. pr. D. de captiv., eine Stelle, deren Lesart und Auslegung
übrigens nicht außer Zweifel ist.

Zweites Buch. §. 190.
weiſe ſtand es auch noch nach dem Frieden offen. 1 Ausgeſchloſ-
ſen waren diejenigen, welche ſich mit den Waffen dem Feinde über-
geben hatten, die Ueberläufer, die von dem vaterländiſchen Staat
ſelbſt Ausgelieferten, ferner, wer freiwillig bei dem Feinde blieb
oder ausdrücklich bei dem Friedensſchluß dem Feinde überlaſſen
ward. Nach dem heutigen Völkerrecht könnte nur denjenigen das
Poſtliminium entzogen ſein, welche nach vaterländiſchen Geſetzen
oder nach den mit dem Feinde getroffenen Conventionen jeder Rück-
kehr in ihr früheres bürgerliches Verhältniß beraubt ſind, oder
ihrer bürgerlichen Rechte verluſtig ſein ſollen; alle anderen römi-
ſchen Ausſchließungsgründe des Poſtliminiums können dagegen nur
bei der Frage in Betracht kommen: ob eine Kriegsgefangenſchaft
für rechtmäßig beendigt zu halten ſei? wobei das Poſtliminium
ſelbſt noch immer vorbehalten und nur zur Zeit noch thatſächlich
ſuspendirt bleibt; wie z. B. dann der Fall ſein kann, wenn ein
Kriegsgefangener von ſeiner eigenen Nation dem Feinde zurückge-
liefert würde, weil er dort ſein Ehrenwort gebrochen, oder wenn
der Kriegsgefangene ſich zu einer neutralen Nation gerettet, dieſe
aber, wie ſie zu thun befugt iſt, ihn der feindlichen Gewalt wieder
überliefert hätte.

Wenn das römiſche Recht auch da ein Poſtliminium annimmt,
ſobald Jemand von einer zwar nicht offenbar feindlichen, jedoch
auch nicht in friedlichen Verhältniſſen mit ſeinem Staate lebenden
Nation gefangen und zum Sclaven gemacht iſt, dagegen die Fiction
des Poſtliminiums für unnöthig erachtet, wo man in die Gewalt
von Piraten oder eines Gegners im Bürgerkriege gerathen iſt: ſo
bedürfen heut zu Tage alle dieſe Fälle keiner beſonderen Berückſichti-
gung, indem das Princip des neueren Völkerrechts, welches in der
Gefangenſchaft nur eine auferlegte Abweſenheit ſieht, auch hierauf An-
wendung leidet, und kein Grundſatz des neueren Staatsrechtes ent-
gegenſteht.

Poſtliminium bei einzelnen Rechtsverhältniſſen.

190. Sieht man auf die Privatrechtsverhältniſſe, welche durch das
Poſtliminium wieder erlangt werden, ſo kann im Allgemeinen keine

1 S. l. 14. pr. D. de captiv., eine Stelle, deren Lesart und Auslegung
übrigens nicht außer Zweifel iſt.
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[316/0340] Zweites Buch. §. 190. weiſe ſtand es auch noch nach dem Frieden offen. 1 Ausgeſchloſ- ſen waren diejenigen, welche ſich mit den Waffen dem Feinde über- geben hatten, die Ueberläufer, die von dem vaterländiſchen Staat ſelbſt Ausgelieferten, ferner, wer freiwillig bei dem Feinde blieb oder ausdrücklich bei dem Friedensſchluß dem Feinde überlaſſen ward. Nach dem heutigen Völkerrecht könnte nur denjenigen das Poſtliminium entzogen ſein, welche nach vaterländiſchen Geſetzen oder nach den mit dem Feinde getroffenen Conventionen jeder Rück- kehr in ihr früheres bürgerliches Verhältniß beraubt ſind, oder ihrer bürgerlichen Rechte verluſtig ſein ſollen; alle anderen römi- ſchen Ausſchließungsgründe des Poſtliminiums können dagegen nur bei der Frage in Betracht kommen: ob eine Kriegsgefangenſchaft für rechtmäßig beendigt zu halten ſei? wobei das Poſtliminium ſelbſt noch immer vorbehalten und nur zur Zeit noch thatſächlich ſuspendirt bleibt; wie z. B. dann der Fall ſein kann, wenn ein Kriegsgefangener von ſeiner eigenen Nation dem Feinde zurückge- liefert würde, weil er dort ſein Ehrenwort gebrochen, oder wenn der Kriegsgefangene ſich zu einer neutralen Nation gerettet, dieſe aber, wie ſie zu thun befugt iſt, ihn der feindlichen Gewalt wieder überliefert hätte. Wenn das römiſche Recht auch da ein Poſtliminium annimmt, ſobald Jemand von einer zwar nicht offenbar feindlichen, jedoch auch nicht in friedlichen Verhältniſſen mit ſeinem Staate lebenden Nation gefangen und zum Sclaven gemacht iſt, dagegen die Fiction des Poſtliminiums für unnöthig erachtet, wo man in die Gewalt von Piraten oder eines Gegners im Bürgerkriege gerathen iſt: ſo bedürfen heut zu Tage alle dieſe Fälle keiner beſonderen Berückſichti- gung, indem das Princip des neueren Völkerrechts, welches in der Gefangenſchaft nur eine auferlegte Abweſenheit ſieht, auch hierauf An- wendung leidet, und kein Grundſatz des neueren Staatsrechtes ent- gegenſteht. Poſtliminium bei einzelnen Rechtsverhältniſſen. 190. Sieht man auf die Privatrechtsverhältniſſe, welche durch das Poſtliminium wieder erlangt werden, ſo kann im Allgemeinen keine 1 S. l. 14. pr. D. de captiv., eine Stelle, deren Lesart und Auslegung übrigens nicht außer Zweifel iſt.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/340>, abgerufen am 23.11.2024.