Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.§. 180. Völkerrecht im Zustand des Unfriedens. 180. Als natürliche Ergebnisse der allgemeinen Grundsätze, I. Ein von den vollmächtigen Staatsrepräsentanten geschlosse- ner Friede ist unter allen Umständen verbindlich, wenn er auch durch die Uebermacht eines Theiles herbeigeführt ward, und wenn gleich unbestreitbare Rechte dadurch aufgegeben werden sollten; ist er nur nicht durch persönlichen Zwang gegen den Inhaber oder den Vertreter der Staatsgewalt bewirkt worden! 1 Ob der vorangegangene Krieg Seitens des Siegers gerecht oder ungerecht war, ändert Nichts. Der Friedensschluß erzeugt jederzeit ein neues Rechtsverhält- niß unter den Contrahenten. (§. 113.) II. Mit dem Eintritt des Friedens muß von selbst jede Feind- seligkeit und Ausübung von Rechten des Krieges aufhören. Das Recht des Krieges schließt mit diesem selbst ab. Es können demnach auch keine Kriegsprästationen in dem feind- lichen Lande ferner eingefordert werden, ja nicht einmal die Rückstände früher eingeforderter Leistungen, 2 sollten die Re- quisitionen auch nach dem Kriegsgebrauche völlig erlaubt gewesen sein. III. Der Friede soll einen Streit definitiv beseitigen: sonst wäre er nur ein Waffenstillstand. Jeder Streit demnach, welcher zum Kriege Anlaß gab, muß von selbst als abgethan gelten, und ebensowenig dürfen die im Kriege zugefügten Verletzun- gen und Beschädigungen unter den beiderseitigen Staaten ei- nen Grund zu neuen Streitigkeiten abgeben, weil sonst Krieg aus Krieg entstehen und ein Friede unmöglich sein würde. Daßel, über Friede und Friedenstractaten, Conventionen, Capitulationen u. s. f. Neustadt 1817. 1 Vgl. oben §. 85. und dazu noch Frid. Platner, de pactis Principum captivor. Lips. 1754. Klüber dr. d. g. §. 325. Vattel IV, 37. 2 Das Letztere wird nicht für unbedenklich gehalten. S. z. B. H. Cocceji
de amnestia und Vattel IV, 49. Dagegen Pinheiro-Ferreira in den No- ten zu Letzterem. Häufig wird Obiges in den Friedensverträgen ausdrück- lich erklärt. S. z. B. den Hubertsburger Frieden v. 1763. Art. 2. An- ders verhält es sich wohl mit den besonderen Privatverpflichtungen, welche gegen den Feind von Einzelnen contrahirt worden sind, um sich von abge- forderten Kriegsleistungen zu befreien. §. 180. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Unfriedens. 180. Als natürliche Ergebniſſe der allgemeinen Grundſätze, I. Ein von den vollmächtigen Staatsrepräſentanten geſchloſſe- ner Friede iſt unter allen Umſtänden verbindlich, wenn er auch durch die Uebermacht eines Theiles herbeigeführt ward, und wenn gleich unbeſtreitbare Rechte dadurch aufgegeben werden ſollten; iſt er nur nicht durch perſönlichen Zwang gegen den Inhaber oder den Vertreter der Staatsgewalt bewirkt worden! 1 Ob der vorangegangene Krieg Seitens des Siegers gerecht oder ungerecht war, ändert Nichts. Der Friedensſchluß erzeugt jederzeit ein neues Rechtsverhält- niß unter den Contrahenten. (§. 113.) II. Mit dem Eintritt des Friedens muß von ſelbſt jede Feind- ſeligkeit und Ausübung von Rechten des Krieges aufhören. Das Recht des Krieges ſchließt mit dieſem ſelbſt ab. Es können demnach auch keine Kriegspräſtationen in dem feind- lichen Lande ferner eingefordert werden, ja nicht einmal die Rückſtände früher eingeforderter Leiſtungen, 2 ſollten die Re- quiſitionen auch nach dem Kriegsgebrauche völlig erlaubt geweſen ſein. III. Der Friede ſoll einen Streit definitiv beſeitigen: ſonſt wäre er nur ein Waffenſtillſtand. Jeder Streit demnach, welcher zum Kriege Anlaß gab, muß von ſelbſt als abgethan gelten, und ebenſowenig dürfen die im Kriege zugefügten Verletzun- gen und Beſchädigungen unter den beiderſeitigen Staaten ei- nen Grund zu neuen Streitigkeiten abgeben, weil ſonſt Krieg aus Krieg entſtehen und ein Friede unmöglich ſein würde. Daßel, über Friede und Friedenstractaten, Conventionen, Capitulationen u. ſ. f. Neuſtadt 1817. 1 Vgl. oben §. 85. und dazu noch Frid. Platner, de pactis Principum captivor. Lips. 1754. Klüber dr. d. g. §. 325. Vattel IV, 37. 2 Das Letztere wird nicht für unbedenklich gehalten. S. z. B. H. Cocceji
de amnestia und Vattel IV, 49. Dagegen Pinheiro-Ferreira in den No- ten zu Letzterem. Häufig wird Obiges in den Friedensverträgen ausdrück- lich erklärt. S. z. B. den Hubertsburger Frieden v. 1763. Art. 2. An- ders verhält es ſich wohl mit den beſonderen Privatverpflichtungen, welche gegen den Feind von Einzelnen contrahirt worden ſind, um ſich von abge- forderten Kriegsleiſtungen zu befreien. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0325" n="301"/> <fw place="top" type="header">§. 180. <hi rendition="#g">Voͤlkerrecht im Zuſtand des Unfriedens</hi>.</fw><lb/> <p>180. Als natürliche Ergebniſſe der allgemeinen Grundſätze,<lb/> welche das Recht der Staaten leiten ſo wie des Weſens der Frie-<lb/> densſchlüſſe, müſſen hauptſächlich folgende anerkannt werden:</p><lb/> <list> <item><hi rendition="#aq">I.</hi> Ein von den vollmächtigen Staatsrepräſentanten geſchloſſe-<lb/> ner Friede iſt unter allen Umſtänden verbindlich, wenn er<lb/> auch durch die Uebermacht eines Theiles herbeigeführt ward,<lb/> und wenn gleich unbeſtreitbare Rechte dadurch aufgegeben<lb/> werden ſollten; iſt er nur nicht durch perſönlichen Zwang<lb/> gegen den Inhaber oder den Vertreter der Staatsgewalt<lb/> bewirkt worden! <note place="foot" n="1">Vgl. oben §. 85. und dazu noch <hi rendition="#aq">Frid. Platner, de pactis Principum<lb/> captivor. Lips.</hi> 1754. Klüber <hi rendition="#aq">dr. d. g.</hi> §. 325. Vattel <hi rendition="#aq">IV,</hi> 37.</note> Ob der vorangegangene Krieg Seitens<lb/> des Siegers gerecht oder ungerecht war, ändert Nichts.<lb/> Der Friedensſchluß erzeugt jederzeit ein neues Rechtsverhält-<lb/> niß unter den Contrahenten. (§. 113.)</item><lb/> <item><hi rendition="#aq">II.</hi> Mit dem Eintritt des Friedens muß von ſelbſt jede Feind-<lb/> ſeligkeit und Ausübung von Rechten des Krieges aufhören.<lb/> Das Recht des Krieges ſchließt mit dieſem ſelbſt ab. Es<lb/> können demnach auch keine Kriegspräſtationen in dem feind-<lb/> lichen Lande ferner eingefordert werden, ja nicht einmal die<lb/> Rückſtände früher eingeforderter Leiſtungen, <note place="foot" n="2">Das Letztere wird nicht für unbedenklich gehalten. S. z. B. H. Cocceji<lb/><hi rendition="#aq">de amnestia</hi> und Vattel <hi rendition="#aq">IV,</hi> 49. Dagegen Pinheiro-Ferreira in den No-<lb/> ten zu Letzterem. Häufig wird Obiges in den Friedensverträgen ausdrück-<lb/> lich erklärt. S. z. B. den Hubertsburger Frieden v. 1763. Art. 2. An-<lb/> ders verhält es ſich wohl mit den beſonderen Privatverpflichtungen, welche<lb/> gegen den Feind von Einzelnen contrahirt worden ſind, um ſich von abge-<lb/> forderten Kriegsleiſtungen zu befreien.</note> ſollten die Re-<lb/> quiſitionen auch nach dem Kriegsgebrauche völlig erlaubt<lb/> geweſen ſein.</item><lb/> <item><hi rendition="#aq">III.</hi> Der Friede ſoll einen Streit definitiv beſeitigen: ſonſt wäre<lb/> er nur ein Waffenſtillſtand. Jeder Streit demnach, welcher<lb/> zum Kriege Anlaß gab, muß von ſelbſt als abgethan gelten,<lb/> und ebenſowenig dürfen die im Kriege zugefügten Verletzun-<lb/> gen und Beſchädigungen unter den beiderſeitigen Staaten ei-<lb/> nen Grund zu neuen Streitigkeiten abgeben, weil ſonſt Krieg<lb/> aus Krieg entſtehen und ein Friede unmöglich ſein würde.<lb/><note xml:id="note-0325" prev="#note-0324" place="foot" n="3">Daßel, über Friede und Friedenstractaten, Conventionen, Capitulationen<lb/> u. ſ. f. Neuſtadt 1817.</note><lb/></item> </list> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [301/0325]
§. 180. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Unfriedens.
180. Als natürliche Ergebniſſe der allgemeinen Grundſätze,
welche das Recht der Staaten leiten ſo wie des Weſens der Frie-
densſchlüſſe, müſſen hauptſächlich folgende anerkannt werden:
I. Ein von den vollmächtigen Staatsrepräſentanten geſchloſſe-
ner Friede iſt unter allen Umſtänden verbindlich, wenn er
auch durch die Uebermacht eines Theiles herbeigeführt ward,
und wenn gleich unbeſtreitbare Rechte dadurch aufgegeben
werden ſollten; iſt er nur nicht durch perſönlichen Zwang
gegen den Inhaber oder den Vertreter der Staatsgewalt
bewirkt worden! 1 Ob der vorangegangene Krieg Seitens
des Siegers gerecht oder ungerecht war, ändert Nichts.
Der Friedensſchluß erzeugt jederzeit ein neues Rechtsverhält-
niß unter den Contrahenten. (§. 113.)
II. Mit dem Eintritt des Friedens muß von ſelbſt jede Feind-
ſeligkeit und Ausübung von Rechten des Krieges aufhören.
Das Recht des Krieges ſchließt mit dieſem ſelbſt ab. Es
können demnach auch keine Kriegspräſtationen in dem feind-
lichen Lande ferner eingefordert werden, ja nicht einmal die
Rückſtände früher eingeforderter Leiſtungen, 2 ſollten die Re-
quiſitionen auch nach dem Kriegsgebrauche völlig erlaubt
geweſen ſein.
III. Der Friede ſoll einen Streit definitiv beſeitigen: ſonſt wäre
er nur ein Waffenſtillſtand. Jeder Streit demnach, welcher
zum Kriege Anlaß gab, muß von ſelbſt als abgethan gelten,
und ebenſowenig dürfen die im Kriege zugefügten Verletzun-
gen und Beſchädigungen unter den beiderſeitigen Staaten ei-
nen Grund zu neuen Streitigkeiten abgeben, weil ſonſt Krieg
aus Krieg entſtehen und ein Friede unmöglich ſein würde.
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1 Vgl. oben §. 85. und dazu noch Frid. Platner, de pactis Principum
captivor. Lips. 1754. Klüber dr. d. g. §. 325. Vattel IV, 37.
2 Das Letztere wird nicht für unbedenklich gehalten. S. z. B. H. Cocceji
de amnestia und Vattel IV, 49. Dagegen Pinheiro-Ferreira in den No-
ten zu Letzterem. Häufig wird Obiges in den Friedensverträgen ausdrück-
lich erklärt. S. z. B. den Hubertsburger Frieden v. 1763. Art. 2. An-
ders verhält es ſich wohl mit den beſonderen Privatverpflichtungen, welche
gegen den Feind von Einzelnen contrahirt worden ſind, um ſich von abge-
forderten Kriegsleiſtungen zu befreien.
3 Daßel, über Friede und Friedenstractaten, Conventionen, Capitulationen
u. ſ. f. Neuſtadt 1817.
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