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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Zweites Buch. §. 160.
wie z. B. Pferde; oder es sind auch nur erst Stoffe oder Theile
der vorerwähnten Sachen, die noch weiter verarbeitet werden
müssen; oder es sind wohl gar erst die Mittel, um Stoffe oder
fertige Gegenstände der Art sich zu verschaffen. 1 Ferner kön-
nen Zeiten und Umstände Etwas für einen Kriegführenden unent-
behrlich, für den anderen oder zu anderer Zeit sehr entbehrlich und
nutzlos machen. Man erkennt sofort, daß aus dem Begriff der
Kriegshilfe an und für sich keine Entscheidung genommen werden
kann, welche der vorbemerkten Sachen für Contrebande zu halten
seien oder nicht. Gleichwohl handelt es sich um eine genaue,
keiner Willkühr unterworfene Festsetzung, weil um Strafe, und
auch diese Feststellung kann, wie das Recht der Contrebande über-
haupt, nur durch Einverständniß der betheiligten Staatsgewalten
erlangt werden. Nie ist den Kriegführenden allein nach eigenem
Gutfinden eine derartige Bestimmung überlassen worden, obgleich sie
sich dieses bei hinreichender Macht herausgenommen haben.

Zunächst also geben die einzelnen Verträge für die darin Be-
griffenen Maaß und Ziel. Die Kriegscontrebande erstreckt sich dar-
nach bald auf mehr bald auf weniger Artikel. Dabei ist der
Grundsatz einer strengen Auslegung gerechtfertigt, denn es handelt
sich um Einräumung eines Strafrechts. 2 Fehlt es an giltigen
Verträgen, so kann nur dasjenige als Kriegscontrebande gelten,
was immer und gleichförmig von allen Völkern als Contrebande
der Neutralen behandelt worden ist. Dahin gehören indeß allein
militärische Angriffs- und Schutzwaffen nebst Kriegsmunition, 3

1 Unzureichend ist der von Groot III, 1, 5. gemachte Unterschied, obgleich
er von späteren Publicisten weiter ausgebeutet worden ist. Vgl. Wheaton,
histoire p. 75. 293.
2 Sir Will. Scott hat sich freilich daran nicht gekehrt. Ein Prisenurtheil ge-
gen die Holländer wegen des Schiffbauholzes von 1779 giebt davon Zeugniß.
3 Man sehe das Corollarium bei v. Steck S. 203. und Nau §. 156. Frank-
reich hielt diese Regel in dem Utrechter Vertrag mit England im Jahre
1713 fest. Man findet sie ferner in den Verträgen der bewaffneten Neu-
tralität (Nau §. 157.) und darnach in dem Allg. Preuß. Landr. Th. II,
Tit. 8. §. 2034 ff. Selbst Großbritannien gestand sie in dem Vertrage
mit Rußland vom Juni 1801. Art. 2. Nr. 1. zu. (Man vgl. Wheaton,
histoire p. 324 u. f.) Auch in den neuesten Verträgen ist sie vorherr-
schend geblieben; so in den Verträgen der Nord- und Südamericanischen
Staaten; mit Columbien v. 3. Dec. 1824. mit Chili v. 16. Mai 1832.
Art. 14. mit Centralamerica vom 5. Dec. 1825. mit dem Mexicanischen

Zweites Buch. §. 160.
wie z. B. Pferde; oder es ſind auch nur erſt Stoffe oder Theile
der vorerwähnten Sachen, die noch weiter verarbeitet werden
müſſen; oder es ſind wohl gar erſt die Mittel, um Stoffe oder
fertige Gegenſtände der Art ſich zu verſchaffen. 1 Ferner kön-
nen Zeiten und Umſtände Etwas für einen Kriegführenden unent-
behrlich, für den anderen oder zu anderer Zeit ſehr entbehrlich und
nutzlos machen. Man erkennt ſofort, daß aus dem Begriff der
Kriegshilfe an und für ſich keine Entſcheidung genommen werden
kann, welche der vorbemerkten Sachen für Contrebande zu halten
ſeien oder nicht. Gleichwohl handelt es ſich um eine genaue,
keiner Willkühr unterworfene Feſtſetzung, weil um Strafe, und
auch dieſe Feſtſtellung kann, wie das Recht der Contrebande über-
haupt, nur durch Einverſtändniß der betheiligten Staatsgewalten
erlangt werden. Nie iſt den Kriegführenden allein nach eigenem
Gutfinden eine derartige Beſtimmung überlaſſen worden, obgleich ſie
ſich dieſes bei hinreichender Macht herausgenommen haben.

Zunächſt alſo geben die einzelnen Verträge für die darin Be-
griffenen Maaß und Ziel. Die Kriegscontrebande erſtreckt ſich dar-
nach bald auf mehr bald auf weniger Artikel. Dabei iſt der
Grundſatz einer ſtrengen Auslegung gerechtfertigt, denn es handelt
ſich um Einräumung eines Strafrechts. 2 Fehlt es an giltigen
Verträgen, ſo kann nur dasjenige als Kriegscontrebande gelten,
was immer und gleichförmig von allen Völkern als Contrebande
der Neutralen behandelt worden iſt. Dahin gehören indeß allein
militäriſche Angriffs- und Schutzwaffen nebſt Kriegsmunition, 3

1 Unzureichend iſt der von Groot III, 1, 5. gemachte Unterſchied, obgleich
er von ſpäteren Publiciſten weiter ausgebeutet worden iſt. Vgl. Wheaton,
histoire p. 75. 293.
2 Sir Will. Scott hat ſich freilich daran nicht gekehrt. Ein Priſenurtheil ge-
gen die Holländer wegen des Schiffbauholzes von 1779 giebt davon Zeugniß.
3 Man ſehe das Corollarium bei v. Steck S. 203. und Nau §. 156. Frank-
reich hielt dieſe Regel in dem Utrechter Vertrag mit England im Jahre
1713 feſt. Man findet ſie ferner in den Verträgen der bewaffneten Neu-
tralität (Nau §. 157.) und darnach in dem Allg. Preuß. Landr. Th. II,
Tit. 8. §. 2034 ff. Selbſt Großbritannien geſtand ſie in dem Vertrage
mit Rußland vom Juni 1801. Art. 2. Nr. 1. zu. (Man vgl. Wheaton,
histoire p. 324 u. f.) Auch in den neueſten Verträgen iſt ſie vorherr-
ſchend geblieben; ſo in den Verträgen der Nord- und Südamericaniſchen
Staaten; mit Columbien v. 3. Dec. 1824. mit Chili v. 16. Mai 1832.
Art. 14. mit Centralamerica vom 5. Dec. 1825. mit dem Mexicaniſchen
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[268/0292] Zweites Buch. §. 160. wie z. B. Pferde; oder es ſind auch nur erſt Stoffe oder Theile der vorerwähnten Sachen, die noch weiter verarbeitet werden müſſen; oder es ſind wohl gar erſt die Mittel, um Stoffe oder fertige Gegenſtände der Art ſich zu verſchaffen. 1 Ferner kön- nen Zeiten und Umſtände Etwas für einen Kriegführenden unent- behrlich, für den anderen oder zu anderer Zeit ſehr entbehrlich und nutzlos machen. Man erkennt ſofort, daß aus dem Begriff der Kriegshilfe an und für ſich keine Entſcheidung genommen werden kann, welche der vorbemerkten Sachen für Contrebande zu halten ſeien oder nicht. Gleichwohl handelt es ſich um eine genaue, keiner Willkühr unterworfene Feſtſetzung, weil um Strafe, und auch dieſe Feſtſtellung kann, wie das Recht der Contrebande über- haupt, nur durch Einverſtändniß der betheiligten Staatsgewalten erlangt werden. Nie iſt den Kriegführenden allein nach eigenem Gutfinden eine derartige Beſtimmung überlaſſen worden, obgleich ſie ſich dieſes bei hinreichender Macht herausgenommen haben. Zunächſt alſo geben die einzelnen Verträge für die darin Be- griffenen Maaß und Ziel. Die Kriegscontrebande erſtreckt ſich dar- nach bald auf mehr bald auf weniger Artikel. Dabei iſt der Grundſatz einer ſtrengen Auslegung gerechtfertigt, denn es handelt ſich um Einräumung eines Strafrechts. 2 Fehlt es an giltigen Verträgen, ſo kann nur dasjenige als Kriegscontrebande gelten, was immer und gleichförmig von allen Völkern als Contrebande der Neutralen behandelt worden iſt. Dahin gehören indeß allein militäriſche Angriffs- und Schutzwaffen nebſt Kriegsmunition, 3 1 Unzureichend iſt der von Groot III, 1, 5. gemachte Unterſchied, obgleich er von ſpäteren Publiciſten weiter ausgebeutet worden iſt. Vgl. Wheaton, histoire p. 75. 293. 2 Sir Will. Scott hat ſich freilich daran nicht gekehrt. Ein Priſenurtheil ge- gen die Holländer wegen des Schiffbauholzes von 1779 giebt davon Zeugniß. 3 Man ſehe das Corollarium bei v. Steck S. 203. und Nau §. 156. Frank- reich hielt dieſe Regel in dem Utrechter Vertrag mit England im Jahre 1713 feſt. Man findet ſie ferner in den Verträgen der bewaffneten Neu- tralität (Nau §. 157.) und darnach in dem Allg. Preuß. Landr. Th. II, Tit. 8. §. 2034 ff. Selbſt Großbritannien geſtand ſie in dem Vertrage mit Rußland vom Juni 1801. Art. 2. Nr. 1. zu. (Man vgl. Wheaton, histoire p. 324 u. f.) Auch in den neueſten Verträgen iſt ſie vorherr- ſchend geblieben; ſo in den Verträgen der Nord- und Südamericaniſchen Staaten; mit Columbien v. 3. Dec. 1824. mit Chili v. 16. Mai 1832. Art. 14. mit Centralamerica vom 5. Dec. 1825. mit dem Mexicaniſchen

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/292>, abgerufen am 27.11.2024.