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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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§. 130. Völkerrecht im Zustand des Unfriedens.
andern Theiles geriethen, hinfällig und wirkungslos wurde, und
dem Sieger die Aneignung dieser Sachen mit allen Wirkungen
des Eigenthums zufiel. 1 Ja, man hielt das dem Feinde abge-
nommene Gut für das sicherste und gerechteste Eigenthum! 2 Was
man nicht behalten wollte, unterlag willkührlicher Zerstörung.
Nichts hatte auf Schonung Anspruch; Verwüstungen des feindli-
chen Landes, der Städte und Wohnungen, ja selbst der Tempel
waren wenigstens der Regel nach nicht ausgeschlossen; noch in
der römisch-christlichen Zeit wurden die sonst so heilig gehaltenen
Grabmäler, worin Leichen der feindlichen Staatsangehörigen ge-
borgen waren, nicht als unverletzbar geachtet. 3 Auch was sich
beim Ausbruche des Krieges in Feindesland befand, verfiel dem
Feinde als Beute. 4

Hinsichtlich der Person des Erwerbers bestand nicht überall ein
gleiches Recht. Im Römerreiche beobachtete man hauptsächlich
den Unterschied, daß alles feindliche unbewegliche Gut durch die
Wegnahme des Siegers (occupatio bellica) Eigenthum des sie-
genden Staats ward, wogegen das bewegliche Gut der Feinde als
Beute (praeda bellica) den besitzergreifenden Einzelnen anheim
fiel, die in Gemeinschaft gemachte Beute aber in gewissen Ver-
hältnissen unter den Theilnehmern, auch wohl mit bestimmten Abzü-
gen für den Staatsschatz und die Tempel getheilt ward. 5

Ein ganz anderes Recht mußte sich aus der Idee des neueren
Kriegsrechtes ergeben, die wir bereits oben dargelegt haben. Der
Krieg ist nicht nothwendig, sondern nur soweit als nothwendig
eine That der Vernichtung und eine Auflösung aller Rechtsver-
hältnisse; es ist kein ewiger Krieg unter sittlichen Nationen, son-
dern sein immer im Auge behaltenes Ziel ist der Frieden. Dieser
ist nur einstweilen suspendirt; jener, eine vorübergehende Thatsache,

1 L. 1. §. 1. l. 5. §. 7. pr. D. de acqu. rer. domin. 1. 20. §. 1. D.
de captiv. et postl. Gaii Comment. II, 69. §. 17. J. de div. rer.
2 "Omnium maxime", sagt der Jurist Gaius a. a. O. IV, 16. von den
Vorfahren, "sua esse credebant quae ex hostibus cepissent. Unde in
centumviralibus iudiciis hasta praeponitur."
3 L. 4. D. de sepulcro viol. l. 36. D. de religios. "sepulcra hostium
nobis religiosa non sunt."
4 L. 51. D. de acqu. rer. dom. l. 12. pr. D. de captiv.
5 Vgl. Groot III, 6, 14 f. Cujas, Obss. XIX, 7. Vinnius zu §. 17.
J. de rer. divis. J. J. Barthelemy, Oeuvr. div. Par. 1798. I, 1.

§. 130. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Unfriedens.
andern Theiles geriethen, hinfällig und wirkungslos wurde, und
dem Sieger die Aneignung dieſer Sachen mit allen Wirkungen
des Eigenthums zufiel. 1 Ja, man hielt das dem Feinde abge-
nommene Gut für das ſicherſte und gerechteſte Eigenthum! 2 Was
man nicht behalten wollte, unterlag willkührlicher Zerſtörung.
Nichts hatte auf Schonung Anſpruch; Verwüſtungen des feindli-
chen Landes, der Städte und Wohnungen, ja ſelbſt der Tempel
waren wenigſtens der Regel nach nicht ausgeſchloſſen; noch in
der römiſch-chriſtlichen Zeit wurden die ſonſt ſo heilig gehaltenen
Grabmäler, worin Leichen der feindlichen Staatsangehörigen ge-
borgen waren, nicht als unverletzbar geachtet. 3 Auch was ſich
beim Ausbruche des Krieges in Feindesland befand, verfiel dem
Feinde als Beute. 4

Hinſichtlich der Perſon des Erwerbers beſtand nicht überall ein
gleiches Recht. Im Römerreiche beobachtete man hauptſächlich
den Unterſchied, daß alles feindliche unbewegliche Gut durch die
Wegnahme des Siegers (occupatio bellica) Eigenthum des ſie-
genden Staats ward, wogegen das bewegliche Gut der Feinde als
Beute (praeda bellica) den beſitzergreifenden Einzelnen anheim
fiel, die in Gemeinſchaft gemachte Beute aber in gewiſſen Ver-
hältniſſen unter den Theilnehmern, auch wohl mit beſtimmten Abzü-
gen für den Staatsſchatz und die Tempel getheilt ward. 5

Ein ganz anderes Recht mußte ſich aus der Idee des neueren
Kriegsrechtes ergeben, die wir bereits oben dargelegt haben. Der
Krieg iſt nicht nothwendig, ſondern nur ſoweit als nothwendig
eine That der Vernichtung und eine Auflöſung aller Rechtsver-
hältniſſe; es iſt kein ewiger Krieg unter ſittlichen Nationen, ſon-
dern ſein immer im Auge behaltenes Ziel iſt der Frieden. Dieſer
iſt nur einſtweilen ſuspendirt; jener, eine vorübergehende Thatſache,

1 L. 1. §. 1. l. 5. §. 7. pr. D. de acqu. rer. domin. 1. 20. §. 1. D.
de captiv. et postl. Gaii Comment. II, 69. §. 17. J. de div. rer.
2 „Omnium maxime“, ſagt der Juriſt Gaius a. a. O. IV, 16. von den
Vorfahren, „sua esse credebant quae ex hostibus cepissent. Unde in
centumviralibus iudiciis hasta praeponitur.“
3 L. 4. D. de sepulcro viol. l. 36. D. de religios. „sepulcra hostium
nobis religiosa non sunt.“
4 L. 51. D. de acqu. rer. dom. l. 12. pr. D. de captiv.
5 Vgl. Groot III, 6, 14 f. Cujas, Obss. XIX, 7. Vinnius zu §. 17.
J. de rer. divis. J. J. Barthelemy, Oeuvr. div. Par. 1798. I, 1.
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[219/0243] §. 130. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Unfriedens. andern Theiles geriethen, hinfällig und wirkungslos wurde, und dem Sieger die Aneignung dieſer Sachen mit allen Wirkungen des Eigenthums zufiel. 1 Ja, man hielt das dem Feinde abge- nommene Gut für das ſicherſte und gerechteſte Eigenthum! 2 Was man nicht behalten wollte, unterlag willkührlicher Zerſtörung. Nichts hatte auf Schonung Anſpruch; Verwüſtungen des feindli- chen Landes, der Städte und Wohnungen, ja ſelbſt der Tempel waren wenigſtens der Regel nach nicht ausgeſchloſſen; noch in der römiſch-chriſtlichen Zeit wurden die ſonſt ſo heilig gehaltenen Grabmäler, worin Leichen der feindlichen Staatsangehörigen ge- borgen waren, nicht als unverletzbar geachtet. 3 Auch was ſich beim Ausbruche des Krieges in Feindesland befand, verfiel dem Feinde als Beute. 4 Hinſichtlich der Perſon des Erwerbers beſtand nicht überall ein gleiches Recht. Im Römerreiche beobachtete man hauptſächlich den Unterſchied, daß alles feindliche unbewegliche Gut durch die Wegnahme des Siegers (occupatio bellica) Eigenthum des ſie- genden Staats ward, wogegen das bewegliche Gut der Feinde als Beute (praeda bellica) den beſitzergreifenden Einzelnen anheim fiel, die in Gemeinſchaft gemachte Beute aber in gewiſſen Ver- hältniſſen unter den Theilnehmern, auch wohl mit beſtimmten Abzü- gen für den Staatsſchatz und die Tempel getheilt ward. 5 Ein ganz anderes Recht mußte ſich aus der Idee des neueren Kriegsrechtes ergeben, die wir bereits oben dargelegt haben. Der Krieg iſt nicht nothwendig, ſondern nur ſoweit als nothwendig eine That der Vernichtung und eine Auflöſung aller Rechtsver- hältniſſe; es iſt kein ewiger Krieg unter ſittlichen Nationen, ſon- dern ſein immer im Auge behaltenes Ziel iſt der Frieden. Dieſer iſt nur einſtweilen ſuspendirt; jener, eine vorübergehende Thatſache, 1 L. 1. §. 1. l. 5. §. 7. pr. D. de acqu. rer. domin. 1. 20. §. 1. D. de captiv. et postl. Gaii Comment. II, 69. §. 17. J. de div. rer. 2 „Omnium maxime“, ſagt der Juriſt Gaius a. a. O. IV, 16. von den Vorfahren, „sua esse credebant quae ex hostibus cepissent. Unde in centumviralibus iudiciis hasta praeponitur.“ 3 L. 4. D. de sepulcro viol. l. 36. D. de religios. „sepulcra hostium nobis religiosa non sunt.“ 4 L. 51. D. de acqu. rer. dom. l. 12. pr. D. de captiv. 5 Vgl. Groot III, 6, 14 f. Cujas, Obss. XIX, 7. Vinnius zu §. 17. J. de rer. divis. J. J. Barthelemy, Oeuvr. div. Par. 1798. I, 1.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/243>, abgerufen am 28.11.2024.