Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweites Buch. §. 130.
z. B. den Versicherungen feindlicher Güter, 1 so wie er anderer-
seits durch Ertheilung specieller Licenzen einen bestimmten Ver-
kehr erlauben mag, wodurch aber natürlich dem feindlichen Theile
keine Verbindlichkeit zur Beachtung der Licenz auferlegt wird. 2
Keineswegs läßt sich übrigens behaupten, daß eine absolute Han-
dels- und Handelsgeschäftssperre unter feindlichen Staaten die
Selbstfolge der Kriegseröffnung sei, wenn sie gleich das Gesetz ein-
zelner Staaten ist. Es bedarf vielmehr deutlicher Erklärungen je-
der Staatsgewalt über diesen Gegenstand, wenigstens eines aus-
drücklichen allgemeinen Handelsverbotes, 3 indem die Handelsfrei-
heit der Einzelnen nicht erst von dem Staate kommt, sondern von
demselben nur seine Beschränkungen zu empfangen hat, der Krieg
aber an sich ein absolutes natürliches Hinderniß des Handelsver-
kehrs unter Einzelnen nicht darstellt. 4 Eben so wenig kann ein
Alliirter dem andern Alliirten eine absolute Prohibition, wenn sie
nicht schon durch Vertrag feststeht, zur Pflicht machen wollen;
nur offenbare Handelsbegünstigungen des feindlichen Theiles von
Seiten eines Alliirten darf der Andere untersagen und thatsächlich
dagegen durch Beschlagnahme einwirken. 5

Recht auf einzelne feindliche Sachen überhaupt. 6

130. Nach dem Geiste des älteren Kriegsrechtes, welches je-
den Krieg als Vernichtungskrieg, und jeden Feind als rechtlos
betrachtete, war es eine natürliche Consequenz, daß auch alles
feindliche Eigenthumsrecht an Sachen, welche in die Gewalt des

1 de Steck, Essais sur div. sujets. p. 14 s.
2 Ueber diese und ihre stricte Bedeutung s. Jacobsen Seerecht, S. 423 f.
719--731. Wheaton, intern. L. IV, 1, §. 22.
3 Vgl. Nau, Völkerseerecht §. 263. Anderer Meinung scheint Bynkershoeck,
quaest. iur. publ. 1, 3.
4 Die strenge Britische, Nordamericanische und Französische Praxis s. bei
Wheaton a. a. O. §. 13. vergl. mit Valin, Commentar zur Ordonn.
v. 1681. III, 6, 3.
5 Auch hierüber findet man eine strengere Ansicht bei Bynkershoeck quaest.
1, 10. und Wheaton a. a. O. §. 14. Billig aber fragt man, wie ein
Alliirter sich anmaßen dürfe, dem Verbündeten Gesetze seines Verhaltens
vorzuschreiben und eine Jurisdiction über seine Unterthanen auszuüben,
wenn das Bündniß kein Recht dazu ertheilt?
6 Groot III, c. 5 u. 6. Vattel III, 9 u. 13. v. Martens Völkerrecht
§. 274 f. Einzelne Schriften bei v. Ompteda §. 308. v. Kamptz §. 306.

Zweites Buch. §. 130.
z. B. den Verſicherungen feindlicher Güter, 1 ſo wie er anderer-
ſeits durch Ertheilung ſpecieller Licenzen einen beſtimmten Ver-
kehr erlauben mag, wodurch aber natürlich dem feindlichen Theile
keine Verbindlichkeit zur Beachtung der Licenz auferlegt wird. 2
Keineswegs läßt ſich übrigens behaupten, daß eine abſolute Han-
dels- und Handelsgeſchäftsſperre unter feindlichen Staaten die
Selbſtfolge der Kriegseröffnung ſei, wenn ſie gleich das Geſetz ein-
zelner Staaten iſt. Es bedarf vielmehr deutlicher Erklärungen je-
der Staatsgewalt über dieſen Gegenſtand, wenigſtens eines aus-
drücklichen allgemeinen Handelsverbotes, 3 indem die Handelsfrei-
heit der Einzelnen nicht erſt von dem Staate kommt, ſondern von
demſelben nur ſeine Beſchränkungen zu empfangen hat, der Krieg
aber an ſich ein abſolutes natürliches Hinderniß des Handelsver-
kehrs unter Einzelnen nicht darſtellt. 4 Eben ſo wenig kann ein
Alliirter dem andern Alliirten eine abſolute Prohibition, wenn ſie
nicht ſchon durch Vertrag feſtſteht, zur Pflicht machen wollen;
nur offenbare Handelsbegünſtigungen des feindlichen Theiles von
Seiten eines Alliirten darf der Andere unterſagen und thatſächlich
dagegen durch Beſchlagnahme einwirken. 5

Recht auf einzelne feindliche Sachen überhaupt. 6

130. Nach dem Geiſte des älteren Kriegsrechtes, welches je-
den Krieg als Vernichtungskrieg, und jeden Feind als rechtlos
betrachtete, war es eine natürliche Conſequenz, daß auch alles
feindliche Eigenthumsrecht an Sachen, welche in die Gewalt des

1 de Steck, Essais sur div. sujets. p. 14 s.
2 Ueber dieſe und ihre ſtricte Bedeutung ſ. Jacobſen Seerecht, S. 423 f.
719—731. Wheaton, intern. L. IV, 1, §. 22.
3 Vgl. Nau, Völkerſeerecht §. 263. Anderer Meinung ſcheint Bynkershoeck,
quaest. iur. publ. 1, 3.
4 Die ſtrenge Britiſche, Nordamericaniſche und Franzöſiſche Praxis ſ. bei
Wheaton a. a. O. §. 13. vergl. mit Valin, Commentar zur Ordonn.
v. 1681. III, 6, 3.
5 Auch hierüber findet man eine ſtrengere Anſicht bei Bynkershoeck quaest.
1, 10. und Wheaton a. a. O. §. 14. Billig aber fragt man, wie ein
Alliirter ſich anmaßen dürfe, dem Verbündeten Geſetze ſeines Verhaltens
vorzuſchreiben und eine Jurisdiction über ſeine Unterthanen auszuüben,
wenn das Bündniß kein Recht dazu ertheilt?
6 Groot III, c. 5 u. 6. Vattel III, 9 u. 13. v. Martens Völkerrecht
§. 274 f. Einzelne Schriften bei v. Ompteda §. 308. v. Kamptz §. 306.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0242" n="218"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweites Buch</hi>. §. 130.</fw><lb/>
z. B. den Ver&#x017F;icherungen feindlicher Güter, <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">de Steck, Essais sur div. sujets. p. 14 s.</hi></note> &#x017F;o wie er anderer-<lb/>
&#x017F;eits durch Ertheilung &#x017F;pecieller <hi rendition="#g">Licenzen</hi> einen be&#x017F;timmten Ver-<lb/>
kehr erlauben mag, wodurch aber natürlich dem feindlichen Theile<lb/>
keine Verbindlichkeit zur Beachtung der Licenz auferlegt wird. <note place="foot" n="2">Ueber die&#x017F;e und ihre &#x017F;tricte Bedeutung &#x017F;. Jacob&#x017F;en Seerecht, S. 423 f.<lb/>
719&#x2014;731. Wheaton, <hi rendition="#aq">intern. L. IV,</hi> 1, §. 22.</note><lb/>
Keineswegs läßt &#x017F;ich übrigens behaupten, daß eine ab&#x017F;olute Han-<lb/>
dels- und Handelsge&#x017F;chäfts&#x017F;perre unter feindlichen Staaten die<lb/>
Selb&#x017F;tfolge der Kriegseröffnung &#x017F;ei, wenn &#x017F;ie gleich das Ge&#x017F;etz ein-<lb/>
zelner Staaten i&#x017F;t. Es bedarf vielmehr deutlicher Erklärungen je-<lb/>
der Staatsgewalt über die&#x017F;en Gegen&#x017F;tand, wenig&#x017F;tens eines aus-<lb/>
drücklichen allgemeinen Handelsverbotes, <note place="foot" n="3">Vgl. Nau, Völker&#x017F;eerecht §. 263. Anderer Meinung &#x017F;cheint Bynkershoeck,<lb/><hi rendition="#aq">quaest. iur. publ.</hi> 1, 3.</note> indem die Handelsfrei-<lb/>
heit der Einzelnen nicht er&#x017F;t von dem Staate kommt, &#x017F;ondern von<lb/>
dem&#x017F;elben nur &#x017F;eine Be&#x017F;chränkungen zu empfangen hat, der Krieg<lb/>
aber an &#x017F;ich ein ab&#x017F;olutes natürliches Hinderniß des Handelsver-<lb/>
kehrs unter Einzelnen nicht dar&#x017F;tellt. <note place="foot" n="4">Die &#x017F;trenge Briti&#x017F;che, Nordamericani&#x017F;che und Franzö&#x017F;i&#x017F;che Praxis &#x017F;. bei<lb/>
Wheaton a. a. O. §. 13. vergl. mit Valin, Commentar zur Ordonn.<lb/>
v. 1681. <hi rendition="#aq">III,</hi> 6, 3.</note> Eben &#x017F;o wenig kann ein<lb/>
Alliirter dem andern Alliirten eine ab&#x017F;olute Prohibition, wenn &#x017F;ie<lb/>
nicht &#x017F;chon durch Vertrag fe&#x017F;t&#x017F;teht, zur Pflicht machen wollen;<lb/>
nur offenbare Handelsbegün&#x017F;tigungen des feindlichen Theiles von<lb/>
Seiten eines Alliirten darf der Andere unter&#x017F;agen und that&#x017F;ächlich<lb/>
dagegen durch Be&#x017F;chlagnahme einwirken. <note place="foot" n="5">Auch hierüber findet man eine &#x017F;trengere An&#x017F;icht bei Bynkershoeck <hi rendition="#aq">quaest.</hi><lb/>
1, 10. und Wheaton a. a. O. §. 14. Billig aber fragt man, wie ein<lb/>
Alliirter &#x017F;ich anmaßen dürfe, dem Verbündeten Ge&#x017F;etze &#x017F;eines Verhaltens<lb/>
vorzu&#x017F;chreiben und eine Jurisdiction über &#x017F;eine Unterthanen auszuüben,<lb/>
wenn das Bündniß kein Recht dazu ertheilt?</note></p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Recht auf einzelne feindliche Sachen überhaupt. <note place="foot" n="6">Groot <hi rendition="#aq">III, c.</hi> 5 u. 6. Vattel <hi rendition="#aq">III,</hi> 9 u. 13. v. Martens Völkerrecht<lb/>
§. 274 f. Einzelne Schriften bei v. Ompteda §. 308. v. Kamptz §. 306.</note></head><lb/>
            <p>130. Nach dem Gei&#x017F;te des älteren Kriegsrechtes, welches je-<lb/>
den Krieg als Vernichtungskrieg, und jeden Feind als rechtlos<lb/>
betrachtete, war es eine natürliche Con&#x017F;equenz, daß auch alles<lb/>
feindliche Eigenthumsrecht an Sachen, welche in die Gewalt des<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[218/0242] Zweites Buch. §. 130. z. B. den Verſicherungen feindlicher Güter, 1 ſo wie er anderer- ſeits durch Ertheilung ſpecieller Licenzen einen beſtimmten Ver- kehr erlauben mag, wodurch aber natürlich dem feindlichen Theile keine Verbindlichkeit zur Beachtung der Licenz auferlegt wird. 2 Keineswegs läßt ſich übrigens behaupten, daß eine abſolute Han- dels- und Handelsgeſchäftsſperre unter feindlichen Staaten die Selbſtfolge der Kriegseröffnung ſei, wenn ſie gleich das Geſetz ein- zelner Staaten iſt. Es bedarf vielmehr deutlicher Erklärungen je- der Staatsgewalt über dieſen Gegenſtand, wenigſtens eines aus- drücklichen allgemeinen Handelsverbotes, 3 indem die Handelsfrei- heit der Einzelnen nicht erſt von dem Staate kommt, ſondern von demſelben nur ſeine Beſchränkungen zu empfangen hat, der Krieg aber an ſich ein abſolutes natürliches Hinderniß des Handelsver- kehrs unter Einzelnen nicht darſtellt. 4 Eben ſo wenig kann ein Alliirter dem andern Alliirten eine abſolute Prohibition, wenn ſie nicht ſchon durch Vertrag feſtſteht, zur Pflicht machen wollen; nur offenbare Handelsbegünſtigungen des feindlichen Theiles von Seiten eines Alliirten darf der Andere unterſagen und thatſächlich dagegen durch Beſchlagnahme einwirken. 5 Recht auf einzelne feindliche Sachen überhaupt. 6 130. Nach dem Geiſte des älteren Kriegsrechtes, welches je- den Krieg als Vernichtungskrieg, und jeden Feind als rechtlos betrachtete, war es eine natürliche Conſequenz, daß auch alles feindliche Eigenthumsrecht an Sachen, welche in die Gewalt des 1 de Steck, Essais sur div. sujets. p. 14 s. 2 Ueber dieſe und ihre ſtricte Bedeutung ſ. Jacobſen Seerecht, S. 423 f. 719—731. Wheaton, intern. L. IV, 1, §. 22. 3 Vgl. Nau, Völkerſeerecht §. 263. Anderer Meinung ſcheint Bynkershoeck, quaest. iur. publ. 1, 3. 4 Die ſtrenge Britiſche, Nordamericaniſche und Franzöſiſche Praxis ſ. bei Wheaton a. a. O. §. 13. vergl. mit Valin, Commentar zur Ordonn. v. 1681. III, 6, 3. 5 Auch hierüber findet man eine ſtrengere Anſicht bei Bynkershoeck quaest. 1, 10. und Wheaton a. a. O. §. 14. Billig aber fragt man, wie ein Alliirter ſich anmaßen dürfe, dem Verbündeten Geſetze ſeines Verhaltens vorzuſchreiben und eine Jurisdiction über ſeine Unterthanen auszuüben, wenn das Bündniß kein Recht dazu ertheilt? 6 Groot III, c. 5 u. 6. Vattel III, 9 u. 13. v. Martens Völkerrecht §. 274 f. Einzelne Schriften bei v. Ompteda §. 308. v. Kamptz §. 306.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/242
Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/242>, abgerufen am 22.12.2024.