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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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§. 110. Völkerrecht im Zustand des Unfriedens.
teilichkeit zum Grunde liegt, keinen Grund zur Anfechtung darbie-
ten. 1 Nur bei der eigentlichen Arbitratio ist der Nachweis einer
thatsächlichen Unrichtigkeit und darauf beruhenden Unbilligkeit stets
vorbehalten. 2

Zu allen Zeiten ist der schiedsrichterliche Weg in verschiedenen
Formen benutzt worden. Bei den Griechen durch Berufung auf
eine dritte befreundete Stadt; 3 bei den Römern in älterer Zeit
durch die Reciperatio. 4 Einen festeren fast staatsrichterlichen Cha-
racter haben die Bundesgerichte in Bundesstaaten und Staaten-
vereinen; so schon in den griechischen Staatenvereinen 5 und ge-
genwärtig die Austrägal-Institution des deutschen Bundes für die
souveränen Glieder desselben 6, oder Statt deren das Bundesschieds-
gericht. 7 Hier tritt die vollziehende Macht des Bundes selbst
hinzu.

Anwendung von Gewaltsmaaßregeln; insbesondere Repressalien.

110. Sind gütliche Versuche vergebens angewandt, oder ge-
stattet das Dringende der Gefahr überhaupt keinen solchen Versuch,
so beginnt das Recht der Selbsthilfe und zwar bei Forderungen
bestimmter Gegenstände, durch Wegnahme derselben wo man sie
findet, oder durch Aneignung eines Aequivalents aus den Gütern
des schuldigen Theiles, welche man in seiner Gewalt hat, außer-
dem aber durch Anwendung von Repressivmitteln gegen das Un-
recht des andern Theiles, und zwar entweder mit Eröffnung eines
eigentlichen Kriegszustandes (Abschn. 2.) oder vorerst mit Anwen-

1 Vgl. Groot a. a. O.
2 Die s. g. reductio ad arbitrium viri boni, worauf sich auch l. 76. 78.
79. D. pro soc.
u. l. 9. D. qui satisd. cog. bezieht.
3 Die polis ekkletos. M. s. des Verf. Athen. Gerichtsverf. S. 340.
4 Gallus Aelius bei Festus: "Reciperatio est, cum inter populum et re-
ges nationesque ac civitates peregrinas lex convenit, quomodo per re-
ciperatorem reddantur res reciperenturque, resque privatas inter se per-
sequantur."
5 Z. B. im Achäischen Bundesverhältniß. Polyb. II, 37, 10. Fr. W. Titt-
mann griech. Staatsverf. S. 687. Die Versammlung der Amphictyonen
hatte schwerlich eine so große Bedeutung, als man ihr oft beigelegt hat.
6 Das Neueste hierüber: v. Leonhardi, das Austrägalverfahren des d. Bun-
des. Frkf. 1838.
7 Nach dem Bundesbeschluß vom 30. Oct. 1834. Art. XII.

§. 110. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Unfriedens.
teilichkeit zum Grunde liegt, keinen Grund zur Anfechtung darbie-
ten. 1 Nur bei der eigentlichen Arbitratio iſt der Nachweis einer
thatſächlichen Unrichtigkeit und darauf beruhenden Unbilligkeit ſtets
vorbehalten. 2

Zu allen Zeiten iſt der ſchiedsrichterliche Weg in verſchiedenen
Formen benutzt worden. Bei den Griechen durch Berufung auf
eine dritte befreundete Stadt; 3 bei den Römern in älterer Zeit
durch die Reciperatio. 4 Einen feſteren faſt ſtaatsrichterlichen Cha-
racter haben die Bundesgerichte in Bundesſtaaten und Staaten-
vereinen; ſo ſchon in den griechiſchen Staatenvereinen 5 und ge-
genwärtig die Austrägal-Inſtitution des deutſchen Bundes für die
ſouveränen Glieder deſſelben 6, oder Statt deren das Bundesſchieds-
gericht. 7 Hier tritt die vollziehende Macht des Bundes ſelbſt
hinzu.

Anwendung von Gewaltsmaaßregeln; insbeſondere Repreſſalien.

110. Sind gütliche Verſuche vergebens angewandt, oder ge-
ſtattet das Dringende der Gefahr überhaupt keinen ſolchen Verſuch,
ſo beginnt das Recht der Selbſthilfe und zwar bei Forderungen
beſtimmter Gegenſtände, durch Wegnahme derſelben wo man ſie
findet, oder durch Aneignung eines Aequivalents aus den Gütern
des ſchuldigen Theiles, welche man in ſeiner Gewalt hat, außer-
dem aber durch Anwendung von Repreſſivmitteln gegen das Un-
recht des andern Theiles, und zwar entweder mit Eröffnung eines
eigentlichen Kriegszuſtandes (Abſchn. 2.) oder vorerſt mit Anwen-

1 Vgl. Groot a. a. O.
2 Die ſ. g. reductio ad arbitrium viri boni, worauf ſich auch l. 76. 78.
79. D. pro soc.
u. l. 9. D. qui satisd. cog. bezieht.
3 Die πόλις ἔκκλητος. M. ſ. des Verf. Athen. Gerichtsverf. S. 340.
4 Gallus Aelius bei Feſtus: „Reciperatio est, cum inter populum et re-
ges nationesque ac civitates peregrinas lex convenit, quomodo per re-
ciperatorem reddantur res reciperenturque, resque privatas inter se per-
sequantur.“
5 Z. B. im Achäiſchen Bundesverhältniß. Polyb. II, 37, 10. Fr. W. Titt-
mann griech. Staatsverf. S. 687. Die Verſammlung der Amphictyonen
hatte ſchwerlich eine ſo große Bedeutung, als man ihr oft beigelegt hat.
6 Das Neueſte hierüber: v. Leonhardi, das Austrägalverfahren des d. Bun-
des. Frkf. 1838.
7 Nach dem Bundesbeſchluß vom 30. Oct. 1834. Art. XII.
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[189/0213] §. 110. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Unfriedens. teilichkeit zum Grunde liegt, keinen Grund zur Anfechtung darbie- ten. 1 Nur bei der eigentlichen Arbitratio iſt der Nachweis einer thatſächlichen Unrichtigkeit und darauf beruhenden Unbilligkeit ſtets vorbehalten. 2 Zu allen Zeiten iſt der ſchiedsrichterliche Weg in verſchiedenen Formen benutzt worden. Bei den Griechen durch Berufung auf eine dritte befreundete Stadt; 3 bei den Römern in älterer Zeit durch die Reciperatio. 4 Einen feſteren faſt ſtaatsrichterlichen Cha- racter haben die Bundesgerichte in Bundesſtaaten und Staaten- vereinen; ſo ſchon in den griechiſchen Staatenvereinen 5 und ge- genwärtig die Austrägal-Inſtitution des deutſchen Bundes für die ſouveränen Glieder deſſelben 6, oder Statt deren das Bundesſchieds- gericht. 7 Hier tritt die vollziehende Macht des Bundes ſelbſt hinzu. Anwendung von Gewaltsmaaßregeln; insbeſondere Repreſſalien. 110. Sind gütliche Verſuche vergebens angewandt, oder ge- ſtattet das Dringende der Gefahr überhaupt keinen ſolchen Verſuch, ſo beginnt das Recht der Selbſthilfe und zwar bei Forderungen beſtimmter Gegenſtände, durch Wegnahme derſelben wo man ſie findet, oder durch Aneignung eines Aequivalents aus den Gütern des ſchuldigen Theiles, welche man in ſeiner Gewalt hat, außer- dem aber durch Anwendung von Repreſſivmitteln gegen das Un- recht des andern Theiles, und zwar entweder mit Eröffnung eines eigentlichen Kriegszuſtandes (Abſchn. 2.) oder vorerſt mit Anwen- 1 Vgl. Groot a. a. O. 2 Die ſ. g. reductio ad arbitrium viri boni, worauf ſich auch l. 76. 78. 79. D. pro soc. u. l. 9. D. qui satisd. cog. bezieht. 3 Die πόλις ἔκκλητος. M. ſ. des Verf. Athen. Gerichtsverf. S. 340. 4 Gallus Aelius bei Feſtus: „Reciperatio est, cum inter populum et re- ges nationesque ac civitates peregrinas lex convenit, quomodo per re- ciperatorem reddantur res reciperenturque, resque privatas inter se per- sequantur.“ 5 Z. B. im Achäiſchen Bundesverhältniß. Polyb. II, 37, 10. Fr. W. Titt- mann griech. Staatsverf. S. 687. Die Verſammlung der Amphictyonen hatte ſchwerlich eine ſo große Bedeutung, als man ihr oft beigelegt hat. 6 Das Neueſte hierüber: v. Leonhardi, das Austrägalverfahren des d. Bun- des. Frkf. 1838. 7 Nach dem Bundesbeſchluß vom 30. Oct. 1834. Art. XII.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/213>, abgerufen am 27.11.2024.