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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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§. 109. Völkerrecht im Zustand des Unfriedens.
gelangt, 1 und gewiß nicht zu bevorworten. Das billigste, wie-
wohl auch nicht immer entsprechende Mittel ist die Unterwerfung
unter einen Schiedspruch. 2

Compromiß.

109. Soll durch Auftragsertheilung von Einem oder mehre-
ren Dritten ein völkerrechtlicher Streit entschieden werden, so be-
darf es dazu einer ausdrücklichen Convention der Betheiligten mit
den ausersehenen Schiedspersonen ganz nach den Grundsätzen der
völkerrechtlichen Verträge. Ein solches Compromiß geht dann ent-
weder nur dahin, ein schon durch Vereinbarung feststehendes Prin-
cip in Beziehung auf einen gewissen Gegenstand unter den Par-
teien in Ausführung zu bringen (arbitratio), z. B. eine Grenz-
berichtigung oder Theilung nach gewissen Maaßen oder Proportio-
nen zu vollziehen, 3 oder auch eine Streitfrage selbst erst zu erör-
tern und nach Recht und Billigkeit zu entscheiden (eigentliches
arbitrium). Das Compromiß muß die näheren Modalitäten be-
stimmen, an welche die Ausführung des Schiedsauftrags gebun-
den sein soll, aber es bedarf dazu keiner Pönalstipulation. Sowohl
Privatpersonen 4 wie auch Souveräne können zu Schiedsrichtern
gewählt werden; Erstere können nur in Person handeln, Letztere
können sich bei der Erörterung durch Delegirte vertreten lassen oder
sich dabei ihrer Räthe bedienen, wenn sie nur den endlichen Aus-

1 Beispiele aus älterer Zeit s. in Pet. Müller de duellis Principum. Jen.
1702. Ward, Enquiry, II, p. 216 s.
Die neueste Provocation erließ
K. Gustav IV. an Napoleon. Die Sache selbst bedarf keiner Erörterung
für das heutige Völkerrecht. Das Mittel ist ein an sich unzulässiges Ent-
scheidungsmittel, weil es die Entscheidung auch zu Gunsten des im Unrecht
befindlichen Theiles wenden kann.
2 Vergl. im Allgemeinen Abr. Gerh. Sam. Haldimund, de modo compo-
nendi controversias inter aequales et potissimum de arbitris compromis-
sariis. Lugd. B.
1738.
3 Die Unterscheidung dieses Falles von dem eigentlichen Arbitrium ist vor-
längst von den Processualisten als eine natürliche erkannt und jeder Anfech-
tung entzogen. Vgl. im Allgemeinen v. Neumann J. princ. priv. t. VIII,
§. 1 sqq.
4 In älterer Zeit, selbst in Staats- und Fürsten-Angelegenheiten sehr ge-
wöhnlich. Vgl. Hellfeld zu Struv. Jurispr. heroic. Cap. I, §. 21 u. s. w.
77. v. Neumann l. c. 12. 13.

§. 109. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Unfriedens.
gelangt, 1 und gewiß nicht zu bevorworten. Das billigſte, wie-
wohl auch nicht immer entſprechende Mittel iſt die Unterwerfung
unter einen Schiedſpruch. 2

Compromiß.

109. Soll durch Auftragsertheilung von Einem oder mehre-
ren Dritten ein völkerrechtlicher Streit entſchieden werden, ſo be-
darf es dazu einer ausdrücklichen Convention der Betheiligten mit
den auserſehenen Schiedsperſonen ganz nach den Grundſätzen der
völkerrechtlichen Verträge. Ein ſolches Compromiß geht dann ent-
weder nur dahin, ein ſchon durch Vereinbarung feſtſtehendes Prin-
cip in Beziehung auf einen gewiſſen Gegenſtand unter den Par-
teien in Ausführung zu bringen (arbitratio), z. B. eine Grenz-
berichtigung oder Theilung nach gewiſſen Maaßen oder Proportio-
nen zu vollziehen, 3 oder auch eine Streitfrage ſelbſt erſt zu erör-
tern und nach Recht und Billigkeit zu entſcheiden (eigentliches
arbitrium). Das Compromiß muß die näheren Modalitäten be-
ſtimmen, an welche die Ausführung des Schiedsauftrags gebun-
den ſein ſoll, aber es bedarf dazu keiner Pönalſtipulation. Sowohl
Privatperſonen 4 wie auch Souveräne können zu Schiedsrichtern
gewählt werden; Erſtere können nur in Perſon handeln, Letztere
können ſich bei der Erörterung durch Delegirte vertreten laſſen oder
ſich dabei ihrer Räthe bedienen, wenn ſie nur den endlichen Aus-

1 Beiſpiele aus älterer Zeit ſ. in Pet. Müller de duellis Principum. Jen.
1702. Ward, Enquiry, II, p. 216 s.
Die neueſte Provocation erließ
K. Guſtav IV. an Napoleon. Die Sache ſelbſt bedarf keiner Erörterung
für das heutige Völkerrecht. Das Mittel iſt ein an ſich unzuläſſiges Ent-
ſcheidungsmittel, weil es die Entſcheidung auch zu Gunſten des im Unrecht
befindlichen Theiles wenden kann.
2 Vergl. im Allgemeinen Abr. Gerh. Sam. Haldimund, de modo compo-
nendi controversias inter aequales et potissimum de arbitris compromis-
sariis. Lugd. B.
1738.
3 Die Unterſcheidung dieſes Falles von dem eigentlichen Arbitrium iſt vor-
längſt von den Proceſſualiſten als eine natürliche erkannt und jeder Anfech-
tung entzogen. Vgl. im Allgemeinen v. Neumann J. princ. priv. t. VIII,
§. 1 sqq.
4 In älterer Zeit, ſelbſt in Staats- und Fürſten-Angelegenheiten ſehr ge-
wöhnlich. Vgl. Hellfeld zu Struv. Jurispr. heroic. Cap. I, §. 21 u. ſ. w.
77. v. Neumann l. c. 12. 13.
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[187/0211] §. 109. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Unfriedens. gelangt, 1 und gewiß nicht zu bevorworten. Das billigſte, wie- wohl auch nicht immer entſprechende Mittel iſt die Unterwerfung unter einen Schiedſpruch. 2 Compromiß. 109. Soll durch Auftragsertheilung von Einem oder mehre- ren Dritten ein völkerrechtlicher Streit entſchieden werden, ſo be- darf es dazu einer ausdrücklichen Convention der Betheiligten mit den auserſehenen Schiedsperſonen ganz nach den Grundſätzen der völkerrechtlichen Verträge. Ein ſolches Compromiß geht dann ent- weder nur dahin, ein ſchon durch Vereinbarung feſtſtehendes Prin- cip in Beziehung auf einen gewiſſen Gegenſtand unter den Par- teien in Ausführung zu bringen (arbitratio), z. B. eine Grenz- berichtigung oder Theilung nach gewiſſen Maaßen oder Proportio- nen zu vollziehen, 3 oder auch eine Streitfrage ſelbſt erſt zu erör- tern und nach Recht und Billigkeit zu entſcheiden (eigentliches arbitrium). Das Compromiß muß die näheren Modalitäten be- ſtimmen, an welche die Ausführung des Schiedsauftrags gebun- den ſein ſoll, aber es bedarf dazu keiner Pönalſtipulation. Sowohl Privatperſonen 4 wie auch Souveräne können zu Schiedsrichtern gewählt werden; Erſtere können nur in Perſon handeln, Letztere können ſich bei der Erörterung durch Delegirte vertreten laſſen oder ſich dabei ihrer Räthe bedienen, wenn ſie nur den endlichen Aus- 1 Beiſpiele aus älterer Zeit ſ. in Pet. Müller de duellis Principum. Jen. 1702. Ward, Enquiry, II, p. 216 s. Die neueſte Provocation erließ K. Guſtav IV. an Napoleon. Die Sache ſelbſt bedarf keiner Erörterung für das heutige Völkerrecht. Das Mittel iſt ein an ſich unzuläſſiges Ent- ſcheidungsmittel, weil es die Entſcheidung auch zu Gunſten des im Unrecht befindlichen Theiles wenden kann. 2 Vergl. im Allgemeinen Abr. Gerh. Sam. Haldimund, de modo compo- nendi controversias inter aequales et potissimum de arbitris compromis- sariis. Lugd. B. 1738. 3 Die Unterſcheidung dieſes Falles von dem eigentlichen Arbitrium iſt vor- längſt von den Proceſſualiſten als eine natürliche erkannt und jeder Anfech- tung entzogen. Vgl. im Allgemeinen v. Neumann J. princ. priv. t. VIII, §. 1 sqq. 4 In älterer Zeit, ſelbſt in Staats- und Fürſten-Angelegenheiten ſehr ge- wöhnlich. Vgl. Hellfeld zu Struv. Jurispr. heroic. Cap. I, §. 21 u. ſ. w. 77. v. Neumann l. c. 12. 13.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/211>, abgerufen am 24.11.2024.