Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.Erstes Buch. §. 88. welche das Vertrauen des andern Theiles verletzt und eine Mißstim-mung desselben rechtfertigt, so wie unter Umständen eine Entschä- digungsforderung für die im Vertrauen auf den Umfang der Voll- macht getroffenen Maaßregeln und für den gemachten vergeblichen Aufwand. Unentbehrlich ist die Ratification wenn sie ausdrücklich vorbehalten ist, oder eine Sponsion (§. 84.) Rechtsverbindlichkeit für den Betheiligten erlangen soll, obwohl auch in diesen Fällen der Anfangspunct der Giltigkeit in den Zeitpunct der Abschließung zu versetzen ist, sobald die Ratification wirklich erfolgt. Endlich giebt bei bloß impliciten Vollmachten (§. 84 a. E.) die Ratification des Vertretenen erst die volle Gewißheit über den Umfang der er- theilten Berechtigung. Gewiß kann sie aber auch in allen Fällen durch concludirte Handlungen, namentlich durch stillschweigende Vollziehung der getroffenen Vereinbarung erklärt werden. 1 Mitwirkung Dritter bei der Vertragsschließung. 88. Zu den Zufälligkeiten bei der Abschließung völkerrechtlicher 1) die gütliche Verwendung (bona officia) einer dritten Person oder Macht, es sei nun bloß zur ersten Einleitung der Unterhandlung unter den eigentlichen Interessenten oder zu ihrer Wiederaufnahme, wenn sie in Stocken gerathen sind, was sowohl aus freiem Antrieb, wie auch auf Ansuchen oder vermöge vertragsmäßiger Verpflichtung geschehen kann (§. 83.), wodurch indeß kein besonderes Rechtsverhältniß hervorgerufen wird, es müßte denn für eine bestimmte Raths- ertheilung (consilium) eine Verantwortlichkeit ausdrücklich übernommen worden sein. 2) die eigentliche Vermittlung (mediatio), wenn ein Dritter mit Genehmigung der Interessenten an den Verhand- lungen fortgesetzten Antheil bis zu Ende nimmt und die ge- 15. -- Martens §. 42. weicht nur darin ab, daß er die Ratification des Einen Theils auf die des Andern nachziehend denkt. (Eine ähnliche fast noch weiter gehende, rein privatrechtliche Ansicht findet sich in einem [Cel- lischen] Austrägalurtheil bei v. Leonhardi, Austrägalverf. S. 319 f.) Viele Beispiele unratificirt gebliebener Verträge s. bei demselben und bei Klüber a. a. O. Pölitz, Völkerr. S. 158. Das constitutionelle Staatsrecht macht es besonders wichtig, bei jedem Vertrage die Ratification vorzubehalten. 1 Groot II, 15, 17. Wheaton §. 3. a. E.
Erſtes Buch. §. 88. welche das Vertrauen des andern Theiles verletzt und eine Mißſtim-mung deſſelben rechtfertigt, ſo wie unter Umſtänden eine Entſchä- digungsforderung für die im Vertrauen auf den Umfang der Voll- macht getroffenen Maaßregeln und für den gemachten vergeblichen Aufwand. Unentbehrlich iſt die Ratification wenn ſie ausdrücklich vorbehalten iſt, oder eine Sponſion (§. 84.) Rechtsverbindlichkeit für den Betheiligten erlangen ſoll, obwohl auch in dieſen Fällen der Anfangspunct der Giltigkeit in den Zeitpunct der Abſchließung zu verſetzen iſt, ſobald die Ratification wirklich erfolgt. Endlich giebt bei bloß impliciten Vollmachten (§. 84 a. E.) die Ratification des Vertretenen erſt die volle Gewißheit über den Umfang der er- theilten Berechtigung. Gewiß kann ſie aber auch in allen Fällen durch concludirte Handlungen, namentlich durch ſtillſchweigende Vollziehung der getroffenen Vereinbarung erklärt werden. 1 Mitwirkung Dritter bei der Vertragsſchließung. 88. Zu den Zufälligkeiten bei der Abſchließung völkerrechtlicher 1) die gütliche Verwendung (bona officia) einer dritten Perſon oder Macht, es ſei nun bloß zur erſten Einleitung der Unterhandlung unter den eigentlichen Intereſſenten oder zu ihrer Wiederaufnahme, wenn ſie in Stocken gerathen ſind, was ſowohl aus freiem Antrieb, wie auch auf Anſuchen oder vermöge vertragsmäßiger Verpflichtung geſchehen kann (§. 83.), wodurch indeß kein beſonderes Rechtsverhältniß hervorgerufen wird, es müßte denn für eine beſtimmte Raths- ertheilung (consilium) eine Verantwortlichkeit ausdrücklich übernommen worden ſein. 2) die eigentliche Vermittlung (mediatio), wenn ein Dritter mit Genehmigung der Intereſſenten an den Verhand- lungen fortgeſetzten Antheil bis zu Ende nimmt und die ge- 15. — Martens §. 42. weicht nur darin ab, daß er die Ratification des Einen Theils auf die des Andern nachziehend denkt. (Eine ähnliche faſt noch weiter gehende, rein privatrechtliche Anſicht findet ſich in einem [Cel- liſchen] Auſträgalurtheil bei v. Leonhardi, Auſträgalverf. S. 319 f.) Viele Beiſpiele unratificirt gebliebener Verträge ſ. bei demſelben und bei Klüber a. a. O. Pölitz, Völkerr. S. 158. Das conſtitutionelle Staatsrecht macht es beſonders wichtig, bei jedem Vertrage die Ratification vorzubehalten. 1 Groot II, 15, 17. Wheaton §. 3. a. E.
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Erſtes Buch. §. 88.
welche das Vertrauen des andern Theiles verletzt und eine Mißſtim-
mung deſſelben rechtfertigt, ſo wie unter Umſtänden eine Entſchä-
digungsforderung für die im Vertrauen auf den Umfang der Voll-
macht getroffenen Maaßregeln und für den gemachten vergeblichen
Aufwand. Unentbehrlich iſt die Ratification wenn ſie ausdrücklich
vorbehalten iſt, oder eine Sponſion (§. 84.) Rechtsverbindlichkeit
für den Betheiligten erlangen ſoll, obwohl auch in dieſen Fällen
der Anfangspunct der Giltigkeit in den Zeitpunct der Abſchließung
zu verſetzen iſt, ſobald die Ratification wirklich erfolgt. Endlich
giebt bei bloß impliciten Vollmachten (§. 84 a. E.) die Ratification
des Vertretenen erſt die volle Gewißheit über den Umfang der er-
theilten Berechtigung. Gewiß kann ſie aber auch in allen Fällen
durch concludirte Handlungen, namentlich durch ſtillſchweigende
Vollziehung der getroffenen Vereinbarung erklärt werden. 1
Mitwirkung Dritter bei der Vertragsſchließung.
88. Zu den Zufälligkeiten bei der Abſchließung völkerrechtlicher
Verträge gehört
1) die gütliche Verwendung (bona officia) einer dritten
Perſon oder Macht, es ſei nun bloß zur erſten Einleitung
der Unterhandlung unter den eigentlichen Intereſſenten oder
zu ihrer Wiederaufnahme, wenn ſie in Stocken gerathen ſind,
was ſowohl aus freiem Antrieb, wie auch auf Anſuchen
oder vermöge vertragsmäßiger Verpflichtung geſchehen kann
(§. 83.), wodurch indeß kein beſonderes Rechtsverhältniß
hervorgerufen wird, es müßte denn für eine beſtimmte Raths-
ertheilung (consilium) eine Verantwortlichkeit ausdrücklich
übernommen worden ſein.
2) die eigentliche Vermittlung (mediatio), wenn ein
Dritter mit Genehmigung der Intereſſenten an den Verhand-
lungen fortgeſetzten Antheil bis zu Ende nimmt und die ge-
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1 Groot II, 15, 17. Wheaton §. 3. a. E.
4 15. — Martens §. 42. weicht nur darin ab, daß er die Ratification des
Einen Theils auf die des Andern nachziehend denkt. (Eine ähnliche faſt
noch weiter gehende, rein privatrechtliche Anſicht findet ſich in einem [Cel-
liſchen] Auſträgalurtheil bei v. Leonhardi, Auſträgalverf. S. 319 f.) Viele
Beiſpiele unratificirt gebliebener Verträge ſ. bei demſelben und bei Klüber
a. a. O. Pölitz, Völkerr. S. 158. Das conſtitutionelle Staatsrecht macht
es beſonders wichtig, bei jedem Vertrage die Ratification vorzubehalten.
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