Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.§. 41. Völkerrecht im Zustand des Friedens. dem Cardinalcollegium nach der kirchlichen Verfassung seitdem Mittelalter, jure humano, abhängig. Den katholischen Nationen und ihren Regenten wird weder eine Mitwirkung in der Leitung der allgemeinen Kirche noch auch ein Ein- fluß auf die Pabstwahl ausdrücklich zugestanden; indessen ist die Erkiesung besonderer Schutzcardinäle (Cardinales Pro- tectores nationum) von Seiten einzelner katholischer Re- gierungen, hauptsächlich seit dem 15 ten Jahrh., üblich ge- worden; auch haben einige Großmächte (Oesterreich, Frank- reich und Spanien) eine s. g. Exclusive gegen die Wahl des einen oder anderen Candidaten vor der Wahl hergebracht, welche indeß die dennoch getroffene Wahl nicht vernichten würde. 1 Im Uebrigen bestehen zwischen Rom und anderen Staaten die gewöhnlichen diplomatischen Verbindungsmittel. IV. Vermöge uralten Herkommens stand die Römische Kirche und ihr Haupt unter dem Schutz der Römischen Kaiserkrone bis zur Auflösung des heil. Röm. Reichs im J. 1806, wozu die früheren Verhältnisse Roms im Mittelalter, namentlich seit Pipin und Carl d. Gr., den Grund gelegt hatten. 2 Ein neuer Beschützer ist für jetzt nicht gewählt, noch auch von Rechtswegen an die Stelle des Römischen Kaisers ge- treten. 3 Alle übrigen Verhältnisse der Römischen Kirchengewalt gehö- 1 Schriften hierüber in v. Kamptz, Lit. §. 103. Namentlich: Toze, kl. Schriften. Leipz. 1791. S. 412 f. Moser, Beitr. in Friedensz. I, 307. Günther, II, 415. 2 Hüllmann, Kirchenverf. 167. 172. 3 Eine Erörterung der Frage findet sich bei Al. Müller, die neu aufgelebte Schirmvogtei des Oesterr. Kaisers über die Römisch-kathol. Kirche. Erf. 1830. 4 Ausführlich ist hierüber Günther, Völkerr. I., 162 f.
§. 41. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens. dem Cardinalcollegium nach der kirchlichen Verfaſſung ſeitdem Mittelalter, jure humano, abhängig. Den katholiſchen Nationen und ihren Regenten wird weder eine Mitwirkung in der Leitung der allgemeinen Kirche noch auch ein Ein- fluß auf die Pabſtwahl ausdrücklich zugeſtanden; indeſſen iſt die Erkieſung beſonderer Schutzcardinäle (Cardinales Pro- tectores nationum) von Seiten einzelner katholiſcher Re- gierungen, hauptſächlich ſeit dem 15 ten Jahrh., üblich ge- worden; auch haben einige Großmächte (Oeſterreich, Frank- reich und Spanien) eine ſ. g. Excluſive gegen die Wahl des einen oder anderen Candidaten vor der Wahl hergebracht, welche indeß die dennoch getroffene Wahl nicht vernichten würde. 1 Im Uebrigen beſtehen zwiſchen Rom und anderen Staaten die gewöhnlichen diplomatiſchen Verbindungsmittel. IV. Vermöge uralten Herkommens ſtand die Römiſche Kirche und ihr Haupt unter dem Schutz der Römiſchen Kaiſerkrone bis zur Auflöſung des heil. Röm. Reichs im J. 1806, wozu die früheren Verhältniſſe Roms im Mittelalter, namentlich ſeit Pipin und Carl d. Gr., den Grund gelegt hatten. 2 Ein neuer Beſchützer iſt für jetzt nicht gewählt, noch auch von Rechtswegen an die Stelle des Römiſchen Kaiſers ge- treten. 3 Alle übrigen Verhältniſſe der Römiſchen Kirchengewalt gehö- 1 Schriften hierüber in v. Kamptz, Lit. §. 103. Namentlich: Toze, kl. Schriften. Leipz. 1791. S. 412 f. Moſer, Beitr. in Friedensz. I, 307. Günther, II, 415. 2 Hüllmann, Kirchenverf. 167. 172. 3 Eine Erörterung der Frage findet ſich bei Al. Müller, die neu aufgelebte Schirmvogtei des Oeſterr. Kaiſers über die Römiſch-kathol. Kirche. Erf. 1830. 4 Ausführlich iſt hierüber Günther, Völkerr. I., 162 f.
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§. 41. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens.
dem Cardinalcollegium nach der kirchlichen Verfaſſung ſeit
dem Mittelalter, jure humano, abhängig. Den katholiſchen
Nationen und ihren Regenten wird weder eine Mitwirkung
in der Leitung der allgemeinen Kirche noch auch ein Ein-
fluß auf die Pabſtwahl ausdrücklich zugeſtanden; indeſſen iſt
die Erkieſung beſonderer Schutzcardinäle (Cardinales Pro-
tectores nationum) von Seiten einzelner katholiſcher Re-
gierungen, hauptſächlich ſeit dem 15 ten Jahrh., üblich ge-
worden; auch haben einige Großmächte (Oeſterreich, Frank-
reich und Spanien) eine ſ. g. Excluſive gegen die Wahl des
einen oder anderen Candidaten vor der Wahl hergebracht,
welche indeß die dennoch getroffene Wahl nicht vernichten
würde. 1 Im Uebrigen beſtehen zwiſchen Rom und anderen
Staaten die gewöhnlichen diplomatiſchen Verbindungsmittel.
IV. Vermöge uralten Herkommens ſtand die Römiſche Kirche und
ihr Haupt unter dem Schutz der Römiſchen Kaiſerkrone bis
zur Auflöſung des heil. Röm. Reichs im J. 1806, wozu
die früheren Verhältniſſe Roms im Mittelalter, namentlich
ſeit Pipin und Carl d. Gr., den Grund gelegt hatten. 2
Ein neuer Beſchützer iſt für jetzt nicht gewählt, noch auch
von Rechtswegen an die Stelle des Römiſchen Kaiſers ge-
treten. 3
Alle übrigen Verhältniſſe der Römiſchen Kirchengewalt gehö-
ren dem particulären Staats- und Kirchenrecht an. Es gab eine
Zeit, wo Rom alle weltlichen Reiche auch in weltlichen Dingen
in Abhängigkeit von ſich zu ſetzen ſuchte. Es legte ſich ein Con-
firmationsrecht über Kaiſer, Könige und Fürſten bei, eine oberſte
Cenſur von Regierungshandlungen, Beſteuerungsrechte und derglei-
chen. Frankreich widerſtand zuerſt ſiegreich und die hochgeſpann-
ten Prätenſionen ſind ſeitdem verſchollen. 4 Würdig und natür-
lich für eine allgemeine Kirche erſcheint nur ein ſchiedrichterliches
1 Schriften hierüber in v. Kamptz, Lit. §. 103. Namentlich: Toze, kl.
Schriften. Leipz. 1791. S. 412 f. Moſer, Beitr. in Friedensz. I, 307.
Günther, II, 415.
2 Hüllmann, Kirchenverf. 167. 172.
3 Eine Erörterung der Frage findet ſich bei Al. Müller, die neu aufgelebte
Schirmvogtei des Oeſterr. Kaiſers über die Römiſch-kathol. Kirche. Erf.
1830.
4 Ausführlich iſt hierüber Günther, Völkerr. I., 162 f.
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