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Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809.

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B. 1. Riv. zw. Frankr. u. Span. 1515--1556.
bedenklich werden. An welchen Staatshändeln
mußte Carl bey so vielen Berührungspuncten nicht
Antheil nehmen? Und wohin konnte diese Theilnahme
bey einer solchen Macht nicht führen? Die den
Habsburgern beygelegte Idee einer sogenannten Uni-
versalmonarchie
, war, in so fern man darunter
nicht eine unmittelbare Herrschaft, sondern nur den
Principat in Europa versteht, so wenig ein lee-
res Phantom, daß sie vielmehr von selbst aus der
Lage jenes Hauses hervorging; und der Kampf von
Franz I., wenn auch im Einzelnen durch Leiden-
schaft und kleinliche Ursachen erzeugt, und zunächst
nur auf den Principat in Italien gerichtet, war doch,
aus einem höhern Gesichtspunkt betrachtet, ein Kampf
für Selbstständigkeit und Unabhängigkeit.

Schätzung der wahren Macht der beyden Fürsten. Die
Macht von Carl V. verlor 1. durch die Verschiedenheit seiner
Verhältnisse in seinen verschiedenen Staaten: er war nir-
gends, selbst nicht in Spanien, unumschränkt. 2. Durch die
beständigen Finanzverlegenheiten, und die nie regelmäßig
bezahlten Truppen, die oft deßhalb kaum seine Truppen
heißen konnten. Dagegen die so sehr concentrirte Macht
Frankreichs nicht nur 1. dem Könige fast unumschränkt zu Ge-
bote stand; sondern auch 2. durch die Errichtung einer eignen
National-Infanterie statt der Miethtruppen erst furchtbar
wurde. Aber doch 3. sehr dadurch sich beschränkte, daß
Franz I. nicht die Staatswirthschaft seines Vorgängers befolgte.

6. Erster Krieg zwischen Franz I. und Carl V.,1521
bis
1526

angefangen von Franz I., und nach öfterm Wechsel

durch

B. 1. Riv. zw. Frankr. u. Span. 1515--1556.
bedenklich werden. An welchen Staatshaͤndeln
mußte Carl bey ſo vielen Beruͤhrungspuncten nicht
Antheil nehmen? Und wohin konnte dieſe Theilnahme
bey einer ſolchen Macht nicht fuͤhren? Die den
Habsburgern beygelegte Idee einer ſogenannten Uni-
verſalmonarchie
, war, in ſo fern man darunter
nicht eine unmittelbare Herrſchaft, ſondern nur den
Principat in Europa verſteht, ſo wenig ein lee-
res Phantom, daß ſie vielmehr von ſelbſt aus der
Lage jenes Hauſes hervorging; und der Kampf von
Franz I., wenn auch im Einzelnen durch Leiden-
ſchaft und kleinliche Urſachen erzeugt, und zunaͤchſt
nur auf den Principat in Italien gerichtet, war doch,
aus einem hoͤhern Geſichtspunkt betrachtet, ein Kampf
fuͤr Selbſtſtaͤndigkeit und Unabhaͤngigkeit.

Schaͤtzung der wahren Macht der beyden Fuͤrſten. Die
Macht von Carl V. verlor 1. durch die Verſchiedenheit ſeiner
Verhaͤltniſſe in ſeinen verſchiedenen Staaten: er war nir-
gends, ſelbſt nicht in Spanien, unumſchraͤnkt. 2. Durch die
beſtaͤndigen Finanzverlegenheiten, und die nie regelmaͤßig
bezahlten Truppen, die oft deßhalb kaum ſeine Truppen
heißen konnten. Dagegen die ſo ſehr concentrirte Macht
Frankreichs nicht nur 1. dem Koͤnige faſt unumſchraͤnkt zu Ge-
bote ſtand; ſondern auch 2. durch die Errichtung einer eignen
National-Infanterie ſtatt der Miethtruppen erſt furchtbar
wurde. Aber doch 3. ſehr dadurch ſich beſchraͤnkte, daß
Franz I. nicht die Staatswirthſchaft ſeines Vorgaͤngers befolgte.

6. Erſter Krieg zwiſchen Franz I. und Carl V.,1521
bis
1526

angefangen von Franz I., und nach oͤfterm Wechſel

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[43/0081] B. 1. Riv. zw. Frankr. u. Span. 1515--1556. bedenklich werden. An welchen Staatshaͤndeln mußte Carl bey ſo vielen Beruͤhrungspuncten nicht Antheil nehmen? Und wohin konnte dieſe Theilnahme bey einer ſolchen Macht nicht fuͤhren? Die den Habsburgern beygelegte Idee einer ſogenannten Uni- verſalmonarchie, war, in ſo fern man darunter nicht eine unmittelbare Herrſchaft, ſondern nur den Principat in Europa verſteht, ſo wenig ein lee- res Phantom, daß ſie vielmehr von ſelbſt aus der Lage jenes Hauſes hervorging; und der Kampf von Franz I., wenn auch im Einzelnen durch Leiden- ſchaft und kleinliche Urſachen erzeugt, und zunaͤchſt nur auf den Principat in Italien gerichtet, war doch, aus einem hoͤhern Geſichtspunkt betrachtet, ein Kampf fuͤr Selbſtſtaͤndigkeit und Unabhaͤngigkeit. Schaͤtzung der wahren Macht der beyden Fuͤrſten. Die Macht von Carl V. verlor 1. durch die Verſchiedenheit ſeiner Verhaͤltniſſe in ſeinen verſchiedenen Staaten: er war nir- gends, ſelbſt nicht in Spanien, unumſchraͤnkt. 2. Durch die beſtaͤndigen Finanzverlegenheiten, und die nie regelmaͤßig bezahlten Truppen, die oft deßhalb kaum ſeine Truppen heißen konnten. Dagegen die ſo ſehr concentrirte Macht Frankreichs nicht nur 1. dem Koͤnige faſt unumſchraͤnkt zu Ge- bote ſtand; ſondern auch 2. durch die Errichtung einer eignen National-Infanterie ſtatt der Miethtruppen erſt furchtbar wurde. Aber doch 3. ſehr dadurch ſich beſchraͤnkte, daß Franz I. nicht die Staatswirthſchaft ſeines Vorgaͤngers befolgte. 6. Erſter Krieg zwiſchen Franz I. und Carl V., angefangen von Franz I., und nach oͤfterm Wechſel durch 1521 bis 1526

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Zitationshilfe: Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809/81>, abgerufen am 24.11.2024.