7. Diese Händel waren desto gefährlicher, weil sie sich periodisch erneuerten; aber mehr als sie wirk- te die Anschließung an Oestreich, bald durch 1770 16. Maydie Vermählung des Dauphins mit Marie Antoi- nette befestigt. Indem dadurch die herrschende Dynastie den Character des Staats verleugnete, that sie auch zugleich den ersten Schritt zu ihrem Untergange. Wie einst die Stuarts in England setzte sie sich in Widerspruch mit der Nation; und die lange Reihe unglücklicher Folgen, die im- mer sichtbarer werdende Nullität in dem Staatensy- 1774 bis 1787stem von Europa, die Vergennes während seines Ministeriums nur wenig verdecken konnte, mußte diesen um desto mehr verstärken, je mehr das poli- tische Ehrgefühl der Nation dadurch beleidigt ward.
8. Zu diesem kam ein tief zerrüttetes Finanzwesen; bey dem durchgreifende Refor- men unmöglich waren, ohne die Grundsäulen der Verfassung zu erschüttern. Seit Fleu- 1743rys Tode war unter den Maitressenregierungen kein gut organisirtes Ministerium möglich gewesen. Und 1777 bis 1781auch als unter Ludwig XVI.Necker zum ersten- male an die Spitze der Finanzen kam, empfand man bald, daß bloße Sparsamkeit so wenig helfen könne, als das höchst unzeitige Experiment 1780der Publicität geholfen hat. Nut in der Auf-
hebung
II. Per. C. I. Geſch. d. ſuͤdl. Eur. Staatenſyſt.
7. Dieſe Haͤndel waren deſto gefaͤhrlicher, weil ſie ſich periodiſch erneuerten; aber mehr als ſie wirk- te die Anſchließung an Oeſtreich, bald durch 1770 16. Maydie Vermaͤhlung des Dauphins mit Marie Antoi- nette befeſtigt. Indem dadurch die herrſchende Dynaſtie den Character des Staats verleugnete, that ſie auch zugleich den erſten Schritt zu ihrem Untergange. Wie einſt die Stuarts in England ſetzte ſie ſich in Widerſpruch mit der Nation; und die lange Reihe ungluͤcklicher Folgen, die im- mer ſichtbarer werdende Nullitaͤt in dem Staatenſy- 1774 bis 1787ſtem von Europa, die Vergennes waͤhrend ſeines Miniſteriums nur wenig verdecken konnte, mußte dieſen um deſto mehr verſtaͤrken, je mehr das poli- tiſche Ehrgefuͤhl der Nation dadurch beleidigt ward.
8. Zu dieſem kam ein tief zerruͤttetes Finanzweſen; bey dem durchgreifende Refor- men unmoͤglich waren, ohne die Grundſaͤulen der Verfaſſung zu erſchuͤttern. Seit Fleu- 1743rys Tode war unter den Maitreſſenregierungen kein gut organiſirtes Miniſterium moͤglich geweſen. Und 1777 bis 1781auch als unter Ludwig XVI.Necker zum erſten- male an die Spitze der Finanzen kam, empfand man bald, daß bloße Sparſamkeit ſo wenig helfen koͤnne, als das hoͤchſt unzeitige Experiment 1780der Publicitaͤt geholfen hat. Nut in der Auf-
hebung
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><pbfacs="#f0472"n="434"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">II.</hi> Per. <hirendition="#aq">C. I.</hi> Geſch. d. ſuͤdl. Eur. Staatenſyſt.</hi></fw><lb/><p>7. Dieſe Haͤndel waren deſto gefaͤhrlicher, weil<lb/>ſie ſich periodiſch erneuerten; aber mehr als ſie wirk-<lb/>
te <hirendition="#g">die Anſchließung an Oeſtreich</hi>, bald durch<lb/><noteplace="left">1770<lb/>
16.<lb/>
May</note>die Vermaͤhlung des Dauphins mit Marie Antoi-<lb/>
nette befeſtigt. Indem dadurch die herrſchende<lb/>
Dynaſtie den Character des Staats verleugnete,<lb/>
that ſie auch zugleich den erſten Schritt zu ihrem<lb/>
Untergange. Wie einſt die Stuarts in England<lb/>ſetzte ſie ſich in Widerſpruch mit der Nation;<lb/>
und die lange Reihe ungluͤcklicher Folgen, die im-<lb/>
mer ſichtbarer werdende Nullitaͤt in dem Staatenſy-<lb/><noteplace="left">1774<lb/>
bis<lb/>
1787</note>ſtem von Europa, die <hirendition="#g">Vergennes</hi> waͤhrend ſeines<lb/>
Miniſteriums nur wenig verdecken konnte, mußte<lb/>
dieſen um deſto mehr verſtaͤrken, je mehr das poli-<lb/>
tiſche Ehrgefuͤhl der Nation dadurch beleidigt ward.</p><lb/><p>8. Zu dieſem kam ein <hirendition="#g">tief zerruͤttetes<lb/>
Finanzweſen</hi>; bey dem durchgreifende Refor-<lb/>
men unmoͤglich waren, <hirendition="#g">ohne die Grundſaͤulen<lb/>
der Verfaſſung zu erſchuͤttern</hi>. Seit Fleu-<lb/><noteplace="left">1743</note>rys Tode war unter den Maitreſſenregierungen kein<lb/>
gut organiſirtes Miniſterium moͤglich geweſen. Und<lb/><noteplace="left">1777<lb/>
bis<lb/>
1781</note>auch als unter Ludwig <hirendition="#aq">XVI.</hi><hirendition="#g">Necker</hi> zum erſten-<lb/>
male an die Spitze der Finanzen kam, empfand<lb/>
man bald, daß bloße Sparſamkeit ſo wenig helfen<lb/>
koͤnne, als das <hirendition="#g">hoͤchſt unzeitige Experiment</hi><lb/><noteplace="left">1780</note><hirendition="#g">der Publicitaͤt</hi> geholfen hat. Nut in der <hirendition="#g">Auf-</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#g">hebung</hi></fw><lb/></p></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[434/0472]
II. Per. C. I. Geſch. d. ſuͤdl. Eur. Staatenſyſt.
7. Dieſe Haͤndel waren deſto gefaͤhrlicher, weil
ſie ſich periodiſch erneuerten; aber mehr als ſie wirk-
te die Anſchließung an Oeſtreich, bald durch
die Vermaͤhlung des Dauphins mit Marie Antoi-
nette befeſtigt. Indem dadurch die herrſchende
Dynaſtie den Character des Staats verleugnete,
that ſie auch zugleich den erſten Schritt zu ihrem
Untergange. Wie einſt die Stuarts in England
ſetzte ſie ſich in Widerſpruch mit der Nation;
und die lange Reihe ungluͤcklicher Folgen, die im-
mer ſichtbarer werdende Nullitaͤt in dem Staatenſy-
ſtem von Europa, die Vergennes waͤhrend ſeines
Miniſteriums nur wenig verdecken konnte, mußte
dieſen um deſto mehr verſtaͤrken, je mehr das poli-
tiſche Ehrgefuͤhl der Nation dadurch beleidigt ward.
1770
16.
May
1774
bis
1787
8. Zu dieſem kam ein tief zerruͤttetes
Finanzweſen; bey dem durchgreifende Refor-
men unmoͤglich waren, ohne die Grundſaͤulen
der Verfaſſung zu erſchuͤttern. Seit Fleu-
rys Tode war unter den Maitreſſenregierungen kein
gut organiſirtes Miniſterium moͤglich geweſen. Und
auch als unter Ludwig XVI. Necker zum erſten-
male an die Spitze der Finanzen kam, empfand
man bald, daß bloße Sparſamkeit ſo wenig helfen
koͤnne, als das hoͤchſt unzeitige Experiment
der Publicitaͤt geholfen hat. Nut in der Auf-
hebung
1743
1777
bis
1781
1780
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809/472>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.